Lenny Kravitz: Daddy Cool


Als gewissenhafter Papa, Rockstar und Biobauer kann Lenny Kravitz nicht über Langeweile klagen. Trotzdem bat der Meister MUSIKEXPRESS zum Hausbesuch nach Miami.

An diesem heißen Septembermorgen geht erst mal gar nichts. Zunächst jedenfalls. In den wohl temperierten Räumen der EMI-Niederlassung in Miami ist Warten angesagt. Es ist neun Uhr. Morgens, wohlgemerkt. Wir warten auf den Startschuss für die Fahrt zu Lennys Haus. In eineinhalb Stunden soll das Interview mit Mr. Kravitz stattfinden. Ungewöhnlich, durchaus. Schließlich sind Popstars, zumal so eigenwillige wie Freund Lenny, nicht eben für morgendlichen Arbeitseifer berüchtigt. Die Pressebetreuerin zuckt entschuldigend mit den Achseln. Ihre Idee war der Termin nicht, den hat der Meister höchstpersönlich festgesetzt. Indes: Ein wenig soll es dann doch noch dauern – erst Stunden später rollen wir im dunklen Minivan durch die Stadt und dann, an einem Pförtnerhäuschen vorbei, auf eine der Privatinseln von Miami, auf die sich die zahlreichen Promis dieser Stadt zurückgezogen haben. Betreten natürlich grundsätzlich verboten, es sei denn, man ist frühzeitig genug für einen Ausflug in das Reservat der Reichen angemeldet.

Hier residiert Lenny Kravitz, in einem grauen Bungalow direkt am Wasser. Von außen macht das Ganze einen wenig spektakulären Eindruck. Beton, Stahl, Glas. Aber auch hier im Millionendorf gilt: Ordnung muss sein. Wie in einem x-beliebigen Reihenhaus in München-Trudering wird man an der Haustür gebeten, die Schuhe auszuziehen. Kein Problem, machen wir. Und rein geht’s – in eine Metallröhre. Mit sich automatisch teilender Glastür. Spacig. Auch hinter der Röhre. Das hat mehr von der Hollywood-Kulisse einer sündhaft teuren SciFi-Produktion als von den heimischen vier Wänden eines Mannes, der mit konservativem Retrorock Millionen verdient hat. Und wenn wir schon in einem Raumschiff sind, dann sei der Korrektheil halber vermerkt: es ist ein rotes. Dessen Boden selbstredend mit einem karminroten, Flokati-ähnlichen Teppich ausgelegt ist. Überall futuristisch gestylte Plastikmöbel in Rot oder Orange. Neben der weißen Bar hängt ein ebenfalls in Rot gehaltenes Poster von Jimi Hendrix. Bevor man weiterhin Rot sieht, lässt sich die sonore Stimme des Hausherrn vernehmen: „Das hat mir meine verstorbene Kusine geschenkt, sie war Kunsthändlerin.“ Lenny steht plötzlich wie aus dem Boden gestampft da, gibt den liebenswürdigen Gastgeber und erklärt das Poster: „Den Künstler, der dieses Bild geschaffen hat, kenne ich nicht. Aber es ist, als hätte er genau gewusst, was in mein Haus passt und dass ich ein Hendrix-Fan bin.“ Doll. Lenny bittet aufs – natürlich ebenfalls rote – Kanapee. Immerhin sind des Sängers Jeans blau und das Achselhemd mit der Aufschrift “ 11″ von farblich undefinierbarem Dunkel.

Er zeigt auf die Tür, die in den größeren Trakt auf der Rückseite des Hauses führt. „Dort hinten geht’s in mein Studio. Da habe ich alle Songs zu meinem neuen Album ‚Lenny‘ aufgenommen und abgemischt. Es war ein wunderbares Gefühl, vor dieser Kulisse zu arbeiten.“ Ehrlich, bei so viel Rot? „Ich hatte alle Geräte hier aufgebaut und konnte so beim Spielen direkt aufs Wasser sehen.“ Da wird der rechte Flow wohl wie von selbst gekommen sein. Glücklich, wer sich solche Kulisse für seine kreativen Höhenflüge erlauben kann. Wobei Kravitz Musik von jeher wenig mit futuristischen Szenarios zu tun hatte, eher mit der heimeligen Wärme verkratzter Vinyl-LPs und der nostalgischen Liebe zur längst versunkenen Woodstock-Epoche. (einer Zeit also, als die trashige Färb- und Liniengebung, die das Interieur in Lennys Behausung bestimmt, noch als echte Zukunftsvision durchging. Hätte der Musiker tatsächlich lieber in jenen Tagen gelebt, wäre Lenny wirklich lieber ein Blumenkind gewesen? Er zögert keinen Moment mit der Antwort: „Nein, ich fühle mich wohl in der Gegenwart. Außerdem: Ich habe diese Retroelemente ja immer schon verwendet, allerdings habe ich sie jedes Mal kräftig aufpoliert.“ Er deutet auf einen abenteuerlich geformten Sessel: „Die Einrichtung hier basiert zwar auf dem Stil der sechziger und siebziger Jahre. Aber sie hat andererseits auch etwas Zeitgemäßes. So ist das auch mit meiner Musik. Ich feile so lange an den Sounds herum, bis das Resultat etwas sehr Modernes ist. Ich nehme das Alte, Bewährte und mache daraus etwas ganz Neues. Aber wo es herkommt, ist immer noch klar zu erkennen.“ Ob’s tatsächlich neu ist, lassen wir mal dahingestellt, etwas originär Eigenes stellt Kravitz‘ Musik indes sehr wohl dar. Und ihre Herkunft ist in der Tat in jeder Note erkennbar.

Kravitz war stets ein Verfechter der Analogtechnologie. Er verwendet gern uralte Analoggeräte, weil er deren Sound als wärmer empfindet als den der digitalen. Auch diesmal hat er Analog und Digital gemischt. „Einige Sounds klingen in digitaler Qualität gut. Andere überhaupt nicht. Deshalb benutze ich auch analoges Equipment.“ Und er spielte mit den seit Chers Welthit „Believe“ wieder schwer angesagten Vocodereffekten herum. „Im Song ‚If I Could Fall In Love‘ benutzte ich sie für die Backgroundstimmen.“ Kravitz‘ nunmehr sechstes Studioalbum klingt insgesamt rockiger, rebellischer und aggressiver als das deutlich auf den Mainstream gemünzte „5“ vor drei Jahren. Der Grund: Die gute alte Gitarre – sie dominiert Kravitz‘ Musik auf dem neuen Album wie schon lange nicht mehr. Lenny erzählt: „Nach wie vor gibt es kein Instrument, das mich so sehr elektrisiert. Wenn ich Gitarre spiele, fühle ich mich augenblicklich jung. Ich wollte einen simpleren Sound als auf den voran gegangenen Alben. Normalerweise verwende ich ja viele Bläser und alle möglichen anderen Instrumente wie Orgel und Keyboards. Aber diesmal wollte ich so viel Gitarre wie möglich spielen. Trotzdem gibt es auch Orchesterklänge zu hören, allerdings hauptsächlich Streicher. Dazu Drums und ein paar Synthesizer hier und dort. Aber die Gitarre dominiert.“ Lenny hat das Album, abgesehen von den Orchesterpassagen, fast im Alleingang eingespielt. „Lediglich Greg Ross (Lennys Tourgitarrist, Anm.d.Red.) hat bei ein paar Songs mitgemacht. Aber ansonsten hört man hauptsächlich mich.“

Warum hat er nicht wenigstens seinen Freund Mick Jagger um Unterstützung gebeten, dem er ja kürzlich bei einem von dessen Solosongs behilflich war? „Als Mick hierher, zu mir nach Hause kam, stand er sehr unter Zeitdruck, und wir konzentrierten uns auf die Aufnahmen für seinen Song.“ Dass die beiden „wunderbar miteinander ausgekommen“ seien, wie Lenny strahlend versichert, kann nicht wirklich überraschen. Eine Krähe hackt der anderen schließlich kein Auge aus. Lenny schwärmt: „Mick ist ein ausgesprochen netter Typ. Und er hat immerhin geholfen, eine Ära zu definieren.“ Kann man so sagen, die Rolling Stones sind neben den Beatles bis heute das Maß der Dinge in Sachen Sixties-Musik. Womit wir beim Thema wären: Am Sound der Beatles hat sich Kravitz in seiner eigenen Arbeit immer stärker orientiert als an dem der Stones. Und auch diesmal gibt es einen Song, der wie eine Verbeugung vor seinen Idolen wirkt. Lenny, der sich mit dem Vorwurf des Eklektizismus nicht erst seit gestern auseinander setzen muss, winkt natürlich ab: „Es ist reiner Zufall, dass dich ‚Stillness Of Heart‘ an die Beatles erinnert“, sagt er, „ich schreibe einfach. Ich denke dabei an niemanden.“ Auch das Sujet dieses Songs ist, sagen wir mal, lennonesk. Kravitz erklärt: „Ich singe davon, dass ich den Frieden in mir selbst finden will. Dass ich mich ganz auf diese Suche konzentrieren und mich nicht von all diesen Dingen da draußen ablenken lassen will. Der innere Frieden ist ein Luxus, den man sich nicht mit Geld kaufen kann.“

Hört, hört. Wobei unserem Mann ja durchaus reichlich Mittel zur Anschaffung aller nur denkbaren irdischen Güter zur Verfügung stehen. Und davon macht er auch Gebrauch. So besitzt der Rockstar diverse Wohnsitze, vor dem Haus stehen mehrere Wagen sowie ein Motorrad, und allein die Einrichtung seines Domizils dürfte das Jahresbudget einer kleineren bundesdeutschen Kreisstadt verschlungen haben. Aus seinem Hang zum Luxus macht Lenny auch keinen Hehl: „Stimmt. Ich finde Luxus nicht schlecht. Zu manchen Zeiten und an bestimmten Orten kann ich ihn sogar richtig genießen. Aber ich definiere mich nicht über den Luxus “ Es folgt eine kleine Philosophie des Luxus. Dozent Kravitz bemüht gar den Allmächtigen: „Luxus macht mich nicht zu dem, der ich bin. Ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die sich über ihre Uhr, das Auto, die Klamotten definieren. Ich dagegen kann mit oder ohne Luxus leben. Und wenn Gott mir eines Tages sagen würde: ,Lass das alles zurück und ziehe an einen anderen Ort‘ – ich würde gehen. Es würde mir nichts ausmachen.“ Denn unser Lenny ist ein echter Naturbursche: „Ich kann in einer kleinen Holzhütte genauso glücklich sein wie in einem teuren Haus. Das siehst du doch schon daran, dass ich genauso gern in meiner Holzhütte auf der Karibikinsel Eleuthera residiere wie hier in diesem teuren Haus in Miami. Die einfache Unterkunft in der Karibik bietet mir mindestens genauso viel Luxus, wenn der auch eine andere Qualität hat. Auf Eleuthera bin ich mitten in der Natur. Das ist für mich der größte Luxus.“ Wer hat, der hat. Der Meister beeilt sich anzufügen, dass Luxus für prominente Menschen wie ihn durchaus auch lebensnotwendig sei. Wie das? Nun, Luxus verschaffe ihm, etwa auf seinen ausgedehnten Konzertreisen, eine gewisse Sicherheit: „Ich kann ja nicht mehr einfach wie früher spontan durch die Straßen laufen, inzwischen erkennen mich die Leute.“ Dann also doch lieber der Rückzug in den goldenen Elfenbeinturm.

Themenwechsel: Was bedeutet für Lenny Kravitz Religion? „Ich glaube nicht an die Reinkarnation. Wenn mir jemand erzählt, er sei als Ziege wieder geboren worden, ist das für meine Begriffe völliger Quatsch.“ Da stimmen wir gerne zu. „Ich glaube andererseits auch nicht, dass nach dem Tod alles vorbei ist. Ich bin überzeugt, dass der Geist ewig ist. Dass er etwas ist, das man nicht töten kann.“ Aha, und weiter berichtet Reverend Lenny, dass seine Beziehung zu Ihm intensiver geworden sei: „Je älter und reifer ich werde, desto dankbarer bin ich für das Leben. Ich furchte, dass vielen Leuten nicht klar ist, wie wertvoll das ist, was sie haben. Ich bin sicher: Wir sind dazu geschaffen, dass wir lieben und geliebt werden und das Leben genießen. Stattdessen neigen wir dazu, zu kämpfen und herumzuzicken und uns ins Chaos zu stürzen.“ Soweit die Theorie. Wie hält es der Mann, der gelegentlich, nun ja, nicht eben als kooperativer Gesprächspartner gilt, mit der Praxis? Doch, er sei auf dem schwierigen Weg schon ein gutes Stück vorangekommen, versichert er und erklärt: „Zwar leide ich oft unter Schuldgefühlen, aber insgesamt bin ich eher auf positives Denken gepolt. Ich stamme aus einer Familie, in der das üblich war. Alle waren immer sehr optimistisch. Und das hat mich stark beeinflusst.“ Er selbst bemüht sich jetzt, diese Haltung an seine zwölfjährige Tochter Zoey weiterzugeben, die er nach der Trennung von Schauspielerin Lisa Bonet vor einigen Jahren (siehe Biokasten) allein großzieht.

Auf Kravitz‘ letztem Album war noch ein Song zu hören, den er seiner Tochter zum Geburtstag geschrieben hatte. Diesmal gibt es kein Lied für Zcey. Dafür war das Kind bei der Arbeit im Studio involviert, jedenfalls indirekt: „Sie marschierte regelmäßig ins Studio und erkundigte sich nach dem Stand der Dinge. Sie ließ sich Lieder vorspielen und gab ihren Kommentar ab. Etwa: ‚Dieses Lied hier ist eine gute Single, das solltest du auskoppeln. Dieser Song hier kommt nicht als Single in Frage.‘ Zoey verfügt über ein besseres Gespür für Hits als ich selbst. Na ja, kein Wunder. Sie hört ja auch dauernd Radio.“ Und natürlich hat das Töchterchen auch Ambitionen, es dem Herrn Papa nachzutun: „Sie komponiert eigene Lieder. Und sie singt. Außerdem spielt sie verschiedene Instrumente. Ihr Berufswunsch steht fest: Sie möchte Musikerin werden.“ Hat Zoeys Daddy etwas dagegen? „Auf keinen Fall. Ich würde mich nie dagegen stellen.“ Wobei der Vater glaubt, dass Zoey durch ihre Erfahrungen als Kind eines Rockstars längst schon für die zweifelhaften Folgen des Berühmtseins gerüstet ist: „Es ist ihr zwar nicht direkt peinlich, dass ich ihr Vater bin , erzählt Lenny lachend, „aber es ist ihr lieber, wenn die Leute es nicht wissen. Sie will auf gar keinen Fall meinen Namen benutzen, um bestimmte Dinge zu erreichen. Ich schätze das sehr hoch an ihr. Sie wird sauer, wenn sie merkt, dass die Schulkameraden nur auf eine Promifreundschaft aus sind.“ Und auch zu Hause macht die Kleine dem geplagten Vater nicht nur Spaß – genervt referiert Pädagoge Lenny: „Zwölf ist ein hartes Alter, da sind die Kids allwissend. Sie lassen sich nichts mehr von dir sagen. Irgendwie sind sie auch wie ein Spiegel. Wenn Zoey vor mir steht und wir uns streiten, sehe ich manchmal gleichzeitig den zwölfjährigen Lenny vor mir. Ich war als Teenager genauso widerspenstig wie sie.“

Eine neue Partnerin scheint im Leben des begehrten Junggesellen nach wie vor nicht aufgetaucht zu sein. Diverse Bekanntschaften mit Kolleginnen wie Vanessa Paradis und Natalie Imbruglia hielten alle nicht lange an. Zuletzt wurde er mit Goldie Hawns Tochter Kate Hudson gesehen, die jedoch kürzlich Black Crowes-Sänger Chris Robinson da Jawort gegeben hat. „Eine tolle Frau“, schwärmt Lenny. Und fügt hinzu, dass er’s mit einer neuen Beziehung nicht sonderlich eilig habe, da ihn derzeit die Daddyrolle voll und ganz ausfülle. Und in diesem Zusammenhang kommt allmählich auch das Thema Sex aufs Tapet. Nachdenklich sinniert er: „Ich finde, die Kinder sollten Bescheid wissen, welche Taten welche Auswirkungen haben.“ War es denn für ihn leicht, mit Zoey über dieses Thema zu sprechen? „Ich hatte den Eindruck, dass sie sich dabei nicht besonders wohl fühlte“, berichtet er, „vielleicht hängt das damit zusammen, dass ich ein Mann bin. Aber andererseits: Lisa hat auch mit ihr darüber geredet, und da war sie genauso genervt. Ich glaube, die Kids heutzutage wollen über diese Themen lieber mit ihren Freunden reden und nicht mit ihren Eltern.“ Das hätte er sich allerdings denken können – denn als Halbwüchsiger hielt es Lenny genauso: „Ich wurde auf der Straße aufgeklärt.“

Thema Gesundheit – bei Rockstars ja mitunter ein heikles, aber: Lenny sieht erstaunlich gesund aus. Er hat offensichtlich ein wenig Gewicht zugelegt. Vor allem aber wirkt er viel konzentrierter und nicht mehr so abwesend wie in früheren Jahren, als ein vernünftiges Gespräch mit ihm nicht immer möglich schien. Darauf angesprochen, erklärt er: „Ich rauche nicht mehr.“ Von Marihuana ist die Rede. Als Begründung für den überraschenden Verzicht liefert Lenny die Mär vom hart schuftenden Dauerarbeiter: „Ich arbeite so viel, dass meine ganze Energie dafür draufgeht. Oft schufte ich achtzehn Stunden im Studio.“ Donnerwetter. „Dazu muss ich Interviews geben und zwischendurch meine Tochter versorgen. Außerdem gibt es auch noch Nebenschauplätze, an denen Geschäfte zu regeln sind.“ Der Ärmste- so macht das Kiffen natürlich keinen Spaß mehr. Da passt ins Bild, dass Lenny neuerdings auf der Wellness-Welle reitet und aufmerksam auf gesunde Ernährung achtet. Womit er beim Fräulein Tochter allerdings auf wenig Gegenliebe stößt. Denn „die geht am liebsten in die Burgerbude Wendy’s zum Essen. Sie mag Junk Food, wie alle Kids in dem Alter.“

Als heftig umschwämrter Frauenliebling sieht sich Kravitz immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, öffentlich allzu stark aufsein Aussehen, Styling und die möglichst trendige Gestaltung seiner Plattencover zu achten. Alles Quatsch, kontert er: „Ich zieh‘ mir irgendwas über, stell‘ mich hin, und dann soll der Fotograf abdrücken. Andererseits kann ich verstehen, dass ich in den Verdacht gerate, den visuellen Eindruck bewusst trendy zu steuern. Schließlich werden momentan viele Künstler gehypt und Bands synthetisch zusammengestellt. Deshalb nehmen die Fans an, dass die meisten Musiker heutzutage so arbeiten und dass wir alle ein Team von Leuten hinter uns brauchen, die uns sagen, was wir anziehen und wie wir posieren sollen. Aber für mich gilt das nicht. Ich bin immer ich selbst gewesen.“ Als er sich vor ein paar Jahren die schulterlangen Rastazöpfe schneiden ließ, gab es einen Aufschrei in der Fangemeinde. Inzwischen sind die Haare nicht mehr ganz so kurz, sondern zu einem Minikrausmop nachgewachsen. Und Mr. Kravitz, immerhin auch schon 37 Jahre alt, ist sichtlich stolz auf seine Erscheinung: „Ich habe das Gefühl, ich sehe immer noch genauso aus wie mit zwanzig. Das liegt wohl in der Familie. Mein Großvater wird demnächst 91, und er könnte locker als 65-Jähriger durchgehen. Ich scheine diese Anlagen geerbt zu haben. Also zermartere ich mir nicht den Kopf übers Älterwerden.“

Dass ihn gutes Aussehen und Star-Status nicht in jedem Fall vor Ungemach schützen, musste der Musiker erst kürzlich erfahren. Den Vorfall verarbeitete er denn auch prompt in seinem Song „Bank Robber Man“. Lenny erzählt: „Ich war zu Fuß in Miami unterwegs. Plötzlich wurde ich von Polizeiwagen umringt. Die Polizisten sprangen aus ihren Kisten, packten mich, stellten mich an eines der Autos und verhafteten mich. Klick, plötzlich hatte ich Handschellen an den Gelenken. Und das alles ohne irgendeine Erklärung. Ich fragte: What the fuck is going on?‘ Erst nach einiger Zeit ließen sie sich dann zu einer Erklärung herab: ,Sie stehen im Verdacht, einen Banküberfall begangen zu haben.‘ Ich sagte: ‚Ach so. Okay.‘ Sie dachten, ich hätte eine Waffe dabei und wäre gefährlich. Deshalb behandelten sie mich besonders aggressiv. Ich konnte sie absolut nicht davon überzeugen, dass ich mit dem Bankraub nichts zu tun hatte.“ Lenny wurde erst freigelassen, nachdem „man mich einer der Bankangestellten gegenübergestellt hatte. Sie entschied: ,Der ist es definitiv nicht´.“ Hat die Frau den berühmten Star erkannt? „Nein, aber als man ihr später sagte, wer ich bin, wollte sie sich totlachen. Ich fand das Ganze gar nicht so witzig. Ich hatte Angst.“

So etwas kann ihm an seinem Zweitwohnsitz auf der winzigen Karibikinsel Eleuthera nicht so leicht passieren. Dort hat er Ruhe. Weshalb er hier einige Songs seines neuen Albums schrieb, darunter „Yesterday Is Gone“, „If I Could Fall In Love“, „Dig In“ und „Million Miles Away“. Nebenbei konnte er so auch die Fortschritte seines Farmprojektes überwachen. Seit Jahren schon plant er nämlich, im großen Stil Biogemüse auf den Feldern seiner Farm auf Eleuthera anzubauen. Wie steht’s mit der Umsetzung? Lenny guckt leicht genervt zur Seite: „Das ist dort alles immer noch nicht besonders gut organisiert. Im Moment geht alles drunter und drüber. Aber ich bin gerade dabei, das Projekt in Gang zu bringen. Und demnächst wird das alles richtig laufen.“ Schaun mer mal und warten ab, was der angehende Landwirt beim nächsten Interview zu berichten hat. In nächster Zukunft plant Lenny erst mal eine Tournee. Und bevor die startet, will unser Mann noch etwas für seine Bildung tun: “ Ich habe mich die letzten zwölf Jahre nur auf meine Karriere konzentriert. Und auf meine Familie. Jetzt nehme ich mir Zeit, mich mit Dingen zu beschäftigen, die ich lange vernachlässigt habe. Zum Beispiel Literatur. Ich lese viel.“ Und wo er schon mal dabei ist, will er gleich auch noch „ein paar Sprachen lernen“, wie er verkündet. Und natürlich Mathematik, um der Tochter bei den Schularbeiten helfen zu können. Nun frage keiner, wie er das alles noch in seinen 18-Stunden-Tag packen will. Frühaufsteher Lenny macht das schon.

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