Monsters Of Rock
Petrus blieb stur. Obwohl die Wetterfrösche noch Tage zuvor sommerliche Temperaturen prophezeit hatten, nieselte es bei der Eröffnung der diesjährigen HM-Monsterparade beharrlich vom Himmel. Was allerdings den 60.000 Zuschauern völlig wurscht war, hatten sich doch die meisten von ihnen mit Hilfe von Rotwein und Gerstensaft schon selbst in Wallung gebracht. Die Stimmung war jedenfalls gut — trotz Regens, torkelnder Bierleichen und einiger Ordner, die allen Ernstes meinten, mit ihren muskelspielenden Oberarmen Eindruck schinden zu müssen.
Heavy Rock aus Buko-Land eröffnete den Reigen der insgesamt sieben Bands. Die Pretry Vlaids aus Dänemark stürmten nach einem schwülstigen Keyboard-Intro auf die Bühne und stürzten sich sofort auf den Titelsong ihres letzten Albums, „Future World“. Eine Hymne — so recht nach dem Geschmack der Massen.
Sänger Ronnie Atkins. der in seinem langen Gewand von weitem ein wenig an Europes Joey Tempest erinnerte, nahm das Heft in die Hand, dirigierte seine Mannen gekonnt durch den gesamten Set, darunter spritzige Songs wie „Rodeo“, „Red, Hot & Heavy“ oder „We Come To Rock“, und treu so entscheidend mit dazu bei. daß sich der musikalische Aufwärmer (erstmals mit dem Ex-Sinner Gitarrero Angel G. Schleifer) vor großem Publikum achtbar aus der Affäre zog.
Ein fulminanter Auftakt mit barockbombastischen Klassik-goes-Heavy-Metal-Klängen vom Band lenkte die Aufmerksamkeit auf einen weiteren Newcomer, die Hamburger Helloween. Schon auf den ersten Blick war zu erkennen, daß den Greenhorns jegliches Nervenflattern fremd ist. Sie scherten sich nicht um die hochkarätige Konkurrenz, sondern machten das. was sie können: intelligenten Heavy-Metal. Häufige Tempiwechsel in den Songs, klirrende Gitarren und eine professionelle Show brachten auch den Letzten auf die Beine.
So unschuldig und doch schon so erfolgreich. Kaum zu glauben, daß die vier Boys von Cinderella gleich mit ihrem Debüt-Album in den USA so abgeräumt haben. Erstmals auf deutschem Boden, war der Ruf der drei Millionen verkauften Exemplare schnell verraucht. Nett, gefällig, bisweilen etwas steif und eckig, boten Sänger, Songwriter und Gitarrist Tom Keifer und seine drei Partner ihre Night Songs feil, um mit einer Cover-Version von Jumpin‘ Jack Flash zum Abschluß noch einmal die Rollenden Steine hochleben zu lassen.
Musik direkt aus dem Radio? Nun, natürlich waren die amerikanischen Heavy-Pop Ratt(en) selbst erschienen, doch das machte eigentlich keinen Unterschied. Glatt, auf schiere Eingängigkeit poliert und ohne jedes Risiko gingen Pearcy. Crosby. De Martini, Blotzer und Croucier den Weg des geringsten Widerstands.
Die Kult-Heroen des Heavy Metal, Metallica, gingen als nächste ins Rennen. Wie immer mit dem gehörigen Speed, in den Gitarrist Kirk Hammett kleine, feine Melodiebögen einfließen ließ, jede Menge hemdsärmeliger Power und erstaunlicher Ausdauer. Ein gewohnt guter Gig, der vor allem von der nach wie vor ungetrübten Publikumsnähe dieser Band lebte.
Altmeister Dio muß sich in Zukunft schon was einfallen lassen, will er seine Fanschar auf Dauer bei der Stange halten. Ob nun „Dream Evil“ vom gleichnamigen Album. „Rock ’n‘ Roll-Children“ oder der Rainbow-Klassiker „Man On The Silver Mountain“ — sie alle zeigten einmal mehr, daß sich Ronnie James, der Sänger. Songwriter. Produzent und Boß der Band in Personalunion, längst in seinem eigenen Mythos verfangen hat. Sein von verschleppten Rhythmen getragener Heavy-Hardrock bedarf dringend der Renovierung, sonst kann er sich auch noch in den nächsten zehn Jahren die Lunge aus dem Hals schreien, ohne daß etwas passiert.
Ähnlich routiniert, wenn auch weit besser in Form als noch bei ihrem letzten Konzert in München, präsentierten sich die Headliner des Festivals. Deep Purple. Der berühmte „Highway Star“ machte den Anfang. Eine bunte Palette — von „Strange Kind Of Woman“. „Unwritten Law“, „Knockin‘ At Your Backdoor“, „Perfect Stranger“ bis hin zum obligatorischen „Child In Time“ — folgte. Dagegen war einfach kein Kraut gewachsen. Zumal sich Gitarrist Ritchie Blackmore von der Begeisterung anstecken ließ und mit überraschenden Einlagen und raffinierten Läufen seine Schokoladen-Seite zeigte. Deep Purple warfen ihre vieljährigen Bühnenerfahrungen in die Waagschale und bestachen endlich wieder durch eine überaus geschlossene Leistung. Ein würdiger Headliner.