Manchmal denke ich an Onanie


Ich danke Gott für die neue Unterwäsche-Kollektion von Victoria’s Secret“, schrieb Britney Spears auf ihrer Website kurz vor Weihnachten, nachdem sie in den Wochen davor bei vier verschiedenen Gelegenheiten ohne Unterhose (und mit so kurzem Rock, dass auf den Bildern die gesamte rasierte Pracht in ihrer unglamourösen biologischen Wahrhaftigkeit zu sehen war) fotografiert worden war. Die Nachricht auf www.britneyspears.com eine Art Entschuldigung dafür, ihre „neue Freiheit vielleicht ein bisschen zu weit ausgereizt“ zu haben – hat mit Blog nicht viel zu tun, doch ist sie beispielhaft für die neue Selbstverständlichkeit, mit der viele Rockstars heute persönliche Gedanken über das Netz an ihre Fans weitergeben.

Nicht jeder hat das erforderliche Mitteilungsbedürfnis, um einen eigenen Blog zu starten. In der Regel findet sich noch immer primär Werbung auf den MySpace-und „offiziellen“ Internet-Seiten von Musikern und Musikerinnen. Der typische „Blog-Eintrag“ auf Adam Greens Seite www.myspace.com/adamgreem lautet beispielsweise noch immer:“Hey, ihr könnt Adam unterstützen und euch per Mail sein neues Video bei MTVs TRL wünschen.“ Aber es geht auch anders. Ein begeisterter Hobby-Literat ist zum Beispiel Paul Smith von Maximo Park: „Ein alter Mann hat sich in die Hose gemacht, er sieht eingefallen aus, als hätte man ihm die Luft herausgelassen „, schreibt er bei myspace.com/maximopark. „Eine Parade von Menschen wandert den Gang hinunter, um dem Geruch, der intensiv, übel und eindeutig ist, zu entkommen.“

Auch Thom Yorke verspürt vergleichsweise häufig das Bedürfnis, seine Arbeits- und Denkprozesse im Web zu dokumentieren. Unter www.radiohead.com/deadairspace meldet er sich regelmäßig persönlich zu Wort: „An alle, die THE ERASER gehört haben – es wird Remixe geben. Yes. I got excited. […] There’s somef reaky shit.“ Besagte Remixe von Stücken seines Solo-Albums tauchen übrigens für jeweils kurze Zeitauf der Website www.theeraser.net auf.

Mit die amüsantesten Blogs (neben dem von Thees Uhlmann – dazu später) unterhalten We Are Scientists (unendlich viel Blödsinn findet sich auf www.wearescientists.com) und Lily Allen. Eine Überschrift vor Weihnachten auf www. lilyallenmusic.com: „Manchmal denke ich an Onanie.“

Höchst kurios ist die Tatsache, dass sowohl Eric Clapton als auch John Mayer offenbar von einem japanischen Webmagazin angeheuert wurden, um dort Blog-Seiten zu unterhalten. Mayer berichtet dort von all seinen schicken neuen Anschaffungen, während der Gitarrengott™ unter http://blog.honeyee.com/eric Fotos von seinen Kindern, seinem neuen Rennrad, teuren Autos und sich selbst (10. November: „Osaka Hotelzimmer, schreiende Langeweile, ich warte auf den ersten Auftritt“) postet.

Langeweile scheint auch für Ryan Adams kein Fremdwort zu sein – der Alt.Country-Star verbringt viel Zeit damit, seine Website mit langen per-

sönlichen Botschaften zu aktualisieren. „Es ist mal wieder Zeit, die schwereren Themen des Lebens anzu packen „, schreibt er zum Beispiel im Band-Blog unter www.ryan-adams.com/teleport.html und rollt einen unendlich langen roten Buchstaben-Teppich vor Jay-Z und dessen aktuellem Album KINGDOM COME aus. „(Jay-Z nimmt eine Perspektive ein) wie ein indianischer Schamane, der Peyote nimmt und seine Umgebung von oben betrachtet, vielleicht durch die Augen eines Adlers.“

Nicht weniger existenzialistisch sind die Einträge in Thees Uhlmanns grandiosem Blog: „Heute Marburg, Europäischer Hof. In der Lobby gammeln Verbindungsstudenten, circa 70 Jahre alt, mit Schärpen um und deppigen Hütchen auf. Sieht nicht schlau aus. Erinnert mich an einen Spruch: Lieber ein Geschwür am After als ein deutscher Burschenschafter.“ Das und mehr findet sich bei http://croc.antville.org.