Interview

Maximilian Brückner im „Hindafing“-Interview: „Eine Szene wird erst richtig böse, wenn der Schmerz beginnt“


So niederträchtig wie in der bayrischen Satire „Hindafing“ sah man ihn noch nie: Schauspieler Maximilian Brückner im Gespräch über seine „Tatort“-Vergangenheit, korrupte Politiker, die positiven Seiten des Klimawandels, seine Familie und das Geheimnis guter Serien.

Seine bekannteste Rolle liegt rund eine Dekade zurück: 2006 sorgte der Schauspieler Maximilian Brückner für Schlagzeilen, als er mit 27 Jahren der bis dahin jüngste „Tatort“-Kommissar aller Zeiten wurde. Als Franz Kappl ermittelte er sechs Jahre lang an der Seite von Gregor Weber (Stefan Deininger) in Saarbrücken, nach sieben Krimis war im Januar 2012 Schluss für das ungleiche Paar.

Brückner wurde 1979 in München geboren. Nach einer Schauspielausbildung erhielt er ein Engagement am Münchner Volkstheater, trat zudem in anderen Häusern und seit 2003 auch im Fernsehen auf. Der heute 40-Jährige lebt mit seiner Frau und einer gemeinsamen Tochter in einem Dorf in Oberbayern und baut dort gerade mit seinen Brüdern ein Mehrfamilienhaus. Seit 2017 ist Brückner in einer erfrischend unkonventionellen Satire zu sehen: In der BR-Produktion „Hindafing“ spielt er den korrupten, populistischen und Crystal Meth konsumierenden Lokalpolitiker Alfons Zischl, der in der ersten, sechs Folgen umfassenden Staffel um jeden Preis Bürgermeister werden will. Er geht dafür buchstäblich über Leichen und schlägt sich mit Reizthemen wie Fracking, Gammelfleisch, Flüchtlingsheimen, Schwarzgeldkonten und Kunstschwindel herum. Dieser bissige Schwarzhumor kam an: In der Presse hieß es nicht selten, „Hindafing“ sei die deutsche Antwort auf „Breaking Bad“ oder „Fargo“.

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In der zweiten Staffel, die dieser Tage im BR sowie auf Arte und in deren Mediatheken startet, stolpert der tragische Held Zischl weiter nach oben. Diesmal geht es in noch hanebüchenerem Storytelling um Waffenhandel, Terror, Krankenaktenfälschungen, Reichsbürger und rechte Parteien – man könnte fast meinen, die Drehbuchautoren Niklas Hoffmann, Boris Kunz und Rafael Parente hätten eine Glaskugel gehabt, als sie die sechs neuen Folgen schrieben. Wir haben mit Brückner über Donald Trump, deutsche Serien und darüber gesprochen, wie die „Fridays for Future“-Bewegung Einfluss auf eine eventuelle dritte Staffel „Hindafing“ sowie auf die Zukunft seiner Tochter haben könnte – und welchen Einfluss der Klimawandel schon jetzt auf ihn und seine Familie hat.

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Musikexpress.de: Korrupt, unfähig, narzisstisch, karrieregeil und voller Lügen: Ist Donald Trump ein Vorbild für Alfons Zischl, ihre Lokalpolitikerfigur in „Hindafing“?

Maximilian Brückner: Nein, Trump ist kein Vorbild. Dieser Mensch sollte für nichts ein Vorbild sein. Vergleichbar aber sind er und Zischl: Beide stolpern herum und kommen trotzdem nach oben. Über Trump aber kann man nicht mehr lachen. Bis zu einem gewissen Grad fand ich ihn unterhaltsam und lustig. Aber er ist ein ganz gefährlicher Demagoge. Er ist wie ein kleines Kind, das man auf den Thron gesetzt hat, sich für Ludwig den 14. hält und nicht kapiert, dass nicht alle sputen, wenn er was sagt.

Ein Blick bis nach Großbritannien und zu Boris Johnson reicht ja schon: „Hindafing“ ist erschreckend aktuell. Habt ihr das so konkret in den Drehbüchern bedacht? Du hast ja nicht mitgeschr…

Doch, habe ich. Wir arbeiten sehr eng zusammen, mir ist das wichtig. Am Ende von Staffel 2 erkennst du einen ganz klaren Bogen. Ich finde: Da wo man hinspuckt, muss man auch wischen. Das geht nicht von selbst weg. Du kannst ganz viel Schrott machen, kannst überhöhen, überspitzen, übertreiben, Klamauk drehen – aber am Schluss muss es einen Magenschwinger ganz tief unten geben.

Und den gibt es offenbar in „Hindafing“. Für die Figur oder die Zuschauer?

Maximilian Brückner im Juni 2017 in München
Maximilian Brückner im Juni 2017 in München

Den kriegen beide ab. Der Bogen ist diesmal stärker. In Staffel 1 stolperte der Zischl nur. Jetzt stolpert er in größerem Stil. Ob über Themen wie Waffenhandel, Fleisch-Rückruf, Lebensmittelskandale – die Politik liefert so viel Stoff, das ist gar nicht aufzuarbeiten!

Wann hast du persönlich zum letzten Mal gelogen?

Das dürfte schon eine Weile her sein. Ich lüge nicht viel, weil ich es selber nicht mag. Aber wann das war… Man lügt ja den ganzen Tag irgendwo oder spielt Theater, aber konkret fällt mir nichts ein. Ich müsste also lügen, wenn ich sagen würde, ich wüsste eine Lüge!

Bist du denn ein guter Lügner?

Naja, ich bin Schauspieler. Wenn ich nicht gut lügen könnte, wäre ich fehl am Platz. Du weißt ja jetzt auch nicht, ob ich gelogen habe, als ich sagte, ich könne mich an keine Lüge erinnern! Eine Lüge fällt mir nun aber doch ein: Ich habe ein Drehbuch abgesagt. Mit einer anderen Begründung als der wahren

Eine Höflichkeitslüge.

Wenn du Kinder hast, merkst du ja, wie unverdorben wir Menschen am Anfang sind. Bis wir ihnen dieses Spiel von Gesellschaft beibringen. Das ist eigentlich nichts anderes als ein ständiges Anlügen.

Deine Tochter ist erst 2,5. Du hast selbst sieben Geschwister und sagtest mal, dass du auch viele Kinder haben willst. Willst du ihnen diesen Stress nicht lieber ersparen?

Im Gegenteil. Viele Kinder sind toll. Bis heute gehe ich am liebsten mit meinen Brüdern weg – wenn ich mal weg gehe. Wir quatschen auch nicht in einer Tour. Es geht um das Zusammensein, um den Verbund. Das ist ein Gefühl von einem Netz mit doppeltem Boden. Ich kann schon runterfallen. Aber ich werde nie richtig aufschlagen. Außer es ist etwas Gesundheitliches, das man nicht im Griff hat. Du musst mit vielen Familienmitgliedern immer aufeinander eingehen. Wir leben in einem Mehr-Generationen-Haus. Das hört sich toll an und ist es auch, aber es ist auch Arbeit. Wie in einer Beziehung.

Man fühlt sich als eines von acht Geschwistern nicht zu wenig gesehen und wahrgenommen?

Das kann ich nicht beurteilen: Ich war der Erstgeborene. Dafür hatte ich aber auch immer die Verantwortung. Jeder hat und findet seinen Platz, jeder davon hat Vor- und Nachteile. Ich hatte immer neue Klamotten, die anderen mussten sie auftragen. Dafür stand ich gerade, wenn etwas schieflief. Weil ich aufpassen musste. Das ist in etwa so, wie wenn man Haare hat oder eine Glatze: Man muss es hinnehmen.

Sebastian Widmann Getty Images