Kevin Spacey kritisiert „voreiliges“ Canceln in Cannes-Dankesrede
„Es ist sehr schön, wieder zurück zu sein“: Kevin Spacey rechnet in Cannes mit der Cancel Culture ab.

Beim diesjährigen Filmfestival von Cannes hat sich auch Kevin Spacey sehen lassen. Der Schauspieler wurde bei der „Better World Fund Gala“ am Strand des Carlton Hotels mit dem „Award for Excellence in Film and Television“ ausgezeichnet. In seiner Rede ging er darauf ein, wie er zur Cancel Culture steht.
„Es ist sehr schön, wieder zurück zu sein“
Der zweifache Oscar-Preisträger, dessen Karriere durch zahlreiche Vorwürfe wegen angeblichen sexuellen Fehlverhaltens zwischenzeitlich zum Erliegen kam, wurde 2022 in einem New Yorker Zivilprozess für nicht haftbar erklärt und 2023 in London von einer Jury freigesprochen. Dennoch wurde er bislang von großen Hollywood-Produktionen gemieden und arbeitet seitdem an unabhängig finanzierten internationalen Filmprojekten.
„Es ist sehr schön, wieder zurück zu sein“, sagte Spacey laut „Deadline“ unter Applaus auf dem roten Teppich. „Ich fühle mich von so viel Zuneigung und Liebe umgeben. Ich habe von so vielen Freunden, Kollegen und Co-Stars gehört, seit dieser Preis angekündigt wurde.“
Ein Preis – und ein politisches Statement
In seiner Dankesrede lobte Spacey den Gala-Gründer Manuel Collas de La Roche für den Mut, ihn einzuladen: „Wer hätte gedacht, dass es als mutig gilt, jemanden zu ehren, der in jedem Gerichtssaal freigesprochen wurde, den er je betreten hat? Aber hier sind wir.“
Spacey erinnerte „Deadline“ zufolge dann an eine andere Zeit in Hollywood: die McCarthy-Ära. Damals wurden Filmschaffende wegen angeblicher Nähe zum Kommunismus auf eine schwarze Liste gesetzt und sie verloren ihre Jobs. Der 2020 verstorbene Schauspieler Kirk Douglas stellte sich 1960 dagegen, indem er dafür sorgte, dass der geächtete Drehbuchautor Dalton Trumbo offiziell als Autor von „Spartacus“ (1960) genannt wurde. Spacey zitierte Douglas mit den Worten: „Es ist einfacher für uns Schauspieler, auf der Leinwand Helden zu spielen. Aber im echten Leben sind die Entscheidungen nicht immer so klar. Es gibt Momente, in denen man für ein Prinzip einstehen muss.“
Diese Worte habe Douglas im hohen Alter von 98 Jahren gesprochen, so Spacey. Der „American Beauty“-Hauptdarsteller erinnerte auch an die weniger bekannten Gesichter dieser Zeit: „Viele kennen die Hollywood 1, aber kaum jemand weiß von den anderen 475 Filmschaffenden, deren Leben durch falsche Anschuldigungen zerstört wurden.“
Parallelen zur Gegenwart: Kritik an der WGA
Anschließend schlug Spacey den Bogen zur Gegenwart – und kritisierte die Gewerkschaft „Writers Guild of America“ (WGA) für den Umgang mit dem Drehbuchautor Tim Doyle („The Big Bang Theory“ 2007-2019) der während des Autorenstreiks 2023 wegen eines satirischen Social-Media-Posts öffentlich gerügt wurde: „Weil die WGA eine Rüge an alle 17.000 Mitglieder verschickte, bekommt Tim seitdem keine Arbeit mehr. Kein Studio will ihn anfassen – wegen eines Witzes.“
Er zitierte den Comedy-Autor Rob Ulin, der eine Kampagne zur Unterstützung Doyles initiierte: „Keiner von uns sollte Teil einer Organisation oder Branche sein, die Menschen auf schwarze Listen setzt.“ Dann verkündete Spacey, dass die WGA die Rüge gegen Doyle vor zwei Wochen offiziell zurückgenommen habe – und dass dies zeitgleich mit seiner Einladung zur Gala in Cannes geschah: „Die Geschichte wiederholt sich – aber nur, wenn wir es zulassen.“
Cannes und seine Gäste
Kevin Spacey ist nicht der einzige kontroverse Star, der in Cannes für Schlagzeilen sorgt. Schon im Vorjahr hatte der Auftritt von Shia LaBeouf auf dem roten Teppich gemischte Reaktionen ausgelöst. Der Schauspieler war 2020 von seiner Ex-Partnerin FKA Twigs wegen körperlicher und sexueller Übergriffe verklagt worden. Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, ist bisher kein rechtliches Urteil gefällt worden. Als er sich 2024 öffentlich bei den Filmfestspielen in Cannes zeigte, sprachen viele im Netz vom „Ende der Cancel Culture“.
Eine Nutzerin fragte auf X: „Wird überhaupt jemand in Cannes gecancelt?“ Ein anderer Post lautete: „Warum ist Cannes so besessen davon, Männer zu rehabilitieren, die des Missbrauchs und der sexuellen Nötigung beschuldigt wurden?“. Ob Spaceys Auftritt in Cannes tatsächlich ein Wendepunkt für seine Karriere ist, bleibt abzuwarten.