Kicken und Volksmusik


Sie mag die Musik der Azoren, Fußball und Demos. Mit Glamour kann Nelly Furtado weniger anfangen, und eine neue Kylie-Britney ist sie schon gar nicht.

Wenigstens die Jacke kann sie heute nicht verlieren: Ihr Nachname ist draufgestickt, was auch nötig sei, sagt Nelly Furtado: „Ständig verschlampe ich meine Sachen. Mindestens fünf Sonnenbrillen sind dieses Jahr schon weggekommen. Ich bin furchtbar chaotisch strukturiert, die „Ordnung“ ist mein natürlicher Feind. „Währenddessen ist der andere natürliche Feind offenbar jedes Menschen mit angeschlossenem Gehirn, George ; Walker Bush, in der Stadt gelandet, und Nelly überlegt , ob sie nicht vielleicht doch Zeit hat zum Protestieren. „Ichfinde es toll, dass sich die Leute so aufregen. Auch wenn es nicht wirklich was ändert, ist es richtig, sich aufzulehnen, denn es hilft einem selber und macht außerdem Spaß.“ Bloß zeitlich könnte es knapp werden, denn es gibt noch ein paar geschäftliche Dinge zu klären, etwa zum Thema Fußball. Was Ricky Martin und Anastacia können, kann Nelly Furtado bald auch: singen im Dienste des runden Leders; ihr Lied „Forza“ wird offizielle Hymne der EM in Portugal, der Heimat von Nellys Eltern. „Ich bin sehr stolz, dass mein Lied und ich ausgewählt wurden, dieses Turnier zu repräsentieren „, sagt Furtado, die gegenüber ihren Vorgängern einen gewaltigen Glaubwürdigkeitsvorsprung besitzt: „Als Kind habe ich selber Fußball gespielt, war sogar in einer Mannschaft, die richtig bei Turnieren mitgemacht hat. Ich finde, Fußball ist eine sehr romantische Sportart, das hat was sehr Menschenverbindendes.“

Menschenverbindend. Gutes Stichwort auch für die Musik der 25-Jährigen (Lieblingsspieler, gähn, Figo), die in der Nähe von Vancouver zur Welt kam und nun mit Freund – ihrem DJ Lil Jaz – und der drei Monate alten Baby tochter Nevis (lateinisch für Schnee) in Toronto wohnt, folklore heißt die neue Platte, kein Titel, der einem sofort die Schuhe auszieht, aber Nelly findet das genau passend. „Ich weiß schon, dass Volksmusik in Deutschland meist von alten Männern oder Mädchen in komischen Kleidern gemacht wird‘, lacht sie, „aber meine Definition von Volksmusik ist viel offener. Ich habe immer versucht, dem Leben neugierig und wissbegierig gegenüberzutreten, und ich denke, dass mir das auch in kreativer Hinsicht hilft.“

Kann man sagen. Folklore, das Nelly größtenteils während der Schwangerschaft geschrieben und gemeinsam mit ihrem Produzentenduo Track & Field aufgenommen hat, lässt sich nicht in irgendeine Stil-Ecke stellen. Alles drauf, was dieser jungen Dame gefällt: Pop, R8tB – obgleich nicht so viel, wie man angesichts diverser Zwischendurch-HipHop-Zusammenarbeiten erwartet hätte -.eine echte Kirchenorgel und viele altmodisch-erfrischende Portugal-Einflüsse.

„Ich habe die Musik der Azoren immer geliebt. Als ich klein war, lag ich unter unserem Sofa im Wohnzimmer und habe gelauscht, wie meine Mutter die Lieder eingeübt hat, die sie im Chor sang.“ Später versuchte sich Nelly in diversen Bands, ging ein Jahr studieren und nahm vor drei Jahren mit whoai nelly ein Debüt auf, das außerhalb Kanadas erst mal wenig Beachtung fand, dann aber dank Pophits wie „I’m Like A Bird“ sogar bei uns Gold schaffte. „Derganze Glamour, derplötzlich um mich veranstaltet wurde, war wirklich seltsam. Ich bin eine sehr erdige Person, und auf einmal stürzt sich alles auf mich, als wäre ich ein Popstar wie Kylie oder Britney. „Nicht wirklich ihre Welt: „Ich war immer eher ein nerdiges Büchermädchen. Nun gehöre ich zur Popkultur und weiß nicht recht, ob ich mich schuldigfühlen öderes einfach genießen soll.“