NAH-ERHOLUNG


Deutschsprachiger Dancehall-Reggae von einem schlaksigen Weißbrot mit sächsischem Zungenschlag. Für Uneingeweihte mag das klingen wie ein Bob-Team aus Jamaika. Doch wie im Film die Insulaner im Eiskanal, triumphiert im echten Leben der Leipziger Ronny Trettmann – mit Leidenschaft, Charme und dem rechten Blick auf das Mutterland seiner Disziplin. Seit 2006 ist Ronny Trettmann im Geschäft. Etwa 100 Songs hat er seitdem aufgenommen, nicht wenige davon sind echte Hits in seiner Szene, in der er längst einen Sonderstatus genießt als Bester seines Fachs. Nur ist die deutsche Dancehall-Gemeinde klein und ihre Grenzen unerbittlich undurchlässig. Auf der großen Bühne ist abseits der üblichen Karibik-Kiffer-Kokosnuss-Klischees nichts zu holen, und mit denen hat Trettmann nichts am Hut. Vielmehr orientiert er sich an den neuesten Trends aus Jamaika – knallharte Elektronik-Beats in Überschallgeschwindigkeit, verquere Slang-Ausdrücke, süßliche Pop-Melodien im Autotune-Stil – und überführt sie kongenial in unseren Kulturkreis. So gibt er sich als Sommelier des kleinen Mannes („Birnenpfeffi mit Zimt“), führt eine neue Maßeinheit für Großartigkeit ein („25 Geil“) und zelebriert augenzwinkernd den Lifestyle der Reichen und Schönen („Skiurlaub“). Auf seinem Debütalbum TANZ AUF DEM VULKAN (Heckert Empire) zeigt er zudem eine neue Ernsthaftigkeit, wenn er etwa mit Johanna Marshall von Laing das bittere Ende einer Beziehung und gar die kurz bevorstehende Apokalypse besingt. Von der Albernheit mancher früher Arbeiten ist kaum etwas geblieben, vom Gag-Verdacht hat sich der selbsterklärte deutsche Dancehall-Direktor befreit. Die 808 ballert kraftvoller als je zuvor, jede Zeile sitzt, und auch die Promi-Gäste aus der Deutschrap-Welt wie K.I.Z. und Kraftklub fügen sich perfekt ein in seinen ureigenen Klangkosmos. Das klingt auch auf Albumlänge richtig gut. Oder, um im Idiom zu bleiben: Da geht maximaler Gwaan.