Mit Bitte um Differenzierung: Mehr als 8.600 Unterschriften für Winnetou
Seine zeitbedingte Weltsicht teile Karl May mit praktisch allen Autoren des ausgehenden 19. Jahrhunderts, heißt es in dem offenen Brief. Was ihn hingegen von den meisten seiner Kollegen unterscheide: In seiner Darstellung des „Wilden Westens“ habe die Sympathie des Erzählers von Beginn an der leidenden indigenen Bevölkerung gegolten.
Die Debatte um „Winnetou“ reißt nicht ab: Diverse Menschen argumentieren, die Bücher und Verfilmungen würden die Kultur der Apachen-Stämme kommerzialisieren und ein romantisierendes Bild mit verharmlosenden Klischees zeichnen. Eine Petition der Karl-May-Gesellschaft und der Karl-May-Stiftung hingegen verteidigt den Winnetou-Stoff – und stößt damit auf Zustimmung: Bis zum heutigen Montag (Stand: 29. August, 15 Uhr) haben bereits über 8.600 Unterstützer*innen den offenen Brief „Ist Winnetou erledigt?“ unterzeichnet.
Auch Karl May war ein Kind seiner Zeit
Darin wird um eine differenzierte Betrachtung gebeten: Zwar sei Karl May als deutscher Schriftsteller des 19. Jahrhunderts unvermeidlich vom Habitus eines kolonialen Zeitalters geprägt worden. Vor allem in seinen frühen Werken finden sich deshalb damals gängige ethnische Stereotypen und eine eurozentrische Perspektive, so die Verfasser*innen. Seine zeitbedingte Weltsicht teile Karl May mit praktisch allen Autorinnen und Autoren der Vergangenheit.
Die Sympathie des Erzählers auf Seiten der Apachen
Was Karl May hingegen von den meisten seiner Kolleginnen und Kollegen abhebe: In seiner Darstellung des sogenannten Wilden Westens habe die Sympathie des Erzählers von Beginn an der leidenden indigenen Bevölkerung gegolten. Ihre Würde und menschlichen Qualitäten werden in Idealfiguren wie Winnetou verkörpert, dem Häuptling der Apachen, heißt es in dem Brief. Unter anderem zitiert die Petition aus dem 1893 erschienenen Band „Winnetou, der Rote Gentleman“: „Ganz unstreitig gehörte diesen das Land, welches sie bewohnten; es wurde ihnen genommen.“
Karl May, ein „Erzieher zu Toleranz und Weltoffenheit“
Eine rassistische Sprache, religiöse Intoleranz und die Verachtung außereuropäischer Kulturen hingegen seien bei Karl May durchgehend Merkmale negativ gezeichneter Antagonisten. „Hierdurch hat der Autor bei seiner großenteils jugendlichen Leserschaft zweifellos über mehrere Generationen hinweg als Erzieher zu Toleranz und Weltoffenheit gewirkt“, so die Verfasser*innen.
+++Dieser Artikel ist zuerst bei rollingstone.de erschienen+++