Lady Gaga


Die Super-Popshow des Pop-Superstars mit leichten Schönheitsfehlern.

Bitte! Das soll jetzt aufhören. Seit einer gefühlten Viertelstunde quält Lady Gaga die 8000 im schmucklosen Industrial-Ambiente des Auftrittsorts, der in maßloser Selbstüberschätzung seiner Betreiber den Untertitel „Die Kulturhalle“ trägt, mit einer Solo-Piano-Version ihres Hits „Pokerface“. In einem glitzernden Hauch von einem Nichts am Korper dehnt sie die Zeilen, lässt endlos lange Pausen zwischen den Akkorden vergehen, steigt aufs Klavier, unterbricht die Performance (ja, Performance!) für Ansagen ans Publikum, bevor endlich das erlösende „Mum mum mum mah“ überleitet zur Disco-Stampf-Version des Überhits. Danach, nach einer guten Stunde, ist Schluss mit der Super-Popshow. Eine Verbeugung, keine Zugabe. Einfach Schluss. Es ist ein beruhigendes Gefühl, dass ein Auftritt von Lady Gaga alle Erwartungen erfüllt, die man auch ohne große Antizipationsfähigkeiten an einen Auftritt von Lady Gaga stellt. Zum Beispiel die „Provokationen“. Zwischen ein paar Kostümwechseln und ein paar gniedeligen Rockgitarrensoli zeigt Lady Gaga ihren Mikrotonständer, der eigens für sie konstruiert worden sei, und erklärt: „Alles, was ich mir anfertigen lasse, sieht aus wie ein Schwanz.“ Natürlich sieht der Mikrofonständer aus wie ein Mikrofonständer und nicht wie ein männliches Geschlechtsteil, was Gaga aber nicht davon abhält, mit seiner Hilfe Oralsex zu simulieren. „Pokerface“ beendet sie mit den Zeilen „you canfitck myface“. Und dann das Publikum. Das besteht überwiegend aus Minderjährigen in Begleitung ihrer Eltern, poshen Angehörigen der Gay-Community, vielen Marcos und Uschis, deren Garderobe schon 1997 nicht der allerletzte Schrei gewesen sein dürfte, und aus Tausenden von Hobbyfotografen, die vom Anfang bis zum Ende ihre Kamerahandys hochhalten, um Hunderte verwackelte, unscharfe und schlecht ausgeleuchtete Fotos zu machen, die sie sich nie ansehen werden. Und da wird das Dilemma der selbstbestimmten künstlerischen Kunstfigur Lady Gaga offenbar. Sie verbucht ein paar fette Posten auf der Habenseite ihrer Glaubwürdigkeitsbilanz: Artschool-Himergrund, TUE FAME, eines der besten Dance-Elcctro-Pop-Alben der letzten zehn Jahre, Referenzen ans Musical „Cabaret“ (Gaga singt „Willkommen, bienvenue, welcome“ a cappella am Anfang der Show), Verweise an Andy Warhol (Gaga als „Candy Warhol“ auf der Bühnenleinwand) und das ein bisschen zu penetrant zur Schau gestellte Ich-kann-richtig-singen-und-Klavierspielen. Und weil das so ist, werden an einem Abend wie diesem leicht mal Perlen vor die Säue geworfen. Vielleicht wünscht sich Lady Gaga ein Publikum, das Pop als ein Konglomerat aus Referenzen und Selbst- und Fremdzitaten begreift, aus Netzen und doppelten Böden, aus Versprechen, an deren Einlösung niemand so recht glaubt, als eine Kunst, die der Künstlichkeit ein Denkmal setzt. An diesem Abend findet sie es nicht.