Marlon Williams im Talk: „Ich wollte mit meinem Maori-Sein ins Reine kommen“
Der Neuseeländer über das Neu-Erlernen einer Sprache, Schreibblockaden und den einen politischen Akt.

Was singt der da? Kacki Kacki? Titti Itti? Der neuseeländische Songwriter Marlon Williams hat sich seiner Maori-Wurzeln besonnen und ein ganzes Album mit Texten in der Sprache der indigenen Bevölkerung aufgenommen. Die klingt für deutsche Ohren, das weiß jeder, der schon mal in Neuseeland war, bisweilen etwas kindlich, entpuppt sich aber auf TE WHARE TĪWEKAWEKA als wundervoll runde, ja fast schon elegante Pop-Sprache. Sanft, unaufgeregt fließen die Songs dahin, manchmal schimmern durch die zurückhaltenden Arrangements hawaiianisch wirkende Harmonien, Stimmen umschlingen sich in schönster Eintracht, und die A-cappella-Eröffnung „A Mawehe Ana Au“ erinnert sogar ein wenig an einen Haka. Alles klingt hier wohlig, fast unwirklich friedlich und freundlich, und die Melodien sind so naiv wie sie wundervoll sind. Auch wenn man die Texte nicht versteht, entsteht der Eindruck, Williams, neben seiner Ex-Freundin Aldous Harding der wohl bekannteste Indie-Künstler Neuseelands, versucht mit dem Rückgriff auf die Sprache seiner Vorfahren ein verlorenes Paradies, das es vermutlich so niemals gegeben hat, wiederzuentdecken. Ja, das klingt ziemlich genau nach der Motivation, die auch Millionen Touristen nach Neuseeland treibt – und TE WHARE TĪWEKAWEKA könnte das eine oder andere Flugticket ersetzen.
Grund genug, Williams einmal zum Kurzinterview zu Maori, Therapie und Schreibblockaden zu bitten!
ME: Du hast gesagt, Musikmachen ist für dich immer auch Therapie. Was war das Therapie-Ziel deines ersten Albums mit Texten in Maori?
Marlon Williams: Es gab nicht das eine große Ziel, sondern verschiedene, kleinere Ziele. Vor allem ging es darum, neue Ausdrucksmöglichkeiten und eine neue Sprache zu finden, um Gefühle auszudrücken. Und vielleicht ging es auch darum, mit meinem Maori-Sein ins Reine zu kommen – oder wenigstens darum, ihm eine Gestalt zu geben.
Du hast in deiner Kindheit nicht viel Maori gesprochen. Warum?
Meine Eltern sind beide Maori, aber zu Hause hat nur meine Mutter gelegentlich die Sprache gesprochen. Und von dem einen Jahr, das ich die Maori-Vorschule besucht habe, ist auch nicht viel hängen geblieben.
Musstest du die Sprache neu lernen, um das Album schreiben zu können?
Nicht ganz. Die Aussprache war da, ein Gefühl für die Sprache auch, aber die Vokabeln und die Grammatik waren quasi nicht vorhanden. Aber auch heute ist mein Maori noch nicht wirklich fließend, auch weil ich viel durch traditionelle, zum Teil Hunderte Jahre alte Songs gelernt habe. Es ist ein bisschen so, als hättest du Deutsch vor allem durch Kirchenlieder gelernt.
Gab es einen speziellen Moment, in dem du wusstest, du musst eine Platte in der Maori-Sprache aufnehmen?
Nein, es gab keine Erleuchtung, es passte einfach. Ich hatte Zeit, eine neue Platte zu machen, und ich hatte zu der Zeit gerade eine Art Schreibblockade. Da hab ich mir gedacht: „Wenn ich gerade Probleme habe, auf Englisch zu schreiben, dann kann ich es ja mal mit Maori versuchen – und damit Probleme haben.“
Musikalisch ist das Album sehr viel weicher, als man es von dir kennt.
Interessant, dass du das sagst. Ich hatte nicht das Gefühl, ich würde musikalisch in eine andere Richtung gehen. Die Musik kam ganz selbstverständlich zu mir, aber natürlich führt einen die Sprache durch ihre spezielle Phrasierung und die Satzstruktur, die ganz anders ist als im Englischen, in eine gewisse Richtung.
Hat das Album eine politische Botschaft?
Es gibt keine Botschaft. Diese Album ist für mich in allererster Linie eine sehr persönliche Sache. Ich habe angefangen, diese Songs zu schreiben, um mich selbst auszudrücken, um meinem Herzen Luft zu machen. Aber sicherlich hat es eine Bedeutung, in diesem angespannten politischen Klima, in dem die Gleichberechtigung der Maori-Kultur in Neuseeland zurückgedrängt wird, etwas in Maori herauszubringen. So gesehen ist, dieses Album herauszubringen, auch eine politische Tat – was auch immer eine politische Tat ist.