Live-Review: Swans in der Arena – Grosse Halle, Wien


Mein lieber Schwan! Michael Gira verteilt mit den Swans akustische Watschen in Wien.

Wissen denn die Leute überhaupt, worauf sie sich einlassen? Der weißhaarige Mann in der Lederjacke, er weiß es bestimmt. Der tätowierte Typ mit dem ausgewaschenen Ministry-Shirt auch. Aber was ist mit den zerbrechlich wirkenden Menschen in den hinteren Reihen, die man Sätze sagen hört wie: „Ich kenn‘ eigentlich gar nichts von den Swans, aber die neue Platte soll ja recht gut sein“? Sie sind ahnungslose Schäfchen auf dem Weg zur Schlachtbank.

Dabei fängt der Abend noch recht freundlich an. Zu Sambaklängen betreten die Swans die Bühne. Leatherface Christoph Hahn schenkt der ersten Reihe gar ein Lächeln. Doch dann legt er die Hände auf seine Steelgitarre und entlockt ihr ein unheilvolles Schwurbeln. Frontmann Michael Gira, der bis jetzt mit dem Rücken zum Publikum gestanden ist, breitet seine Arme aus und wankt von einer Seite zur anderen. Er schlurft zum Mikro und setzt zu einem düsteren Sprechgesang an: „To be kind, to be kind, to be kind.“ Freundlich sein? Von wegen! Nach dem ruhigen Intro setzt es die ersten akustischen Ohrfeigen. Bassist Chris Pravdica und Ur-Swan Norman Westberg kurbeln an ihren Instrumenten, als ob es kein Morgen gäbe. Hinter mehreren Trommeln und einem Gong sitzt ein Hüne mit langen Haaren, der den passenden Namen Thor trägt und auf alles einschlägt, was „Bumm“ macht. Daneben sitzt, hinter einem handelsüblicheren Drumkit, Phil Puleo. Auch er macht laut „Bumm“. Angeblich haben die Swans früher so laut gespielt, dass sich die Leute im Publikum übergeben mussten. Heute kommt man, wenn man Glück hat, mit einem Tinnitus davon.

Schnell erkennt man den Unterschied zwischen Swans-Jüngern und weniger versierten Fans. Während Erstere sich nach jedem Feedback verzehren wie Lustsklaven, die um einen weiteren Hieb bitten, schauen Letztere bald verunsichert nach links und nach rechts und massieren sich mit spitzen Fingern die Ohren. „Your life is in my hand“, informiert sie Gira bei „Avatar“, einem von nur zwei Stücken aus dem aktuellen Album The Seer, die es heute zu hören gibt. Aus der Zeit davor spielt die Band bloß „Coward“, bei dem Gira zu einem Stop-Start-Rhythmus immer wieder kreischt: „I’m worthless, I love you“. Weil so viel Text sich schwer zu merken ist, liest Gira die Lyrics von Zetteln auf einem Notenständer ab.

Über zwei Stunden lärmen die Swans dahin, monoton und unerbittlich. Am Ende sind wirklich nur mehr Hardcore-Fans in der Halle. Denen hatte die Band zuvor auf Facebook das Stück „Mother Of The World“ als mögliche Zugabe versprochen – „if called for“. Die Leute rufen, doch Michael Gira erhört ihr Flehen nicht. Er ist kein gnädiger Herr. Dafür lieben ihn seine Fans umso mehr.

Setlist

To Be Kind

Avatar

She Loves Us

Coward

The Seer