Leftfield


MIT DEN GESETZEN DER COOLNESS IST NICHT ZU SPASSEN: KAUM IST MAN IM Begriff, den einen oder anderen Witz über die neuesten Codierungen des „In“-Seins zu reißen, schon macht man sich zum Gespött derer, die „drin“ sind. Im Falle der konzertanten Abendgestaltung durch die technoiden Lärm-Experten Leftfield etwa hätte man sich gern darüber lustig gemacht, dass die ersten zwei Stunden des – äh – Konzerts von einem DJ bestritten werden, der um sich herum völlige Dunkelheit verbreitet – kein Stroboskop, keine Discokugel blitzt in der prall gefüllten Halle, um die Tanzenden zu ersten Eruptionen der Ekstase zu animieren. Von daher gibt sich der Tanzende als solcher auch ganz konsequent: Er tanzt nicht. Wie auch, wenn das, was da aus den Boxen wabert, bestenfalls als abstrakter Minimal-Techno durchgeht? Das ist zur stillen Einkehr gedacht und so kehren zweitausend Menschen still in sich ein oder der Bühne den Rücken, um sich ein profanes Bier zu kaufen. Haben sie letzteres kurz vor Beginn der Leftfield-Show erstanden, so können sie sicher sein, dass die schale Schaumkrone in just jenem Moment vom Kaltgetränk gepustet wird, in dem Paul Daley und Neil Barnes die ersten Knöpfe drehen: eine bis dato nie erlebte Wand aus Lärm verschiebt jedermanns Haaransatz um knappe zehn Zentimeter in Richtung Nackenwirbel. Alles vibriert ganzheitlich, wie bei einem Alien-Schallresonator-Angriff im Raumschiff Enterprise. Nun wird nachvollziehbar, dass diese Band den Phon-Rekord von Motörhead längst pulverisiert hat und dass bei einem ihrer Auftritte der Putz gleich kiloweise von der Decke der ehrwürdigen Brixton Academy zu London rieselte. Doch der Überraschungseffekt dieses Openings dehnt die Aufmerksamkeitsspanne der neutraleren Besucher bestenfalls auf die Dauer der ersten beiden Tracks aus. Die pittoresken Lichtprojektionen retten über einen weiteren Track hinweg. Danach jedoch folgt das, was den Techno schon seit Jahren zur musikalischen Einbahnstraße hat werden lassen; Es regiert der hart geklopfte Beat, dem – ganz abgesehen davon, dass die Lautstärke sich auf einem Niveau hält, die die Veranstaltung für noch nicht gänzlich geschrottete Ohren faktisch ungenießbar macht – fürderhin kaum Struktur gegeben werden muss.Themen wiederholen sich bis ins Endlose, die filigraneren Arrangements des Albums „Rhythm And Stealth“ werden dem schnöden Ekstase-Gott geopfert. Musikalische Abwechslung verspricht der Auftritt von Gast-MC CheshireCat, der den Reggae lastigen Song“Chant Of A Poor Man“ croont wie ein arg indisponierter Burning Spear. Im Vergleich zu dieser blassen Vorstellung jedoch ist der Open-Mike-Contest im katholischen Jugendzentrum wohl ein wahrer Charisma-Brutkasten. Ähnlich überflüssig aber leider viel dauerhafter ist der Einsatz eines leibhaftigen Schlagzeugers, dessen Arbeit nicht gewahr wird, wer auf der rechten Hallenseite steht. Von dort nämlich ist der Mann hinter Lautsprechern verdeckt – und wer ihn nicht sieht, wird unter all den computeresken Beats keinesfalls das Handwerk eines Musikers heraushören. So steht er seinen Kollegen auf der Bühne ebenso gegenüber wie es das Bühnengeschehen gegenüber dem Publikum tut: distanziert.