Monkeymania!


Während die Konzerne Jammerchöre auffuhren, weil die Teenager ihr Industrieplastik immer widerwilliger konsumieren, wurde England zu Jahresbeginn von einem Wirbelsturm heimgesucht, der die Musikwelt aus den Angeln hob. Schuld sind vier junge Burschen aus Sheffield (der älteste ist 20), deren Debütalbum am 23. Januar erschien – um Mitternacht. Während die Arctic Monkeys bei einem Gig im beschaulich kleinen Leadmill-Club mit Familien, Freunden und 800 Fans in ihrer Heimatstadt ihre zweite Nummer-eins-Single hintereinander feierten, versammelten sich draußen auf der Straße Hunderte, die keine Karte ergattern hatten können (das Konzert war innerhalb einer Minute ausverkauft). Um sie an der Party teilhaben zu lassen, ließ Sänger Alex Turner (ganz rechts) die Türen öffnen – die Polizei drückte ein Auge zu. Punkt 24 Uhr wurden die Plattenläden gestürmt; die stolzen Albumbesitzer im linken Bild gehörten zu den ersten und waren eigens aus Derby angereist. Im Lauf der Woche wurde eine optimistische Verkaufsprognose nach der anderen übertroffen, bei Redaktionsschluß steuerte die Platte mit 350.000 Stück auf die Marke „schnellstverkauftes Debütalbum aller Zeiten“ zu. Da wollte selbst das Wetter nicht zurückstehen und gab sich vier Wochen lang „arctic“.

ZAHLEN BITTE 2,5 Millionen Pfund bot ein britischer Verlag für die Memoiren von Eric Clapton. Der wollte jedoch eine Million mehr. Nun hat er sich mit dem Bertelsmann-Konzern geeinigt, das Buch soll 2007 erscheinen.

Wir fangen mit dem Ende an: Schluß ist bei Grandaddy, die bei den Aufnahmen zum neuen Album Just Like The Fambly Cat feststellten, daß sie keine Lust mehr auf gemeinsames Musizieren haben. Bandchef Jason Lytle zieht von Kalifornien nach Montana und will weiterhin Musik machen.

Schluß ist auch für Charlotte Hathertey – als Gitarristin bei Ash. Nach neun Jahren an der Seite von Tim Wheeler will sie sich auf ihre eigene Musik konzentrieren und im Herbst das zweite Soloalbum veröffentlichen. Auch Ash arbeiten an einer neuen Platte.

Genug vom Solistendasein hat (möglicherweise aufgrund der kühlen bis entsetzten Reaktionen auf sein Soloalbum) Billy Corgan: Es verdichten sich Gerüchte über eine Reunion der Smashing Pumpkins- rechtzeitig zur lukrativen US-Festivalsaison, die am 30. April mit dem kalifornischen Coachella beginnt. Aufseiner Website kündigte Corgan schon mal eine „Überraschung“an.

Letzte Hand an neue Alben, die im Frühjahr erscheinen, legen derzeit u. a. Keane (noch ohne Titel) und Massive Attack (Weather Underground). Gerade erst angefangen haben Hot Hot Heat und Arcade Fire, die sich eine kleine Kirche in der Nähe von Montreal gekauft und sie in ein Studio umgebaut haben. Kirchenbesitzerin ist neuerdings auch Ani di Franco, die das Gotteshaus allerdings in einen Club (mit dem passenden Namen „The Church“) umgewidmet hat.

Vielleicht der rechte Ort für Richard Ashcroft – der nämlich fühlt sich laut eigener Aussage „wie Jesus“. „Nur Richard Ashcroft und Liam Gallagher“, sagte er dem englischen Revolverblatt The Sun, „wissen, wie das ist. Wir sind die einzigen, die wissen, wie viele Menschen wir berührt haben und welche Macht darin liegt.“

Als Ashcroft ein paar Tage darauf während eines Auftritts im Londoner Electric Ballroom die Lust an dem Uralt-Verve-Hit „The Drugs Don’t Work“ verließ, kletterte Mit-Messias Liam auf die Bühne, hob den am Boden liegenden Richard auf und ermunterte ihn zum Weitersingen. Hinterher trat Liam selber ans Mikro und pries Ashcroft als „freien Geist“.

Sein erstes Album seit elf Jahren wird im Mai Scott Walker veröffentlichen (The Drift). Gute 14 Jahre hat das Produzententrio Stock, Aitken & Waterman, dem wir neben Kylie Minogue auch Jason Donovan und Rick Astley verdanken, die Welt von seiner Wirkung verschont. Auch das soll sich 2006 ändern. Kaum Vater geworden, hat Josh Homme schon wieder musikalisch zu tun: Am 10. April erscheint das zweite Album seiner Eagles of Death Metal, death by sexy. Um Tochter Camille („17. Januar, Interessen: „Titten, Pennen, Furzen“) kümmert sich derweil Mama Brody Dalle.

An einem neuen Album arbeiten auch Weezer. Zuvor nahmen sie noch eine neue Version des Velvet-Underground-Klassikers „Heroin“ auf-für den Film „Factory Girl“ über das Leben der Warhol-Muse Edie Sedgwick (gespielt von Sienna Miller). Wenig gute Worte für das Filmprojekt fand VU-Gründer Lou Reed: „Ich habe das Drehbuch gelesen. Es ist mit Abstand das Widerwärtigste, Übelste, was ich seit langem gesehen habe. Manche Leute kennen keine Grenzen, wenn es darum geht, Geld zu machen.“

Kein Geld machen, sondern ausgeben müßte Dämon Albarns Cartoon-Band Gorillaz, wenn sie tatsächlich auf Tour gehen möchte – und zwar mindestens acht Millionen Pfund. Deshalb werden nun Sponsoren gesucht und die weltweiten Live-Pläne bis 2008 zurückgestellt. Die gezeichnete Band hat jedoch auch Vorteile gegenüber einer echten, wie Albarn feststellte: „Wir können die Figuren jederzeit sechs Meter groß machen und in den größten Stadien spielen!“

Einen teuren Ausraster hatte die für ihre Unduldsamkeit bekannte britische Rapperin Ms Dynamite: aus schlechter Laune, weil sie und ihre Schwester Annabell früher am Abend „rassistisch beleidigt“ worden seien, zettelte sie eine Schlägerei vor einem Londoner Club an und verprügelte eine Polizistin. Nun muß sie 500 Pfund Strafe, 50 Pfund Schadensersatz und 750 Pfund Schmerzensgeld an die Beamtin zahlen. Weil System Of A Down im Sommer erst einmal Pause machen, will Gitarrist Daron Malakian ein Album mit dem Nebenprojekt Sears aufnehmen. Ob daraus eine feste Band oder ein Solo mit Begleitung wird, weiß er noch nicht; die Songs indes sind schon fertig.

Soloalben veröffentlichen dieses Frühjahr zwei Trommler bekannter Kapellen: Glenn Kotche von Wilco (der außerdem ein neues Album seiner Zweitband Loose Für folgen läßt- bei der ist aber ja auch Kollege Tweedy dabei) und Taylor Hawkins von den Foo Fighters, die nach Abschluß der laufenden Tournee aber erst auf Akustik-Tour gehen (mit Beck-Geigerin Petra Haden, Wallflowers-Pianist Rami Jaffee und Perkussionist Drew Hester).

Einen ersten Einblick in die Früchte seiner Arbeit ohne die Manie Street Preachers gab Bassist Nick „Formerly known as The Wire“ Jones: Weihnachten stellte erden Song „Killed The Zeitgeist“ ins Internet.

Was Patrick Waiden vorhatte, als er kurz vor Weihnachten bei Babyshambles ausstieg, ist vorläufig ein Rätsel. Seine Ex-Band tourte einfach zu dritt weiterund einen Monat nach seinem Abschied stand Pat (den Pete Doherty bei einem der Trioauftritte als „Gitarrenverbrecher“ beschimpft hatte) am 23. Januar in Cambridge kommentarlos wieder mit auf der Bühne (allerdings mit 90 Minuten Verspätung). Vielleicht mußte auch er schnell ein Soloalbum aufnehmen?

Zack de la Rocha, Ex-Sänger bei Rage Against The Machine, hat offenbar auch zu tun: Er lehnte das Angebot ab, beider Washingtoner Punk-Legende Bad Brains einzusteigen. Statt seiner grölt nun John Joseph, früher bei den Cro-Mags.

Jede Menge Nebentätigkeiten hat Bono, der unlängst einen „Deutschen Medienpreis“ entgegennahm, Angela Merkel tätschelte und in einem Nobelrestaurant in Dublin beobachtet wurde, wie er über eine „Wohltätigkeitskreditkarte“ und einen (roten) „Wohltätigkeits-iPod“ für das AIDS-Projekt „Red“ verhandelte. Weniger wohltätig ist seine Band, wenn es ums eigene Geld geht: Die Tickets für U2s Brasilientournee kosten zwei Drittel eines durchschnittlichen Monatsgehalts – und gingen dennoch rasend schnell weg.

Am 17. Februar eröffnet im „Rock’n’Popmuseum“ in Gronaudie Ausstellung“.Rockpalast – Die zweite Staffel“. Gezeigt werden Videomitschnitte, Dokumentationen, handschriftliche Hinterlassenschaften von den Künstlern, die dort seit 1996 auftraten, und Livebilder u.a. von Marylin Manson, Iron Maiden und Metallica. Die Ausstellung läuft bis 11. Juni.

70 Songs von alten Alben spielen Simply Red neu ein. Die Rechte an den alten Aufnahmen liegen bei der ehemaligen Plattenfirma. Werden zukünftig die neuen Versionen in Reklamejingles etc. gespielt, verdient daran nur noch Mick Hucknall selbst.

Fertigist Sportfreunde-Stiller-Schlagzeuger und Bolzplatz-Heroes-Sänger Flo Weber – mit dem Schreiben. Sein „Fußballmusikroman“ mit dem klassischen Titel „You’ll Never Walk Alone“ erscheint rechtzeitig zur WM im Mai bei Rowohlt.

Ein Buch möchten auch die Kaiser Chiefs veröffentlichen – aber nicht selber schreiben. Für die Karriere-Dokumentation „A Record Of Employment“ bittet die Band Fans um ihre „persönlichen Kaiser-Chiefs-Höhepunkte der letzten 18 Monate“. Wer mitschreiben möchte, wende sich an www.kaiserchiefs.co.uk. „Wir werden jeden kontaktieren, mit dem wir uns eingehender unterhalten müssen“, versprach die Band.

Böse Überraschung für den 70er-Teeniestar Leif Garrett: Der 44jährige wurde in der U-Bahnstation Pershing Square in Los Angeles erwischt – ohne Fahrkarte, dafür aber mit einer nicht unerheblichen Menge Drogen. Weil Garretts Bewährung nach einer Verurteilung wegen Kokainbesitz im März 2005 noch lief, muß er nun mindestens die alte Strafe absitzen.

Probleme mit Drogen hat der ehemalige Haschisch-Dauerkonsument Paul McCartney seit seiner Heirat mit Heather Mills nicht mehr- die nämlich verriet einem britischen Magazin, sie hätte den Alt-Beatle gar nicht geheiratet, wenn er ihr nicht hoch und heilig versprochen hätte, nie mehr einen Joint anzurühren (auch nicht bei eventuellen Palastbesuchen).

Eine freudige Überraschung erlebte die ME-Redaktion, als die ersten Entwürfe für das Cover zu Adam Greens neuem Album eintrafen: Das hübsche Photo stammt aus der im Oktoberheft abgedruckten Modestrecke, für die Adam unserem Photographen Johannes Rodach als Model diente.

Keine echte Überraschung kurz vor Schluß: Demnächst werde das vierte (oder fünfte?) Album seiner Band endlich fertigwerden, verkündete Ende Januar ein diesbezüglich notorischer Herr. 26 von 32 Songs seien im Kasten, 13 davon kämen auf die Platte (deren Titel wir platzbedingt abkürzen müssen: C. D.). Und dann werde er, der Sänger, mit ebendieser Band auf Tournee gehen. Mit Guns N‘ Roses.

In den letzten Wochen gestorben: Bryan Harvey (49; House Of Freaks/Gutterball, mit Frau und zwei Töchtern ermordet), Bill Lyrm (73, Elvis-Presley-Drummer), Hideaki Sekiguchi (alias „Billy“, Alter unbekannt, Guitar Wolf), Lou Rawls (72), Alex St. Claire (alias Butch and Pyjama, 64, Zappa-Partner und Urmitglied von Captain Beefhearts Magic Band), Robert M. Lindahl (83, produzierte u. a. Johnny Ray und den Kingsmen-Klassiker „Louie Louie“), Mark Spoon (alias Markus Löffel, 39, Mitgründer von Mark & Spoon und Tokyo Ghetto Pussy), Alan Sytner (70, gründete 1959 den Cavern Club in Liverpool), Wilson Pickett (64, Soul-Legende), Rick van der Linden (59, Gründer der niederländischen Prog-Pioniere Ekseption), Christopher Vieira (19), Edwin „E.J.“ Duncan (21), Jason Bachiller (21) (alle drei Mitglieder des Bostoner Rap -Trios Graveside und ihr Freund und Techniker Jihad Chankhour, 22, Mitte Dezember im Studio erschossen), Mark Rattan (18, Gitarrist/Songwriter/Trompeter von Splinter, ermordet), Huang Chien-Fu (36, chinesischer Superstar, fiel während eines Konzerts von einer Leiter auf der Bühne).

FLURFUNK

Was ist nur in dieser Redaktion los?

Wir vom ME: Ohne Leim und Tricks!

Klickeradoms! Jetzt ist die Chose wieder umgefallen. Seit einer halben Stunde baut Kollege Lindemann draußen auf dem Flur CD-Türme, die immer wieder in sich zusammenstürzen. Nein, das hat nichts mit Hospitalismus oder Ennui zu tun; es ist der Foto-Shoot für den „Kurz & Klein“-Kasten, den Lindemann diesen Monat kuratiert (sehen Sie das Ergebnis aulS. 89). Klickeradoms!

Es ist bewundernswert. Kollege Lindemann ist insofern ein Purist, als er sich weigert, bei seiner Kreation auf Tricks und Effekte (Leim, Bildbearbeitung o.a.) zurückzugreifen. Drum fällt der Turm immer wieder um. Klickeradoms! Abgesehen davon schließen wir aus Lindemanns Wahl der Foto-Location direkt vor dem Büro des Flurfunkers, daß er mal wieder in den Flurfunk will. Aber gerne. Wobei das auch was für „Wetten dass…?“ wäre. Kollege Lindemann taut nicht auf bei dem Vorschlag, schmeißt ein letztes Mal den Turm um und geht weg. Apropos „Wetten dass…?“-Auftritt. Für alle Fans, die sich wundern, warum man so lange nichts von Schweine Am Freitag gehört hat: Es hat sich letzthin – mehr zufällig – herausgestellt, daß Kollege Götz nicht mitgekriegt hat, daß die Band gar nicht mehr aufgelöst, sondern längst wiedervereint ist. Was gewisse Verschleppungen erklärt. So geht das aber freilich nicht. Wenn Charlie Watts 1966 vergessen hätte, daß es die Rolling Stones noch gibt, hätten die ja auch nicht mehr viel auf die Reihe gekriegt. Mutmaßt jetzt mal so: der FLURFUNKER.