Mach’s nach, mach’s besser!


Der Rock’n’Roll entstand aus einem Blues-Cover. Bis heute ist die Neuinterpretation von Songs ein wichtiger Bestandteil seiner Geschichte. Wir haben die 50 besten Coversongs ever ausgewählt und erklären, warum sie diese Auszeichnung verdient haben. (Warum so viele von ihnen vom Ende einer Beziehung handeln, können wir uns allerdings auch nicht erklären.)

Es war einmal … :

„That’s All Right“

Elvis Presley, 1954 (orig. Arthur Crudup, 1946)

Es ist nicht das beste Stück von Elvis und auch keines der besten 50 Covers ever – aber: Diese Neu-Interpretation eines Delta-Blues-Stücks markiert hochoffiziell den Anfang des Rock’n’Roll. Er beginnt mit dem Cover eines anderen Songs.

50. „Ever Fallen In Love (With Someone You Shouldn’t ‚ve) „

Nouvelle Vague, 2006 (orig. Buzzcocks, 1978)

Aus der launigen Idee der sinnlich-jazzigen Punk- und Postpunk-Schlager-Coverei eine Masche zu machen – fürchterlich öde. Einzelnen Songs jedoch dermaßen charmant zu kommen – unwiderstehlich.

49. „Life On Mars?“

Seu Jorge, 2004 (orig. David Bowie, 1971)

1. Freilich könnte man auch 1000er-Listen mit Coverversionen vollschreiben, für die jeweils Gitarre und Stimme genügten, um unser Herz zu gewinnen. 2. Und freilich könnte man meinen, Seu Jorges Beitrag zum Soundtrack zu Wes Andersons „Die Tiefseetaucher“ steht hier nur, weil es dermaßen originell ist, einen Brasilianer ins Portugiesische übersetzte Bowie-Songs vortragen zu lassen. Doch nein: Dieses Lied ist einfach ein herausragend schönes Beispiel für solche Interpretationen unter Punkt 1.

48. „Freiburg V 3.0“

Console vs. Tocotronic, 2000 (orig. Tocotronic, 1995)

Das einzige deutsche Cover eines deutschsprachigen Stücks in dieser Liste, das den Text des Originals auch noch ins Englische übersetzt und von einem Computer singen lässt. Console verwandelt so Dirk von Lowtzows biografische Wut in eine allgemeine Haltung.

47. „Comfortably Numb“

Scissor Sisters, 2004 (orig. Pink Floyd, 1979)

Dieser meisterlichen Ballade einen prallgefüllten Hodensack anhängen und sie damit in die Disko schicken. Das darf man doch nicht! Das darf man doch! Sogar David Gilmour und Nick Mason tanzten dazu.

46. „Jump“

Aztec Camera, 1984 (orig. Van Halen 1984)

Der angeberhafte Text („I’ve got my back against the recoprd machine/ I ain’t the worst that you’ve seen“) des Testosteron-Kaliforniers David Lee Roth wird in der Version des Schotten Roddy Frame zur Teenagerhymne für Außenseiter, die sich nicht aufraffen können. Es funktioniert auch deshalb, weil Frame das Tempo rausnimmt und Zweifel in seine Stimme legt.

45. „Inside And Out“

Feist, 2004 (orig. The Bee Gees, 1979)

Der im Original „Love You Inside Out“ betitelte US-No.-1-Hit zeigt die Gibbs‘ verlässlich in fiebrig-hysterischer Form. Feist fiebert nicht und Hysterie ist ihr fremd. Sie singt dieses Lied, wie sie alles singt: zauberhaft. Und das mit Space-Synthie und Saxofon aufgetunte Disco-Update ist schön knackig.

44. „Surf’s Up“

David Thomas And Two Pale Boys, 2001 (orig. The Beach Boys, 1971)

David Thomas (Pere Ubu) hat nicht die Stimme eines Beach Boys. Aber er erkennt das Genie, wenn es ihm über den Weg läuft – in Gestalt dieser Pop-Suite z. B., die Brian Wilson und Van Dyke Parks an einem Abend am Sandkasten-Flügel schufen. Thomas spürt quasi als Geist dem Geist dieses Meisterstücks nach. Als würden Flügel und Sandkasten da noch stehen und der Raum selbst das Lied zum Klingen bringen.

43. „Heartbeats“

Jose Gonzalez, 2006 (orig. The Knife, 2002)

Es war einmal ein toller Synthiepopsong eines schwedischen Duos, das kaum einer kannte. Es wurde daraus ein toller „Unplugged“-Popsong eines schwedischen Barden, den bald sehr viele kennen sollten. Einfach deshalb: Seine Stimme ist wie Pulverschnee.

42. „Ring Of Fire“

Wall Of Voodoo, 1980 (orig. Johnny Cash, 1963)

Sonst doch eher der traditionsbewussten Verarbeitung von (Spaghetti-)Western-, Surf- und ähnlichen Einflüssen zugetan, wagten die New-Wave-Cowboys aus L.A. hier einen experimentellen, fast Suicide-verdächtigen Tribut. Und welche andere Version des Klassikers kam schon so gut über die Jahre?

41. „Everybody’s Gotta Learn Sometime“

The Field, 2009 (orig. The Korgis, 1980)

Es gab bereits von Beck eine wunderbare Version dieser Ballade – aus Michel Gondrys „Vergiss mein nicht!“ (während das Original beinahe zu „La Boum – Die Fete“ gepasst hätte). Doch diese an der Endlosigkeit rührende Neudeutung des Minimal-Elektronikers Axel Willner ist noch größer, nein: ewiger.

40. „Against All Odds (Take A Look At Me Now)“

The Postal Service, 2004 (orig. Phil Collins, 1984)

Als Indie-Kapelle den Mainstream-Millionär Collins covern: holla! Doch wer die reichlich verwunschene, reichlich indietronische Interpretation dieser Projektkapelle aus der engeren Death-Cab-For-Cutie-Verwandschaft hört, hört: kein Schämen, auch keine Ironie, nur echte Zuneigung zu diesem Song.

39. „Don’t Let Me Be Misunderstood“

Santa Esmeralda, 1977 (orig. Nina Simone, 1964)

Dem Eineinhalb-Hit-Wunder reichte diese Version der Nina-Simone-Ballade für den Legendenstatus. Mit Latin- und Salsa-Elementen, Flamencogitarre, Handclaps, Kastagnetten, Bläsern und Four-To-The-Floor-Beat pimpten Santa Esmeralda (feat. Leroy Gomez) das Soul-Original zur Disco-Hymne. Natürlich nur echt in der 16-Minuten-Version.

38. „Free Man In Paris“

Sufjan Stevens, 2007 (orig. Joni Mitchell, 1974)

Sufjan legte die Musik des Originals zur Seite, sprang in den Text (der von David Geffen handelt) und kam mit einer umwerfenden, progressiven, vor allem ziemlich euphorischen Jazzpop-Parade (Stevens: „Den Champs-Élysées hinunter!“) wieder heraus. Mit Trompeten, Fanfaren, Vibrafon. Am Himmel: Feuerwerk.

37. „Girl, You’ll Be A Woman Soon“

Urge Overkill, 1992 (orig. Neil Diamond, 1967)

Quentin Tarantino fand die Version der Alternativerocker aus Chicago auf deren ’92er-EP „Stull“ in einem niederländischen Plattenladen, und er hörte, was seinem „Pulp Fiction“ zur Perfektion noch fehlte.

36. „Light My Fire“

Shirley Bassey, 1970 (orig. The Doors, 1967)

Nachdem José Feliciano einen Grammy für seine ’68er-Interpretation des Songs bekam, wurde das Stück zum Coverstandard. Neben den Versionen von (unter vielen:) Trini Lopez, Type O Negative und Massive Attack (leider fürchterlich!), bewahrte nur eine die Würde des Originals. Raten Sie mal, welche.

35. „Sabbath Bloody Sabbath“

The Cardigans, 1994 (orig. Black Sabbath, 1973)

Bassist Marcus Sveningsson, der wichtigste Songwriter des Cardigans-Frühwerks, ist bekennender Metalhead. Und so wundert es kaum, dass sich bereits auf dem Debüt der Schweden, emmerdale, ein Cover von Black Sabbath … doch, natürlich wundert das! Aus einem brachialen Stück Schwermetall luftigen Sommerjazz zu machen, dabei die Strukturen des Originals völlig durcheinander zu werfen, das ist schon sehr wunderlich – und wunderbar.

34. „Step On“

Happy Mondays, 1991 (orig. John Kongos, 1971)

Was die Partyhools aus Madchester mit Hilfe von Paul Oakenfoald aus dem Afro-Glam-Stomper machten, ist nicht zuletzt eine arrangementtechnische Meisterleistung. Trifft perfekt die Mitte zwischen eindeutiger Tanzbarkeit und einer mindestens genau so ansteckenden Trägheit. Mördersexy!

33. „Black Magic Woman“

Santana, 1970 (orig. Fleetwood Mac, 1968)

Die in puncto Bekanntheitsgrad ihre, noch von Peter Green geschriebene, Urfassung um Längen schlagende Version Santanas ist ein Medley mit dem 1966er-Stück des ungarischen Jazzgitarristen Gábor Szabó, „Gypsy Queen“. Polyrhythmen sowie schwurbelige Klavier- und Orgelmelodien befördern den Song vom britischen Bluespub auf eine Voodoo-Messe in der Karibik.

32. „I Will Survive“

Cake, 1996 (orig. Gloria Gaynor, 1978)

Viel zu oft gespielt, gewünscht, gejohlt, war die Disco-Hymne zu einer Seuche verkommen. Diese kalifornische 90s-Slacker-Variante war da zuerst einmal eine Befreiung. Doch dann lief sie ebenfalls überall rauf und runter. Wer heute jedoch genug Abstand zwischen sich und den Grillnachmittagen der 90er sowie den Uni- und Betriebsfeiern der 80er, 90er und Nuller zu bringen vermag, kann zugeben: Original – geil, Cover – auch, aber ganz anders geil.

31. „Killer/Papa Was A Rollin‘ Stone“

George Michael, 1993 (orig. Adamski feat. Seal, 1990/The Temptations, 1972)

Einer der ersten Mash-ups der Popgeschichte. Die Sequencerspuren des Adamski-Hits, dem Michael (live) kaum mehr Neues zufügt als seine großartige Stimme (und ein glücklicherweise kurzes Synthfanfarensolo), laufen in der Songmitte einfach weiter, während er und sein Chor den Gospel auspacken. Wow.

30. „Lost In The Supermarket“

The Afghan Whigs, 1999 (orig. The Clash, 1979)

Ein zartes, seelenvolles Cover, über dessen Outro Greg Dulli Stellen aus Ben E. Kings „Stand By Me“ und The Clashs „Train In Vain“ singt. Zu finden auf dem Benefiz-Tribut-Sampler BURNING LONDON: THE CLASH TRIBUTE.

29. „Yesterday Man“

Robert Wyatt, 1974 (orig. Chris Andrews, 1965)

Fröhlich, beschwingt und euphorisiert besingt Chris Andrews im Original das Ende einer Beziehung. Robert Wyatt bringt in seiner Version Songthema und Arrangement auf einen gemeinsamen Nenner: künstlerisch, kontemplativ, introspektiv, melancholisch.

28. „Everybody’s Talking“

Harry Nilsson, 1968 (orig. Fred Neil, 1966)

Fred Neil sang im Sitzen und von verpassten Träumen, Harry Nilsson geht mit dem Lied auf Wanderschaft, um Träume zu verwirklichen. Seine Stimme steigt in Höhen, bis er selbst nahezu schwerelos wird, „skipping over the ocean like a stone“. Das unermüdlich gespielte Banjo erzählt Nilssons Geschichte bis in alle Ewigkeit weiter.

27. „Gloria“

Patti Smith, 1975 (orig. Them, 1964)

Das Original von Van Morrisons Band war ein Stück Teenager-Lust aus der Drei-Akkorde-Garage. Patti war das nicht genug. Sie drehte weiter auf, verwarf den Text bis auf den vor Verzückung rasenden Refrain und warf sich selbst nach dem Einstiegs-Credo „Jesus died for somebody’s sins but not mine“ wort-, phantasie- und vor allem noch reicher an Leidenschaft in die Arme dieses Mädchens mit dem roten Kleid.

26. „Song To The Siren“

This Mortal Coil, 1983 (orig. Tim Buckley, 1970)

Tim Buckley führte zwei Versionen vor – eine folkige, dann eine space-folkige auf seinem sechsten Album starsailor. Doch den meisten Ruhm, posthum, verschaffte ihm diese Interpretation der Supergroup des 4AD-Labels – berückend vorgetragen von Liz Fraser (Cocteau Twins), eben einer echten Sirene.

25. „Summertime Blues“

Blue Cheer, 1968 (orig. Eddie Cochran, 1958)

The Kinks, The Who und Jimi Hendrix leisteten Vorarbeit. Doch den ersten wirklichen Heavy-Metal-Song veröffentlicht zu haben, geht auf das Konto dieser Psychedelic-Bluesrocker aus San Francisco.

24. „Under Pressure“

Xiu Xiu feat. Michael Gira, 2008 (orig. Queen & David Bowie, 1981)

Bei aller Liebe und allem Respekt, aber was das Original davon abhält, einer der ergreifendsten Songs der 80er-Jahre zu sein, sind Freddie Mercurys albernen „Um bo bo be lap“-Textimprovisationen. Xiu Xiu (und der ewig bedrohliche Swans-Bass Gira) verzichten darauf und legen so diesen gewaltigen Song frei.

23. „What A Wonderful World“

Nick Cave & Shane MacGowan, 1992 (orig. Louis Armstrong, 1968)

Verzweifelter Junkie (Cave) und derangierter Alkoholiker (MacGowan) preisen gemeinsam die Vorzüge der wunderbaren Welt. Ein Lied voller Hoffnung, zum Heulen schön.

22. „I Just Don’t Know What To Do With Myself“

The White Stripes, 2003 (orig. Tommy Hunt, 1962/Dusty Springfield, 1964)

Ein Song eines der besten Songwriter-Gespanne der Popgeschichte – Bacharach/David. In der Interpretation eines der orthodoxesten und kunstfertigsten Rock-Gespanne der Gegenwart. Das nicht viel darauf gibt, dass Bacharach brillant mit den Zwischentönen spielte. Schließlich ist dies ein Lied vom Ende der Liebe. Da jaulen Jack White und seine Elektrische schon längst auf, wo Dusty noch flehte.

21. „Let’s Stick Together“

Bryan Ferry, 1976 (orig. Wilbert Harrison als „Let’s Work Together“, 1962)

Das Post-Roxy-Werk des seit 40 Jahren wie ein schöner Mann in seinen besten Jahren Aussehenden besteht quasi nur aus Covers. So slick bekam er allerdings keins mehr hin. Ein Glanzlicht auf Ü40-Partys.

20. „Money (That’s What I Want)“

The Flying Lizards, 1980 (orig. The Beatles, 1963/Barrett Strong, 1959)

The Flying Lizards waren der projektgewordene Kommentar der britischen Avantgarde-Musiker David Cunningham und David Toop auf die New Wave. Die klapprig-minimalistische Version des Rock’n’Roll-Standards wurde überraschend ein Charts-Hit in England und den USA.

19. „Turn, Turn, Turn (To Everything There Is a Season)“

The Byrds, 1965 (orig. Pete Seeger, 1959)

Nicht nur jene, die Dylans Stimme nicht ertragen, wissen: Die Byrds waren eine hervorragende Coverkapelle. Hier haben wir es sogar mit astreinem Christenrock zu tun, denn der Text mit der Kernbotschaft „Jedes Ding hat seine Zeit“ ist eine Adaption aus dem Alten Testament. Folkikone Seeger legte naturgemäß nicht allzu großen Wert auf die Ausarbeitung, um so mehr Mühe gaben sich die mehrstimmigen Rickenbacker-Folkrocker mit dem Stück – und ließen es golden strahlen.

18. „With a Little Help From My Friends“

Joe Cocker, 1968 (orig. The Beatles, 1967)

Einen Mann, der seit Jahrzehnten mit Belanglosigkeit definierenden Coverversionen („You Can Leave Your Hat On“, etc.) Radioplaylists ihren schlechten Ruf verleiht, für eine Coverversion zu loben? Unbedingt. Cockers dramatische Neuanordnung des Schunkelsongs passte wie die Faust aufs Auge der Generation Woodstock.

17. „Just Like Heaven“

Dinosaur Jr., 1989 (orig. The Cure, 1987)

Robert Smith singt „You – lost and lonely“ mit tiefster Sehnsucht – J Mascis brüllt sein „You“ im Schlussakkord einer Version, die abrupt wie ein Todesstoß endet. Bei Mascis‘ Quiet-Loud-Quiet-Interpretation weiß man nicht, ob man darüber froh sein soll. Hören will man sie dennoch immer wieder.

16. „Respect“

Aretha Franklin, 1967 (orig. Otis Redding, 1965)

Nichts gegen Otis Redding und nichts gegen die Blues-Interpretation seines Songs. In dem er Respekt für sich verlangt, den Mann, baby! Doch was Aretha macht, als sie das Stück umdreht, Respekt jetzt für sie, die Frau einfordert, hat so viel mehr Power, weitaus größere Überzeugungskraft. Sorry, Otis.

15. „The Man Who Sold The World“

Nirvana, 1993 (orig. David Bowie, 1970)

Hier könnten ebenso Nirvanas Versionen von „Jesus Doesn’t Want Me For A Sunbeam“, „Lake Of Fire“ und „Where Did You Sleep Last Night?“ stehen. Gute Coverband, diese Nirvana – siehe auch „Come As You Are“ (-

14. „Denis“

Blondie, 1977 (orig. Randy & The Rainbows, 1963)

Schnell aus der „Denise“ einen „Denis“ gemacht, eine Strophe in keiner grammatischen Prüfung standhaltendem Französisch und etwas Punk-Appeal beigefügt, und der Durchbruch zur Weltkarriere war geschafft.

13. „(I Can’t Get No) Satisfaction“

Devo, 1977/Cat Power, 2000 (orig. The Rolling Stones, 1965)

Damals scherten sich die hyperaktiven New-Waver Devo (mehr zu dieser Band im Dossier im ME 8/2010!) tatsächlich um nichts, sie griffen einfach zu und machten den Überschinken zu ihrem Gefangenen. Ihm wurden Drogen verabreicht und eckige Bewegungen abverlangt, die Kommerzkritik und das Ausbleiben von „girly action“ klangen plötzlich, als würde sie jemand kundtun, der durch all die vermeintlichen Bedürfnisse und Suggestionen längst in den Wahnsinn gestolpert ist. Weitere 23 Jahre später greift Cat Power zur E-Gitarre, zupft ihr ganz eigenes Riff und singt ihr ganz eigenes Lied. Es sind die selben Worte, die Jagger damals auch schon rief – aber es sagt auch: Lass dich nicht verrückt machen!

12. „Killing Me Softly (With His Song)“

The Fugees, 1996 (orig. Roberta Flack, 1973/Lori Lieberman, 1972)

Spätestens nach „No Woman No Cry“ gingen sie mit ihrer Dauer-Coverei auf die Nerven. Doch ihre zeitgeistige Version von „Killing Me Softly“ (die erste Single, die in Deutschland von Null auf Eins in die Charts ging) war völlig zu Recht der Soundtrack zum Sommer 1996. Das psychedelische Sitar-Sample entstammt übrigens dem Song „Memory Band“ der wenig bekannten 60s-Soulband Rotary Connection.

11. „I Heard It Through The Grapevine“

The Slits, 1979 (orig. Marvin Gaye, 1968)

Wie das bei Motown bewährte Praxis war, wurde auch dieser Song von mehreren Künstlern aufgenommen. Marvin Gayes Version, die das Stück von seinen Gospelroots zum psychedelischen Soul führte, wurde die erfolgreichste. Die Frauenpunkband The Slits entdeckte diese im Song verpackte bittere Erfahrung, das Ende der eigenen Beziehung von Dritten geflüstert zu bekommen, auf der anderen Seite des Punk neu für sich. Sie entrümpelten und verrumpelten den Song, spannten ihn über eine Dub-Line und ließen in keiner dieser klagenden Zeilen einen Zweifel daran, dass sie auch alleine ihren Weg gehen werden.

10. „Hounds Of Love“

The Futureheads, 2004 (orig. Kate Bush, 1985)

Der „NME“ ernannte die passionierte Version der Indie-Rocker zum „Track Of The Year 2005“ – also vor „I Bet You Look Good On The Dancefloor“, „Fuck Forever“, „Apply Some Pressure“ und „I Predict A Riot“. Need we say more?

9. „All Along The Watchtower“

Jimi Hendrix Experience, 1968 (orig. Bob Dylan, 1967)

Der Referenzgitarrist mit der Referenzcoverversion: Dem etwas nachlässig-schludrigen Dylan-Original nimmt Jimi Hendrix die Holprigkeit und verwandelt es in ein kleines, psychedelisch funkelndes Wunderwerk.

8. „Superstar“

Sonic Youth, 1994 (orig. Delaney & Bonnie als „Groupie [Superstar

Sonst immer für ein kleines bisschen Dekonstruktion zu haben, widmen sich die New Yorker ihrer Version dieses Schmachtfetzens des so entsetzlich reinlichen und deshalb so faszinierenden Geschwisterpaars Carpenter in fast zärtlicher, aber auch morbider Weise. Thurston Moore raunt das Flehen eines Groupies durchs Telefon, die Trompetenmelodie spielen sie wie verliebt auf dem Klavier, nur zum Finale lärmen und fiepen die Gitarren und Synthesizer bedrohlicher. 7. „Black Steel“

Tricky, 1995 (orig. Public Enemy, 1988)

… heißt urspünglich „Black Steel In The Hour Of Chaos“. Tricky verkürzte den Titel, erweiterte den harten Song über einen Gefängnisausbruch aber mit E-Gitarren und Rockdrums und ließ seine damalige Freundin Martina Topley-Bird dem Rap Chuck Ds eine sinuskurvenförmige Gesangsmelodie verleihen.

6. „Hallelujah“

Jeff Buckley, 1994 (orig. Leonard Cohen, 1984)

John Cale hatte mit seiner Version auf der Tribute-Compilation I’M YOUR FAN (für die er sich von Cohen den Text faxen ließ, und der faxte dann alle von ihm für den Song geschriebenen Strophen – 15 Seiten insgesamt) Buckley quasi die Bauanleitung geliefert, doch keiner sollte diesen Song schließlich singen, wie ihn Jeff Buckley sang. Das ist alles.

5. „Nightclubbing“

Grace Jones, 1981 (orig. Iggy Pop, 1977)

Er kroch auf dem Zahnfleisch, sie stolziert wie eine Gebieterin: Während Iggy Pop in „Nightclubbing“ als Nachtleben-Zombie die Reste seiner Junkie-Kollegen von der Straße aufsammelt, macht Grace Jones mit erhobenem Haupt aus dem Song eine Pirsch: Hier bin ich, wer seid ihr, was wollt ihr – dies ist meine Nacht. Alles eine Sache der Haltung, dafür musste sie nicht mal groß das musikalische Arrangement ändern.

4. „Hurt“

Johnny Cash, 2002 (orig. Nine Inch Nails, 1994)

Kann gut sein, dass Trent Reznor erkannt hat, wo seine Möglichkeiten enden, als er die Version des Country-Altmeisters hörte. Cash (und Rick Rubin) ließ all das Hecheln und Drohen und Knacken und Rauschen des Reznors beiseite und sang diese Zeilen, die von nichts anderem handeln als von der Desillusion, zu Gitarre und Klavier aufrecht und sogar mit einem Rest von Stolz – als wäre dies sein letzter Versuch, gegen die Verzweiflung anzukommen.

3. „I Fought The Law“

The Clash, 1979 (orig. The Crickets, 1959)

1975 veröffentlichten die mit The Clash assoziierten Londoner Pubrocker Ducks Deluxe eine Version des Songs (den ursprünglich Buddy Hollys Band The Crickets drei Monate nach Hollys Tod aufnahm). Da diese nicht sonderlich erfolgreich war, entschieden sich The Clash, dem Stück mit einem erneuten Cover eine weitere Chance auf dem europäischen Markt zu geben – eine Version der Bobby Fuller Four hatte den Song in den USA bereits 1965 zum Hit gemacht. Eine gute Entscheidung. The Clash retteten das Stück vor einer Dauerexistenz auf Oldie-Samplern und schenkten ihm durch Verankerung im Kanon des Punkrock-Liedguts die ewige Jugend.

2. „Tainted Love“

Soft Cell, 1981 (orig. Gloria Jones, 1965)

Das Intro mit dem U-Boot-Sonar und dem fiesen Zischeln aus der Beatbox dient 30 Jahre später noch allwochenendlich der Mobilmachung in Tausenden von Tanzschuppen. Sänger Marc Almond war das in den 60ern (ohnehin als Single-B-Seite) erfolglos gebliebene Original eines Nachts selbst in einem solchen in einem Northern-Soul-Club untergekommen. Zusammen mit David Ball presste er allen Motown aus dem Song, nahm das Tempo zurück und gab dieser dadurch noch dramatischeren Klage seinen weißen Soul (aufgenommen im ersten Take) – fertig war das beste Stück Synthiepop aller Zeiten.

1. „Always On My Mind“

Pet Shop Boys, 1987 (orig. Brenda Lee, 1972 / Elvis Presley, 1972)

Der Song, der dein Herz nach einem harten Beziehungsende wieder zusammenflickt. Die mächtigen Fanfaren blasen dir die Tränen aus dem Gesicht, die Drumrolls schieben dich durch die Nacht, die glitzernden Synthiemelodien versprechen: Bald geht die Sonne wieder auf. Neil Tennant und Chris Lowe stellten ihre Version des Songs anlässlich eines TV-Specials zum zehnten Todestag Elvis Presleys, der das Lied 1972 zum Welthit machte, vor. Die Zuschauerreaktionen waren so überwältigend, dass die Pet Shop Boys den Song als Single veröffentlichten. „Always On My Mind“ wurde zur meistverkauften Single des Duos im UK, und hielt dort 1987 sogar das bis heute von Engländern und Iren gleichsam stark geliebte „Fairytale Of New York“ von The Pogues und Kirsty MacColl von der Weihnachts-Nr.-1 zurück. Albert Koch möchte an dieser Stelle erwähnt haben, dass Willie Nelsons Interpretation des Songs aus dem Jahr 1982 auch sehr ergreifend sei. Da hat er Recht. Aber auch die erste Aufnahme des Titels, als Countrystück von Brenda Lee, kann an die Nieren gehen. Was lehrt uns also dieser Countdown? Hinter jedem starken Cover steckt meist auch ein starkes Original.