KEVIN AYERS
Kevin Ayers, der Typ mit dem Bananen-Tick hat sich wieder aufgerappelt. Zumindest hat es den Anschein. War er auch fast mehr als zwei Jahre nicht mehr so recht auf der Höhe und im Gespräch, so erweckt doch "Yes We Have No Mananas", sein neues Album, den Eindruck, daß man noch mit ihm rechnen muß. Und seine Bananas waren schließlich immer die besten. Angeblich kam er ja durch David Allen, den Oberfreak von Gong, auf seinen Spleen mit den Bananen. Für Kevin symbolisieren sie in erster Linie das Absurde - der Witz mit der Bananenschale, auf der jemand ausrutscht zum Beispiel. Daneben besitzen sie seiner Meinung nach natürlich noch eine eindeutige sexuelle Wirkung... Zum Glück hat Kevin aber auch noch etwas mit Rock zu tun, mit einem ganz speziellen sogar.
Chaotische Konzerte
Die eher zurückhaltend und in kleinem Rahmen angelegte Tour, die ihn im August durch Deutschland führte, zeigte ihn mal wieder, wie er wirklich ist, immer war und vermutlich auch bleiben wird: Als Anti-Star, als lockeren, fast schon verantwortußgslosen Entertainer, dessen Konzerte von jeher einen sehr eigenwilligen Touch besaßen. Diesen Touch näher zu erklären, fällt nicht leicht, zumal er meist in ein völliges Chaos umschlägt, bei dem die Musiker stockbesoffen über die Bühne stolpern, Pinkelpausen einlegen und stolz verkünden, daß sie eben doch zu den schlechtesten und unprofessionellsten Bands überhaupt gehören.
Narrenfreiheit
Daß man ihm diese extremen Mißgriffe nicht ernsthaft übelnimmt, liegt sicher hauptsächlich daran, daß ihn seine Fans und Anhänger zu verstehen scheinen. Ihm, dem Weinkenner und Gourmet, verzeiht man gerne die Lust am Trinken, die seine Konzerte mitunter zu Katastrophen werden läßt. Ihm, dem eigenwilligen, verspielten Intellektuellen, der scheinbar mühelos abstrakte E-Musik-Klänge mit naiven Kinderliedthemen zu verbinden weiß, nimmt man die verrücktesten Ein- und Ausfälle, wann auch immer, mit einem verständnisvollen Augenzwinkern gerne ab. Ob hier bisher nicht ein wenig zu viel Nachsicht geübt wurde?
Angst vor dem Publikum
Nun ist es aber keineswegs so, daß Kevin bei seinen Konzerten bewußt so oft Mist baut. Ganz und gar nicht. Er hätte, im Gegenteil, ganz gerne gut funktionierende Auftritte, einen tollen Sound und ebenso glänzende Begleitmusiker wie Gagen. Nur gibt es da gewisse Probleme. Zum Beispiel die schreckliche Angst vor seinem Publikum, die ihn immer wieder zur Flasche greifen läßt. Da er in seine spieltechnischen Möglichkeiten nicht gerade übermäßiges Vertrauen setzt, wird er sich wohl noch einige Zeit auf der Bühne unsicher fühlen. Und wenn sich dieses unsichere Gefühl auch noch auf das Publikum überträgt, ist eben wieder mal ein Fläschchen fällig…
In den „Underground verbannt
Kevin Ayers wurde lange Zeit fälschlicherweise zum Underground gezählt und als Rock-Avantgardist abgestempelt. All diese, für ihn nur wenig nützlichen Begriffs-Schubladen entstanden, weil er in seinen Anfangstagen ein paar Songs schrieb, die selbst mit größter Mühe und Sorgfalt nicht in eine der gängigen Stilrichtungen einzuordnen waren. Dabei handelte es sich durchweg um alles andere als avantgardistische Klänge, die „Joy Of A Toy“ und „Shooting At The Moon“, seine beiden Erstgeborenen, zu wirklich zeitlosen Rock-Klassikern werden ließen. Es war dieses unnachahmliche Gefühl, was sie so einzigartig machte. Ein Gefühl der Leichtigkeit und Beschwingtheit, der Naivität und der humorigen Doppeldeutigkeiten. So etwas hatte man bis dahin (1970) einfach noch nicht gehört, also tat man es kurz entschlossen als super-progressiv ab und legte dem guten Kev damit mehr Balken in den Weg, als er je hätte wegräumen können. [Nach]erneuten Konzert-Zusammenbrüchen, durch Alkohol hervorgerufen, verlor er rasch wieder die gute Reputation, die er eine kurze Zeit bei Presse, Funk und einer breiten Masse von Zuhörern genossen hatte. Die immensen Mengen erstklassiger Rot- und Weißweine sollten ihm immer wieder zum Verhängnis werden. Ein (ganz) neuer Anfang war fällig und untermauert sollte er werden durch einen Wechsel der Plattenfirma!
Die Island-Jahre
Er kam vom Regen in die Traufe! „Island“, sein neuer Vertragspartner, faßte es offensichtlich falsch an mit ihm, denn die Platten, die in dieser Zeitspanne herauskamen, zählen zum uninspiriertesten und durchschnittlichsten, was er je gemacht hat. „The Confessions Of Ooctor Cream“, „Sweet Deceiver“ und das mit einem enormen Staraufgebot (Eno, Nico, John Cale, Wyatt, Mike Oldfield u.a.) in Szene gesetzte Live-Album „June 1 1th 1974“ versprechen mehr als sie halten und bringen einen Ayers zutage, der nur mehr ein Schatten seiner selbst zu sein scheint. Man wollte ihn schon aufgeben. Aber nachdem er kürzlich zu seiner alten Firma „Harvest“ zurückgekehrt ist und mit „Yes We Have No Mananas“ einen neuerlichen Diamanten präsentierte, kann man wieder hoffen. (Was so ein paar Wochen Mittelmeer doch alles ausrichten können…)
Das Soft Machine-Kapitel
Daß Kevin Ayers in Urzeiten mal Mitbegründer der Soft Machine war, sei hier nur am Rande erwähnt. Bereits nach dem ersten Album, nach wenigen Monaten schon, wurde es ihm zu dumm, daß sich die Band immer mehr an ihrem Intellekt hochzog, und er setzte sich ab. Die alte Freundschaft zu Robert Wyatt, der aus fast den gleichen Gründen einige Monate später den Hut nahm, hat er sich jedoch erhalten: Robert wirkt auf fast jedem seiner Soloalben mit. (Aber auch Mike Ratledge, der introvertierteste Soft Machinist kommt fast jedesmal zum Zuge, wenn Kevin ein Studio aufsucht. So ganz ohne KUNST kommt er denn doch nicht aus!)
Schafft er’s?
Momentan sieht es gottseidank so aus, als hätte sich Ayers wieder seinen Wurzeln zugewandt, sich seiner bewährten Qualitäten besonnen. Wenn er diesmal den Mumm und die Nerven aufbringt, so, wie er gerade wieder begonnen hat, weiter zu machen, dürfte er sicher bald zu DEN englischen Geheimtips gerechnet werden, die es im nächsten Jahr sicher zur Spitze treiben dürfte. Dann wird er sich auch endlich den Wunsch erfüllen können, einen riesigen Wagenpark zu dirigieren, dessen Musik allein aus den verschiedenartigen Hupen kommen soll. Aber die Katastrophen-Konzerte müßten irgendwann in den nächsten Monaten mal ein friedfertiges Ende finden. Also beim besten Willen! Irgendwo hat auch die Toleranz einem Bananen-Magier gegenüber ihre Grenzen!
Kevin träumt vom Single-Hit
Dabei träumt Ayers seit Jahren von Single-Erfolgen, von einer USA-Tour und von zahllosen Projekten, die er mit dem durch Hits erwirtschafteten Geld durchführen will. Nicht umsonst nimmt er allen Unkenrufen zum Trotz anläßlich jeder neuen LP gleich eine Single auf. Und zwar eine neue und nicht nur einfach ausgekoppelte Nummer. Meist klingen sie sehr südamerikanisch, Reggae-ähnlich, kommerziell und eingängig, wie zum Beispiel „Ju Ju Wine“ oder „Carribbean Moon“. Allerdings ist er keiner derjenigen, die momentan mit mittelmäßigen Reggae-Verschnitten überall die Hitlisten unsicher machen, denn sein Interesse an dieser Musikrichtung geht bereits Jahre zurück. Vielleicht könnte man ihn sogar als einen der Wegbereiter dieses Stils bezeichnen, wenigstens für England.
Kevin’s Meisterwerk
Aber zurück zu seinem brandneuen Album, das zu seinen gelungensten Meisterwerken gezahlt werden muß. Dank Muff Winwood, (dem Bruder von Stevie und dem Ex-Bassiten der alten Spencer Davis Group), der die Platte produzierte, verrennt sich Kevin nicht mehr so leicht in die von ihm so geschätzten, verspielten Nebensächlichkeiten, sondern konzentriert sich vielmehr auf das Wesentliche. Nämlich auf den Charme und die Leichtigkeit der Musik und des Textes, worin er es schließlich zu wahrer Meisterschaft gebracht hat, und wo ihm niemand etwas vormachen kann. Wer seine alten LP’s nicht kennen sollte, für den dürfte „Yes We Have No Mananas“ eine der wichtigsten Entdeckungen des Jahres sein!
Die neue Band
Die Platte ist weitaus kompakter und geradliniger als alle ihre Vorgänger, enthält wenigstens drei potentielle Hits und wurde von einer Mannschaft eingespielt, die nur Gutes erahnen läßt. Die Rhythmusgruppe, die Kevin auch auf der Tour begleitete, besteht aus Charlie McCracken, dem Bassisten aus der frühesten Taste-Periode und auch bei Konzerten für Stimmung sorgt. Bob Elfis, der bei den deutschen Auftritten mit dabei war und ein wenig Percussion und Flöte spielte, erweckt den Eindruck, als wäre er nur engagiert, weil er ein alter Freund von Kevin ist.
Klassiker lauwarm serviert
Obwohl Ayers beim Erfinden von Bandnamen nicht gerade einfallslos ist (siehe: Whole Wordl, Archibald, Decadence oder Banana Follies), hieß die neue Gruppe nur Kevin Ayers — sicher ist sicher! Sie brachten viele der alten Klassiker wieder in’s Gedächtnis, wie z.B. „May I“, „Whateverhebringswesing“, „Stop This Train“ und eine sehr ausgeprägte und überlange Version von „Lady Rachel“ – Kevin At His Best! Im Konzert wirkten diese Songs freilich nicht so interessant und frisch wie auf den alten, begehrten Platten.
„Bananamour
Sie klingen auf Platte in der Tat besser und irgendwelche Interessenten tun besser daran, sich die alten Raritäten zu besorgen. Nach den beiden Einstandswerken folgte „Whateverhebringswesing“ und ein neuer Höhepunkt mit „Bananamour“, das Kevin heute im Rückblick als sein bestes Album bezeichnet und das er als einziges allein produziert hat. Danach war er allerdings wieder reif für eine Erholung und ohne lange zu überlegen, zog er sich zu seiner Lieblingsbeschäftigung zurück: Dem Nichtstun an den sonnigen Stränden des Mittelmeeres, wo er fast jedes Jahr überwintert und neue Kräfte sammelt.
Der Wein ist schuld
Diese „Bananamour“-Phase war sicher seine kreativste und erfolgreichste mit Ausnahme der Whole World-Phase zwei Jahre davor. Zudem standen ihm mit seinem alten Freund, dem Bassiten Archie Leggett und dem Trommler Eddie Sparrow zwei unvergleichliche Könner zur Seite, die sich darüberhinaus auch mit seinen Vorstellungen und Ideen zu identifizieren schienen. Aber das Schicksal verschonte ihn nicht! Nach dem Drummer Rob Townshend, der noch bis zum Schluß bei Family trommelte. Diese beiden schufen sich inzwischen einen solch guten Ruf als Studioprofis, daß kaum noch jemand auf sie verzichten will.
Die Gitarre bedient der Ex-Patto Ollie Halsall, ein wirklich fantastischer Mann, dem Kevin auf dem Plattencover einen Extradank ausspricht. Leider wurde Ollie für die Tour durch den allerdings nicht viel weniger vielversprechenden Andy Summers ersetzt, der bis vor kurzem noch Kevin Coyne zur Seite stand. Und schließlich ist da „Zoot“ Money, ein ganz alter Hase und Mitbegründer der englischen Beatszene, an den Keyboards, der auch bei Konzerten für Stimmung sorgt. Bob Elfis, der bei den deutschen Auftritten mit dabei war und ein wenig Percussion und Flöte spielte, erweckt den Eindruck, als wäre er nur engagiert, weil er ein alter Freund von Kevin ist.