Live-Review: Hot Chip in der C-Halle, Berlin


Die Engländer sind eine richtige Liveband und spielen ihren Elektropop im Bandsound. Gut so, denn am Ende macht das allen den größten Spaß.

Früher waren Hot Chip hot und jetzt sind sie es nicht mehr. So einfach ist das. Weil: Der Zeitgeist ist eine doofe, launische Ziege. Deshalb spielen die Londoner, die in ihren Anfängen als Lieblingsband von Nerds mit elastischen Knien die „England brennt“-Gitarren-Class of 2005/6 ganz allein unterlaufen durften, inzwischen in der sogenannten C-Halle, dem szenebefreiten Berliner Anlaufpunkt mittelständischer Popunternehmer. Und dort aber auch nicht vor ausverkauftem Haus. Hot Chip haben sich – und hotter hat sie das auch nicht gerade gemacht – im Lauf ihrer Geschichte zu einer Band entwickelt, die ihre große Liebe zum gekonnten Songwriting in eigenem gekonnten Songwriting auslebt. Als wenn das nicht schon Herausforderung genug wäre, müssen sie dieses aber weiterhin mit ihrem originellen, gimmickreichen elektronischen Sound in Einklang bringen, der als ihre wichtigste Trademark gilt.

Wenn es an diesem Abend jedoch etwas nicht gibt oder zumindest nicht mehr lange, nachdem die Scheinwerfer losgeflackert und Hot Chip zur Einführung achthändig die mitgebrachten Percussions verklopft haben, dann sind es analytische Gedanken über Sounds, Launen, Moden und darüber, dass die in aus den Hosen hängenden Hemden gewandete Band eher aussieht wie ein (allerdings hektisch beleuchtetes) Biolehrer-Seminar. Zu mäkeln gäbe es darüber hinaus tatsächlich noch mehr. Vor allem, dass der Drang der auf der Bühne siebenköpfigen Band, ihre Musik bis auf das notwendigste Sequencer- und Drumpattern-Fundament live und deutlich körperlich darbieten zu wollen, auf Kosten der Knackigkeit geht. Das feiste Bassriff von „Boy From School“ geht fast ein wenig unter, auch das Original von „Ready For The Floor“ hat viel mehr Bums. Zudem ist ständig irgendeine Orgel oder Rhythmusgitarre zu laut, aus den kunstvoll geflochtenen Arrangements sticht so etwas sofort heraus. Nein, das ist keine endscool-trockene „Houseband“, eher klingen sie für Momente sogar wie die Miami Sound Machine unter den Hotelbands (mit echten Steeldrums!). Vorneweg immer der aufrichtige Knabentenor Alexis Taylors, auch nicht eben für den „Biss“ zuständig bei dieser Veranstaltung. Aber wie … schön er doch einfach immer wieder singt!

Was am Ende zählt, das zählt eben auch für Hot Chip: die Menschen tanzend machen, singend, glücklich schwitzend. Nur unterbrochen von einer wunderbaren Ballade wie „Look At Where We Are“, bei der sie Prince’s noch ein bisschen wunderbareres „If I Was Your Girlfriend“ einstreuen. Dann verdrücken die Menschen auch noch eine Träne. Mögen Hot Chip auch nicht mehr so hot sein, es gibt keine andere Elektropopkapelle dort draußen, an der man sich so schön wärmen kann.

Setlist

Shake A Fist

Boy From School

Don’t Deny Your Heart

One Life Stand

Night And Day

Flutes

Over And Over

Brothers

Loot At Where We Are

How Do You Do?

Ready For The Floor

Everywhere (Fleetwood Mac Cover)

Hold On

Motion Sickness

Crap Kraft Dinner

I Feel Better

Let Me Be Him