Malaria


Sie gehören zu den Frauenbands, die ihr Selbstverständnis ohne männliches Diktat entwickeln. Trotzdem reicht ihr Horizont über das eigene Geschlecht hinaus.

Mit ihrer schon klassischen Sachlichkeit strahlen sie ein hierzulande beispielloses Charisma aus.

alaria! Fünf Frauen, mit (Weit-)Blick über das eigene Geschlecht hinaus, mit reflektierender/realistischer Hingabe an die laufenden Dinge der Zeit. Bettina Köster (Gesang + Saxophon), Gudrun Gut (Schlagzeug + Gitarre + Gesang), Susanne Kuhnke (Synthesizer), alle drei aus Berlin; die Holländerin Manon Duursma (Gitarre), die Amerikanerin Christine Hahn (Schlagzeug).

„Starker, klarer, wahrer Mensch/Hast du Angst vor der Macht?“ „Macht“, Malaria!

„Gegenüber vom KaDeWe, auf dem Ku-Damm, auf beiden Fahrbahnseiten, waren so 300 Polizisten. Die haben mit ihren Stiefeln ganz doll getrampelt und mit ihren Stöcken auf die Schilder geschlagen, und dann haben die noch so’n Kriegsgeheul losgelassen – sowas hatten wir vorher noch nie gesehen! Wir haben so eine Angst gekriegt, dann haben wir mit voller Absicht dieses militaristische Stück gemacht, Kämpfen und Siegen. “ Bettina Köster von Malaria!. Das Stück ist aui der MALARIA! 12inchEP. Und berichtet von den Hausbesetzer-Polizisten-Schlachten.

Bettina: „Wir machen auch nur Sachen, die uns angehen, oder uns berühren, interessieren. Wir greifen keine Überschriften von irgendwelchen Problemen auf, so: ,AKW-NEE‘ -Oder: „SPAGHETTI CARBONARA“. Susanne.

Sind eure Texte + Musik angstgetrieben? Ist Angst der Ursprung eurer Musik?

Bettina: Ja!“ Susanne: „Ja?“ Bettina: Jeder Mensch hat doch so Sachen, die ihn behindern; Krankheiten, Drogen (Abhängigkeit), Wutanfälle, Exzentrik – und es gibt Angst. Und ich habe Angst – das drückt sich dann auch irgendwo aus. Ich will jetzt nicht sagen, daß wir Angst haben – nicht unbedingt! Aber es gibt eben Gruppen, die interessieren sich am meisten für Drogen, dann machen sie Lieder über Rauschgift. Dann gibt es Gruppen, die machen eben ganz wütende und aggressive Lieder. Aber schreib lieber nicht, daß ich Angst habe. Aber privat gesagt, hast du das schon ganz gut erkannt. Glaube ich.“ Bettina und Gudrun schreiben die meisten Malaria!-Texte.

Susanne: „Ich sehe unsere Musik mehr kraftvoll. Angst ist für mich immer verbunden mit einer zurückgedrängten Position, und das Gefühl habe ich eigentlich überhaupt nicht!“ Bettina: „Wer Angst hat, braucht Mut. Mut entsteht nur, wenn du Angst hast, sonst machst du nie ne mutige Tat!

Unsere Musik ist ziemlich persönlich. Das macht sie vielleicht auch für manche Leute schwer zugänglich. Aber ich glaube, wer sich darauf einläßt, der kann das sehr mögen. Wer sich nicht darauf einläßt, den-trifft das nicht.

Wir wollen unsere Texte aber auch nicht zu privat machen. Denn jeder von uns will sein Privatleben behalten und nicht sein Seeleninnerstes nach außen kehren. Texte und Musik zusammengenommen drücken allerdings aus, was wir empfinden. “ EMOTION. Von dieser Platte gibt es zwei Ausgaben. Die eine erschien auf dem belgischen Label Les Disques Du Crepuscule, die andere auf dem Malarialeigenen Moabit-Label.

Bettina: „Beide sind legitim. Aber wir haben über Gebiete verhandelt. Crepuscule darf sie nur nach Benelux, England, Frankreich und Italien bringen, letzt ist sie aber auch über Rough Trade Deutschland hier aufgetaucht, obwohl Deutschland unser Gebiet ist. Und Crepuscule unterbietet uns im Preis, weil sie die Platte nicht bei der GEMA angemeldet haben.“Die beiden Alben sind allerdings nicht ganz identisch: Der Titel „Mensch“ kommt auf der Moabit-Fassung ohne Text. Und anstelle von „Gewissen“ gibt es auf der belgischen Platte „Desire“.

Bettina: „Das haben wir so gemacht, damit man die beiden Platten auch unterscheiden kann; denn zuerst sollten beide mit den gleichen Covern ‚rauskommen, und wir wollten sicher sein, welches davon unsere ist. Dann hat Crepuscule auch das Cover geändert, das ist gar nicht so, wie wir das haben wollten! Und jetzt wird die Platte auch nach Deutschland importiert. Die haben den Vertrag quasi total gebrochen.“ Malaria! sind nur mit ihrer eigenen EMOTION-Ausgabe zufrieden, was Cover und die Qualität der Pressung betrifft. Eingespielt wurden die Stücke in einem Londoner Studio.

Ende letzten Jahres gingen Malaria! in New York mit dem Produzenten Eric Dufaure (der auch Inhaber des Independent-Label Cachalot ist) ins Studio. Die drei Stücke, die dort entstanden, kamen als 12inch-EP raus, NEW YORK PASSAGE.

Bettina: „Eric wollte unbedingt einen Hit haben, der in den Clubs gespielt wird. So ist er an die Platte rangegangen. Und da hat er an „Heroes“ gedacht.

(Anm.: Malaria! spielen das Bowie-Stück im Live-Programm nur außerhalb Berlins), was für uns ein ziemlich berlinmäßiges Stück ist – es drückt schon aus, wie man Berlin aus der Ferne empfindet, eine Art Heimweh.“ Dufaure entschied sich dann aber doch für „Your Turn To Run“.

Malaria! – fünf Frauen. Bettina: “ Wir haben angefangen, mit Frauen zu arbeiten, weil von uns keiner richtig spielen konnte. Und die Jungen konnten es damals schon und haben uns immer gesagt: Jetzt m ußt du soundso spielen, und dann haben die immer so laut aufgedreht, daß wir uns nicht hören konnten! Heute können wir mit Jungen spielen, weil wir selbstsicherer sind! Damals hätten wir von denen die Regeln übernommen.“ Die fünf Frauen von Malaria! sind weiterhin auch außerhalb dieses Projektes aktiv. Kurzer Rückblick: Gudrun war früher bei Liebesgier, dann zusammen mit Bettina bei DIN a 4/Testbüd. Gemeinsam mit Beate Bartel (heute bei Liaisons Dangereuses) formierten sie dann Mania D., den charismatischen Vorläufer von Malaria!.

Manon, Gudrun und ein Musiker der englischen Band Mess waren im Januar gemeinsam im Studio, von der Produktion gibt es allerdings noch keine Platte. Christiane Hahn arbeitete mit Klaus Krüger und dem New Yorker Gitarristen Glen Branca, und in der Berliner Performance-Gruppe Matador finden sich Manon, Gudrun und Beate Bartel wieder zusammen.

Was bleibt übrig/zu sagen?

„Oh, I do believe/ You are what you perceive.“ Lou Reed.

Malaria!-Platten. Single: „How Do You Like My New Dog?‘ auf Crepuscule. 12inch: „Kaltes Klares Wasser“ auf Crepuscule. 12inch: „New York Passage“ auf Cachalot. LP: EMOTION auf Moabit/Eigelsten. 12inch: „Malaria!“ auf Marat (mit den Stücken „Laufen“, „Verführung“, „I Will Be Your Only One“, „Kämpfen Und Siegen“, „Dabo“).