Interview

Nation of Gondwana: Hier wird sich noch gekümmert


Obwohl sie mit 24 Jahren eines der ältesten Technofestivals Deutschlands ist, hat sich die Nation of Gondwana ihr Image als Geheimtipp bis heute bewahrt. Ein seltenes Gespräch mit den Gründern über richtig lauten Wumms, brennende Seen und den Spirit der Neunziger.

„Also das Festival gibt es ja seit 1995“, holt Markus Ossevorth aus, während er eine Zigarette aus dem Softpack schnippst. „Da kamst du ja damals auf die Idee ‚Lass doch mal zur Loveparade was machen.’“ „Nee, das war doch ganz anders!“, fällt ihm André Janizewski ins Wort. „Wir wollten 1994 während der Loveparade auf eine Veranstaltung im Eimer, wo Der Dritte Raum gespielt hat. Und wegen der Millionen von Touristen sind wir nicht auf die Party gekommen.“

Wenn man sich mit André und Markus über ihre gemeinsamen Anfangstage in Berlin unterhält, wirken sie fast wie ein altes Ehepaar. Der eine vervollständigt die Sätze des anderen und widerspricht auch mal vehement, wenn es seiner Meinung nach um die falsche Party im falschen besetzten Haus geht.

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Beide kamen Ende der Achtziger in ein Berlin, das die junge Generation nur noch aus nostalgievergessenen Dokus kennt. Ein Berlin, in dem es am Rosenthaler Platz in Mitte noch Szeneclubs gab, der Prenzlauer Berg noch voller autonomer Hausprojekte war und an jeder Wohnungstür ein Zettel mit Stift hing, an dem man vermerken konnte, dass man da gewesen war und wann man vorhatte die Bewohner wiederzutreffen – funktionierende Telefone waren in Ostberlin rar gesät. Wenn man in diesem Berlin nicht am Türsteher vorbeikam, dann startete man eben seine eigene Party. Schließlich war Techno damals als Undergroundbewegung von der heutigen Professionalisierung noch Lichtjahre entfernt.

Ein Kirchenchor singt jedes Jahr zur Eröffnung des Techno-Festivals

Als Anzüge noch provozierten: DJ Hell über Techno und Mode
Mit Fahrradkarten ausgerüstet begaben sich André und Markus also Mitte der Neunziger auf Erkundungstour ins Berliner Umland und fanden eine Wiese, die nichts zu bieten hatte, außer einem angrenzenden See und toleranten Nachbarn. Das ist trotz späterer Ortswechsel bis heute so geblieben. „Im Gegensatz zur Fusion, mit der wir von Anfang an bis heute eng verbunden sind, gehört uns das Gelände nicht. Wir müssen jedes Jahr alles komplett neu aufbauen“, erklärt Markus. Doch das Verhältnis zum nahegelegenen Dorf Grünefeld ist gut, die Jugendlichen, die mit der Nation of Gondwana aufgewachsen sind, helfen für ein Festivalticket beim Aufbau mit, die freiwillige Feuerwehr betreibt den Grillstand – „die besten Nackensteaks Brandenburgs!“, schwärmt Markus – und der Kirchenchor singt sogar jedes Jahr zur Eröffnung des Festivals. Community wird bei der Nation groß geschrieben.

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„Wir kommen da hin und überrollen dieses Dorf jedes Jahr mit 10.000 Menschen, da muss man natürlich was zurückgeben. Das ist ein Geben und Nehmen“, stellt André den eigenen Anspruch klar. Den hat die Nation auch an ihr Publikum. Zugedröhnte Ballermann-Raver, die an der Garderobe auch ihre Verantwortung abgeben, findet man auf der Nation nicht. Die Crowd ist zum Teil seit den Anfangstagen dabei, tendenziell also auch etwas älter, vom Spirit der Neunziger geprägt und einem gewissen Idealismus verschrieben.

Wie riechen eigentlich Techno, Rock oder Folk als Parfüm?
„Es geht darum ein konserviertes Gefühl von Techno aus den Neunzigern wieder aufleben zu lassen. Das hat mit Miteinander zu tun“, erklärt Markus die Philosophie der Nation of Gondwana. „Die jungen Menschen schätzen das aber auch sehr“, ergänzt André. „Da liegt nicht einer am Wegesrand und alle laufen vorbei, sondern da wird sich tatsächlich gekümmert. Das ist ein schönes Gefühl.“ Zu diesem konservierten Gefühl gehört auch der Anspruch, sich nicht kaufen zu lassen. Bis heute kommt die Nation komplett ohne sichtbare Werbung und Sponsoring aus.

Mit der Presse haben die beiden bislang so gut wie nie gesprochen. „Ich glaube, wir sind altersmilde geworden“, scherzt Markus auf die Frage hin, warum jetzt. „Wir blicken langsam zurück und fragen uns: Was haben wir eigentlich gemacht? Und wie wichtig waren wir für Techno in Berlin?“ Indem sie es geschafft haben, den ursprünglichen Spirit der Szene über 25 Jahre lebendig zu halten, haben sie auf jeden Fall vieles richtig gemacht.

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Der richtig laute Wumms

Dieser Spirit spiegelt sich auch musikalisch wider. Auf insgesamt vier Bühnen gibt es Kleinkunst und obskure Live-Acts. Der Fokus aber liegt auf der einen großen Party. „Ich sag immer so: Wir bringen’s gerne auf den Punkt. Eine Wiese, eine Nacht richtig rocken. Es gibt zwar ab Freitag Beiprogramm. Aber den richtigen lauten Wumms, den gibt’s bei uns sehr konzentriert Samstagnacht“, verrät Markus. Er grinst verschmitzt, als er aufzählt, mit welchen absurden Aktionen sie ihr Publikum in diesen Nächten schon überrascht haben: Einmal haben sie mit Gasflaschen, die sie unter Wasser aufdrehten, den See angezündet. Sie ließen um Mitternacht eine Opernsängerin die Arie der „Königin der Nacht“ schmettern. Ein andermal schalteten sie das komplette Licht auf dem Gelände ab und ließen im Strobo-Blitzlichtgewitter eine Hardcore-Punkband auftreten. Langeweile ist offensichtlich auch nach fast einem Vierteljahrhundert Festivalorganisation noch nicht aufgekommen.

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Nicht nur auf dem Dancefloor mischen sich Neulinge mit alten Bekannten. Das Line-Up ist schon eher was für Szenekenner, ohne allerdings die Zugänglichkeit zu vernachlässigen. In diesem Jahr spielt der Bulgare KiNK als einer der aktuell wohl besten Live-Acts überhaupt, ebenso wie Gerd Janson, der mit seinem Frankfurter Label Running Back einige der spannendsten House-Platten der letzten Zeit herausgebracht hat. Neben Radio Slave, Monika Kruse und Tiga sind einige Hochkaräter am Start. Wie in jedem Jahr ist DJ Eulenhaupt, inoffizieller „Chef“ des Fusionkollektivs, wieder mit dabei, ebenso wie Sven Dohse, für den der Sonntagabend reserviert ist. Und natürlich besagter Freund der Nation-Familie, Der Dritte Raum, ohne dessen verpassten Gig es die Nation heute wahrscheinlich gar nicht gäbe.

Nation of Gondwana: Alle Infos auf einen Blick

Ort: Waldsee bei Grünefeld; Grünefeld bei Schönwalde

Wann: 20. bis 22. Juli 2018

Tickets: 113 Euro

Wie Ihr an Tickets kommt, wer dort spielt und was Ihr sonst noch alles wissen müsst, erfahrt Ihr auf der Homepage der Nation of Gondwana. Einen Einblick in das Festival verschafft Euch dieser Aftermovie:

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