Mathilde Santing – Hamburg, Onkel Pö


Es sind die kleinen, edlen Dinge, die den Spezialisten hellhörig machen. Zum Beispiel das Plattendebüt der Holländerin Mathilde Santing, eine EP mit sieben Oldies, Evergreens, Klassikern, wie auch immer man diese Auswahl vom Soul-Standard („Behind A Painted Smile“ von den Isley Brothers) bis hin zum Musical („I‘ ve Grown Accustomed To Her Face“) einordnen mag. Mathilde singt mit feiner, nuancierter Stimme, der instrumentale Background kommt vom super automatic accompaniment.

Drei Tage lang pilgerten die Leute mit gutem Geschmack ins Pö und starrten erwartungsvoll auf die schwarzverhangene Mini-Bühne mit dem einsamen Synthie. Mathildes zarte Stimme besitzt ein sanftes Flair vom 40er Swing, die üblicherweise damit assoziierte Big-Band-Kulisse oder das stilvolle Bar-Piano sind ersetzt durch Tapes.

Warum erwarten wir sie alle im Smoking? Vielleicht wegen des raffiniert schmucklosen s/w-Portraits auf der Plattenhülle? Aber zum Synthie gesellt sich kein durchgestyltes Kunstgeschöpf, sondern ein absolut unglamouröses kräftiges blondes Mädchen im bunten Hängerkleid.

Mathilde spricht nicht viel. Vor jedem Song bückt sie sich, drückt auf den entsprechenden Knopf und singt. Ihre Musik ist geschliffen, aber zerbrechlich. Spielt hier im Pö eine Band, stört das allgemeine Club-Geschnatter nicht, doch bei Mathilde mag man nur flüstern. Die Spannung hält lange an, man spürt die technische Brillanz der Stimme, die sichere Nuancierung. Der Respekt des Publikums äußert sich zumindest bis zur Pause in relativer Andacht. Es ist, als ob sich jeder vorsichtig bewegt, aus Angst, irgendwo etwas Wertvolles umzustoßen.

Bewährtes wie „If I Were A Carpenter“ oder das „Girl From Ipanema“, Petula Clarks „Downtown“ oder Barry Manilows „Copacabana“, „Here Today“ von den Beach Boys oder Elvis Costellos „Hand In Hand“, alle Songs sind geprägt durch die – zugegeben – wenig flexible Rhythmusmaschine. Vielleicht war das der Grund, weshalb sich einige in der zweiten Halbzeit bereits absetzten. Zumindest am ersten Abend. Doch wer sich wirklich auf diese ungewöhnlich saubere Stimme konzentrierte, ließ sich auch nicht durch die Monotonie der durchaus melodiösen, aber eben sparsamen Synthie-Begleitung langweilen. Nicht minder faszinierend als Mathildes Stimme war zudem ihr entwaffnend offenes Lächeln, mit dem sie jeden Song abschloß.

Für diesen Gig riskierte ich übrigens gem den Erstickungstod im Pö. Zumal ich, wie die meisten, bis zum Schluß (drei Zugaben) darauf wartete, daß Mathilde endlich mit „Behind A Painted Smile“ herausrückte. Daß sie den Titel live nicht singt, weil ihr die reine Synthie-Begleitung dafür zu dürftig ist, war eigentlich die einzige Enttäuschung.