Nas‘ IT WAS WRITTEN feiert 25. Jubiläum – wie ein Album die HipHop-Welt nachhaltig prägte
Ein Klassiker wird 25 Jahre alt. Zeit für einen Rückblick auf Nas' Entwicklung vom Underdog aus Queensbridge, hin zu seinem Alter Ego Nas Escobar, die Entwicklung von Mafioso Rap, innovative Perspektivenwechsel im HipHop und den Einfluss der Platte auf spätere Generationen.
IT WAS WRITTEN von Nas bescherte dem Rapper aus New York 1996 nach seinem Debütalbum ILLMATIC den kommerziellen und internationalen Durchbruch. Die Platte hielt sich vier Wochen infolge an der Spitze der Billboard Charts, erhielt Dreifach-Platin und ist bis heute das meistverkaufte Nas-Album weltweit. Gleichzeitig ist es unter Fans des Rappers, der hier soundtechnisch einen großen Schritt in Richtung Mainstream tat, zum Teil umstritten. Anlässlich des 25. Jubiläums der Platte erschien nun eine Expanded Digital Edition des Albums, das den bisher unveröffentlichten Song „Silent Murder“ sowie eine neue Version der Hit-Single „Street Dreams“ mit einer neuen Strophe enthält. Ein guter Zeitpunkt, sich IT WAS WRITTEN noch einmal genauer anzuschauen und die Bedeutung des Werks für die Entwicklung von HipHop und für spätere Generationen von Artists zu erfassen.
Vom Underground in die Pop-Charts
Nas‘ Debütalbum ILLMATIC von 1994 war textlich geprägt von seiner Jugendzeit in Queensbridge und zeugte bereits von seinem lyrischen Talent und seiner teils harten, teils poetischen Erzählweise. Viele Fans bezeichnen das autobiografische Werk heute als eines der besten und wichtigsten HipHop-Alben aller Zeiten. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung brachte es Nas aber eher geringe Verkaufszahlen ein. Ein maßgeblicher Grund: Es hatte keine Radio-Hits. Die Underground-Ästhetik der musikalischen Produktion, für die hauptsächlich DJ Premier und Large Professor verantwortlich waren, traf zu dem Zeitpunkt schlichtweg nicht den Geschmack der großen Masse. Diesen Fehler beging er bei IT WAS WRITTEN nicht noch einmal und so holte er sich mit den Trackmasters Produzenten an die Seite, die durch ihre Zusammenarbeit mit Artists wie Destiny’s Child, R. Kelly, LL Cool J, Mary J. Blige, Jay-Z, Jennifer Lopez, Mariah Carey und The Notorious B.I.G. in den 90ern und frühen 2000ern HipHop und RnB in den Mainstream manövrierten. Für Nas bedeutete das eine Annäherung an den zu der Zeit beliebten „G Funk“-Sound und generell mehr Funk- und Jazz-Loops und Samples. Man könnte sagen, dass Nas die Zeichen der Zeit erkannte und zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Schalter umlegte, um es ins Radio und in die Charts zu schaffen.
Gleich die erste Single-Auskopplung „If I Ruled The World“ mit Lauryn Hill, die hier ihren ersten Auftritt außerhalb der Fugees absolvierte, schaffte es in die Billboard Hot 100 und sorgte dafür, dass Nas plötzlich in aller Munde war. Dafür sorgte auch der Songtext, in dem er unter anderem eine Reformation beziehungsweise die Abschaffung des US-amerikanischen Gefängnis-Systems forderte. Gleichzeitig wurde ihm von Teilen der HipHop-Community zum ersten Mal der Vorwurf des „Sell out“ gemacht, was auch an Nas‘ neuem Alter Ego „Nas Escobar“ und seinem neuen Mafioso-Konzept lag.
Die Geburt von Nas Escobar und der Mafioso Rap-Hype
Inspiriert von der aufkommenden Welle des Mafioso Rap – die East-Coast-Antwort auf den damals erfolgreichen West-Coast-Gangster-Rap – erfand Nas sein Alter Ego Nas Escobar, angelehnt an den kolumbianischen Drogenboss Pablo Escobar. Gemäß seiner neuen Scarface-Persona tauschte er die Häuserblocks von Brooklyn gegen Bilder von Casinos, teuren Autos, kolumbianischen Zigarren und leicht bekleideten Frauen. Auf derselben Welle schwammen damals übrigens auch The Notorious B.I.G. und Jay-Z mit. Im Fall von Nas wurde das unter anderem deutlich durch das Video zur zweiten Album-Single „Street Dreams“, das sich an Martin Scorseses Motiven aus dem Film „Casino“ (1995) bedient.
Auch musikalisch spiegelte sich der Mafia-Bezug zum Teil wider. So erinnern die Strings auf dem Song „Affirmative Action“ an die musikalische Untermalung von Mafiafilmen wie „der Pate“ oder „Goodfellas“. Durch die wiederkehrenden Verweise auf Luxusgüter behielt Nas die Vorstellung von einem besseren Leben abseits der Blocks, die er bereits bei ILLMATIC inhaltlich mit der schnellen Anhäufung von Geld verband, bei. Die Geschichte vom Tellerwäscher, der zum Millionär wird, sowie der Hang zum Materialismus, findet als Narrativ bekanntlich auch weiterhin in der HipHop-Welt statt.
Innovatives Storytelling
Was Nas jedoch trotz materialistischer Bilderwelten, die man auch von vielen seiner Kolleg*innen kannte, abhob, war seine einzigartige Erzählweise. In dem Song „I Gave You Power“ rappte Nas aus der Perspektive einer Pistole und kritisierte somit den Umgang mit Schusswaffen in den amerikanischen Ghettos. Er selbst sagte in einem Interview, dass er zur Entstehungszeit des Songs oft in Berührung mit Waffen kam, weshalb er sich entschied, diesem Thema einen kompletten Song zu widmen. Die Idee, aus der Sicht eines Objektes zu erzählen, griff Nas auch bei späteren Songs auf. Beispielsweise rappte er in dem Song „Blood Diamonds Are Forever“ von 2006 aus der Sicht eines Blutdiamanten. Dasselbe Konzepte nutzte er auch für Songs wie „Money Is My Bitch“, „Last Words“, „Project Roach“ and „Fried Chicken“. Der Perspektivwechsel im HipHop war für die Zeit äußerst innovativ. Später wurde das Stilmittel von Künstlern wie Kendrick Lamar („Sing About Me“), J.Cole („Lost Ones“) oder Eminem („Stan“) verwendet.
I seen some cold nights and bloody days
They grab me, bullets spray
They use me wrong, so I sing this song to this day
My body is cold steel, for real
I was made to kill, that’s why they keep me concealed
Nas‘ Beitrag zum East- und West-Coast-Konflikt
Der Song „Nas Is Coming“ auf dem Album, kennzeichnet auch die erste Zusammenarbeit zwischen Nas und West-Coast-Legende Dr. Dre, der den Beat produzierte. Das geschah zu einem Zeitpunkt, als der Konflikt zwischen der East und der West Coast, sowie die Rivalität zwischen den Rappern aus den beiden Lagern sich immer weiter zuspitzte. In dem Eröffnungs-Skit zu dem Song unterhalten sich Nas und Dr. Dre über junge HipHop-Artists und Fans, die einen viel zu großen Wert auf die East-West-Coast-Rivalität legen würden. Mit ihrer Zusammenarbeit versuchten beide Künstler ein Zeichen zu setzen, um die Streitereien endlich zu beenden. 1996 war leider auch das Jahr, in dem der Konflikt in der Ermordung von HipHop-Legende Tupac Shakur seinen (ersten) traurigen Höhepunkt fand.
Die Wege von Dre und Nas kreuzten sich auch 2006, als Dre den Track „Hustlers“ für Nas‘ Album HIP-HOP IS DEAD produzierte. Außerdem spielte Dre auch eine Rolle bei der Gründung von Nas‘ East-Coast-Supergroup The Firm, deren Mitglieder AZ, Foxy Brown und Cormega waren.
Der Einfluss von IT WAS WRITTEN bis heute
Auch wenn Mafioso Rap in seiner reinen Form kaum noch existiert, gehörte er Mitte der 90er-Jahre zu den wichtigsten Subgenres des HipHop. Die Maßstäbe für den Sound und die Ästhetik des Genres, das in den 1990er-Jahren den Mainstream mitbestimmte, setzte neben Jay-Z, The Notorious B.I.G. und Wu Tan Clan-Rapper Raekwon, auch Nas. Heute zählen ihn viele berühmte HipHop-Artists zu ihren musikalischen Vorbildern. Während Künstler wie Kendrick Lamar, J.Cole und Action Bronson nachweislich von Nas‘ Debütalbum ILLMATIC beeinflusst wurden, gibt es auch einige, die IT WAS WRITTEN für das wichtigste und prägendste Werk des Rappers halten. Lupe Fiasco gab beispielsweise in einem Interview an, dass er mit seinem Debütalbum FOOD & LIQUOR (2006) versuchte, eine ähnliche Atmosphäre einzufangen wie auf IT WAS WRITTEN: „Ich habe wirklich versucht, zurückzugehen und „It Was Written“ neu zu erschaffen, verstehst du, was ich meine? (…) Du lernst von den Meistern, verstehst du? Jeder, der rappt, lernt von jemandem, wie er rappt.“ Auch der Reggae-, Hip-Hop- und Rock-Musiker Matisyahu zählt das Werk zu seinen musikalischen Einflüssen. In einem Interview verriet er, dass IT WAS WRITTEN ihn überhaupt erst zum HipHop gebracht habe: „Ich habe mich mit HipHop verbunden, mit seiner Härte, mit dem treibenden Beat. Es ist Musik mit viel Raum, wo in jeder Ecke etwas passiert.“
Kürzlich ließen Nas und Jay-Z die Ästhetik des Mafioso Rap noch einmal in ihrem gemeinsamen Song mit DJ Khaled „Sorry Not Sorry“ aufleben. Mit der Zusammenarbeit beendeten beide Künstler auch symbolhaft ihre Rivalität, die jahrzehntelang andauerte: