Lorde, Billie Eilish, Olivia Rodrigo: Teenage-Superstars, die 2021 Furore machten
Eigentlich sollte das Billie-Eilish-Album die große Pop-Platte des Jahres werden. Stattdessen traf dann aber mit Olivia Rodrigo ein anderer, neuer Teenage-Superstar den Nerv der Zeit viel besser. Und Lorde, das erste große Songwriting-Talent der Gen Z? Überraschte mit einem Anti-Hype-Album über die heilenden Kräfte von Sonne und Natur.
Hier und da hört man im Sommer verwunderte Stimmen, in Gesprächen und Internetforen, die flüsternd fragten: Hat eigentlich noch wer das Gefühl, dass HAPPIER THAN EVER floppen wird? Irgendwie fühlte sich der Hype um Billie Eilish und ihre lang- und heißersehnte zweite Platte auch nur noch lauwarm an. Die Singles liefen erstaunlich mittelmäßig: Die Lead-Single „Your Power“ hielt sich nur acht Wochen in den US-Charts, Peak-Position: Platz 20. Aber wie konnte das eigentlich sein? War die 19-Jährige nicht gerade noch der größte Popstar der Welt? Oder auf jeden Fall die einflussreichste Künstlerin der vergangenen Jahre? Die Königin der nächsten Pop-Generation? Die zweite Platte – obwohl recht spektakulär mit einem rasanten Image-Wechsel vermarktet – schien schon wieder keinen mehr so richtig zu interessieren. War’s das jetzt schon wieder mit der globalen Billie-Mania? Also abgesehen von den unzähligen verhuschten Sound-Epigonen, die es in ihrem Fahrwasser 2021 in Playlisten und Label-Roster schafften.
So ganz stimmt das natürlich nicht: HAPPIER THAN EVER verkaufte sich dann – dank riesiger Fan-Base – doch ganz ordentlich. Aber mit dem meteoritenhaften Einschlag der ersten Platte hatte das nichts mehr zu tun: keine relevanten Hits, keine kulturelle Stoßkraft, keine neuen Streaming-Rekorde. Die Medien titelten noch fleißig, aber irgendwie wurde man das Gefühl nicht los, dass die Zielgruppe schon weitergezogen war.
Das Album der Stunde kam von einer anderen jungen Frau: Olivia Rodrigo punktete auf SOUR mit formvollendeten Pop-Kompositionen, in denen sie sich über Liebeskummer, Selbstzweifel und den Druck des Erwachsenwerdens auskotzt. Frech und zugleich melancholisch. Und inklusive verzerrter E-Gitarre und Nullerjahre-Indie-Rock-Riffs, mit denen die 17-jährige Kalifornierin die Erwartungshaltung unterlief, ihre ganze Debütplatte würde so klingen wie ihr Herzschmerz-Balladen-Superhit „Drivers License“. Tatsächlich schaffte Rodrigo genau das, was allen großen Teenage-Seelenkunde-Platten ihre kulturelle Durchschlagskraft verleiht. Sie repräsentiert ganz viel von dem, was ihre Generation ausmacht: offen über psychische Gesundheit sprechen, toxische Beziehungsmuster aufbrechen, statt die Schuld nur bei sich selbst zu suchen. Und das alles verpackt in einprägsamem Songwriting in seiner ganzen Post-Genre-Bandbreite, guten Melodien und anspielungsreichen Texten. SOUR klingt so, wie es sich wohl im Jahr 2021 anfühlt, Teenager zu sein (berühren tut das aber eben auch Mittdreißiger).
Wahrscheinlich ist es auch kein Zufall, dass Rodrigos Songwriting zwischen den vielen verschiedenen Vorbildern auch an Lorde erinnert, die lange vor Olivia und Billie das große Pop-Nachwuchstalent der Zehnerjahre war (ihr Debüt erschien 2013). Die ist mittlerweile Mitte zwanzig und veröffentlichte im August nach langer Pause ihre dritte Platte. An die Charts-Erfolge der Vorgänger-Platten konnte die Neuseeländerin damit auch nicht anschließen. Vielleicht weil der sommerliche Gitarren-Pop auf SOLAR POWER in der aktuellen Sound-Landschaft ein wenig antagonistisch wirkte. Überhaupt ging es thematisch erstaunlich offline zu: Natur, der Rückzug aus der Öffentlichkeit, ein (nicht auf Instagram geposteter) Strandtag mit Freunden. Vielleicht ist das nicht mehr so nah am Nerv der jugendlichen Gegenwart. Offener und zugänglicher als die vernebelten Billie-Eilish-Songs war es immerhin. Aber darum geht es wahrscheinlich auch gar nicht mehr. Der Moment gehört ja eh längst Olivia Rodrigo.