Mit Truth Hurts schiebt HipHop- Pate Dr. Dre eine Sängerin ins Rampenlicht, die in mancher Hinsicht aus der Masse der R&B-Sängerinnen ragt.


Sle zwitschern und jubilieren wie ein Schwärm gottesfürchtiger Singvögel. Wirbeln und tanzen, als ginge es um ein langes Engagement am Broadway. Und wenn der Video-Regisseur es befiehlt, dann räkeln sie sich so verrucht in Satin-Bettwäsche, als dächten sie nur daran, was Männern wirklich Freude bereitet. R&B-Sängerinnen sind eine Klasse für sich: Perfekt bis in die letzte Applikation des Gucci-Outfits, von Kindesbeinen an trainiert für die Stunde X – den Gastauftritt im Video eines prominenten Rappers oder die Auslöschung der eigenen Identität, als Teil einer durchgestylten Girlgroup. Perfektion und Disziplin als Chance auf ein besseres Morgen. Glücklicherweise gibt es Ausnahmen: Selbstbewusste Frauen, die mehr wollen als nur mitspielen. Sängerinnen und Songschreiberinnen wie Erykah Sadu, JiU Scott, Tweet oder India.Arie. Und nun kommt eine, von der ein Dr. Dre sagt: „Wenn sie noch besser singen würde, dann rnüsste sie zwei Personen sein.“ Der Name der so gepriesenen Diva: Shari Watson alias Truth Hurts, 1972 in St. Louis als Tochter eines Konzert-Promoters geboren. Ihren Künstlernamen verlieh der Sängerin Dr. Dre, der sie als erste Frau auf seinem Aftermath-Label unter Vertrag nahm. Das Debütalbum „Thruthfully Speaking“ trägt dem Rechnung: Selten klang R&B so Bass- und Beat-lastig.

HipHop mit echtem Gesang. „Ich finde, eine Menge von dem, was heutzutage von weiblichen Künstlern erscheint, klingt wie Bubblegum“, behauptet Dre. „Ich möchte über diese Frauen nichts Schlechtes sagen, denn sie tun nur, was sie für richtig halten. Aber ich wollte eine Sängerin, die wirklich singen kann und dabei die Sorte Musik macht, die von meinem Publikum gekauft wird. Bisher hat es das nach nicht gegeben“.

Sollte der gute Mann etwa Mary J. Blige vergessen haben? Egal, jedenfalls schrieb die schöne Shari bereits Songs für die HipHop-Legende Rakim lals Teil des bahnbrechenden Duos Eric B. & Rakim einer der wichtigsten MCs der HipHop-Geschichte), wirkte an Eminems „The Eminem Show“ mit, und auf der Leinwand war sie auch schon zu bewundern, in „Ali“ und „The Wash“. Aber was unterscheidet diese Frau von anderen R&B-Sängerinnen? Sicher ihr Talent, doch ein starkes Selbstbewusstsein und ihre kämpferische Art sind mindestens genauso wichtig. Truth Hurts, die mit ihrem Debüt in den USA auf Platz fünf der Charts landete, erzählt: „Ich wollte schon als Kind ein Entertainer werden.“ Mit 13 steigt die kleine Shari bei einer lokalen Bluesband ein – “ das war mein musikalisches Fundament, später kam eine Ausbildung zur Opernsängerin dazu“.

Prince hatte bei ihrer musikalischen Selbstfindung da schon einen weit größeren Einfluss – bereits ihr Kinderzimmer war ganz in Purpur gehalten, eine Verbeugung vor „His royal Badness“. 1992 bekommt Shari endlich den ersehnten ersten Plattendeal: „Ich war eine Hälfte des Duos Shug & Dap. Als die Firma in wirtschaftliche Probleme geriet, kamen sie zu uns und meinten: „Wir möchten aus euch so etwas wie TLC machen.“ Dabei hatten wir unseren ganz eigenen Stil, unsere Shows waren toll. Ich glaube, eine Menge Leute in der Musikindustrie sind alles andere als kreativ. Menschen wie Dre, das sind die wahren Erneuerer. Die Typen bei den Platten firmen haben keine Ahnung, die machen nur das noch einmal, was es da draußen längst gibt. Deshalb leidet die Branche doch so; niemand wagt etwas Neues.“ Nach der Pleite mit Shug & Dap verlegt sie Shari zunächst auf das Songwriting für Soul-Größen wie Monifah, Eric Benet und Shanice. Als dann noch eine Tochter kommt, bleibt ihr wenig mehr übrig, als hie und da ein paar Backing-Vocals zu singen. Aber wie es der Zufall will – Dr. Dre hört ihre kräftige, ausdrucksstarke Stimme und ist begeistert.

Nach weiteren Gastauftritten für diverse Aftermath-Künstler und ersten Gehversuchen auf Soundtracks („The Wash“) lässt Dre dann DJ Quik die erste Single für Truth Hurts maßschneidern. „Addictive“ erinnert an den HipHop-Klassiker „Paid In Full“ von Eric B. & Rakim, und das nicht nur, weil Letzterer höchstpersönlich einen Rap beisteuert, während zu den lasziven Beats des 74er-Disco-Funk-Klassikers „Do It ‚Til Your Satisfied“ ein exotisches Sample aus einem indischen Bollywood- Film ertönt. Das Album „Truthfully Speaking“ hält diese Meisterktasse zwar nicht ganz, kommt ihr aber immerhin oftmals nahe. Bis auf zwei Stücke hat die Sängerin an allen Songs auch mitgeschrieben, denn: „Die Leute sollen merken, wo ich herkomme. Ich bringe exakt das zu Papier, was ich gefühlt habe.“

www.truthhurts.net