Die da oben

Keine Herrenjahre: Wie Nina Chuba eigenhändig das Genre „Sommerhit“ rettet


Nina Chuba rettet den Sommerhit – und das auch noch auf rührend sympathische Art und Weise. Die aktuelle Hitparaden-Kolumne von Julia Lorenz.

Es gibt kaum etwas, das einen bestimmten Schlag nicht mehr ganz junger Menschen so verlässlich auf die Palme bringt wie sehr junge Menschen, die im Auftrag der Weltrettung Autobahnen blockieren. Oder sich an Gemälden festkleben. Die nennen sie dann Extremisten, im speziellen Fall auch Greta Thunfisch. Eine Sache allerdings macht diese Menschen noch rasender: junge Leute, die trotz 30-Stunden-Woche ihr Stück vom Kuchen wollen. Die ohne Lehrjahre, die keinesfalls Herrenjahre sein dürfen, was vom Leben fordern.

Youtube Placeholder
An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Womit wir bei Nina Chuba wären: Die Sängerin und Schauspielerin, geboren 1998 in Wedel, hat – so erklärt sie in ihrem Song „Wildberry Lillet“ – Hunger, also nimmt sie sich „alles vom Buffet“. Mit einer Stimme, die es schafft, gleichermaßen desinteressiert und sehnsuchtsvoll zu klingen, kräht Chuba zu einem sommerbrisigen Dancehall-Beat in die Welt, was sie gern würde und hätte: Immos, Dollars, fliegen können wie bei Marvel, zum Frühstück Canapés. Und eben den titelgebenden Wildberry Lillet.

Eine Rache der Jungen

Mitte September landete der Song auf Platz 1 der deutschen Singlecharts. Man könnte es als die Rache der Jungen bezeichnen, dass eine Sängerin, die ihre Karriere als Schauspielerin bei der Gymnasiastenserie „Die Pfefferkörner“ und beim „Traumschiff“ begonnen hat, die Malle-Kloppstöcke DJ Robin und Schürze von der Spitze verscheuchte. Oder man freut sich einfach: über diese ernsthaft sympathische Sängerin, die sich an einer zeitgemäßen und klischeearmen Fusion von Rap, Pop und Reggae versucht.

„Danke“, „Layla“: Warum das Vermächtnis der Zipfelbuben jetzt schon immens ist

Die träumt und prahlt, wie es im HipHop üblich ist, und dabei rührend freundlich klingt: Chubas Freunde sollen in „Wildberry Lillet“ auch nur das Beste kriegen, für die Mama wird sich ein „Haus in Catania“ gewünscht. Hätte das Gör mal gespart, statt Aperitivo zu bechern, rufen die Lehrjahre-Fetischisten. Chuba kriegt indes vom Brausehersteller Schweppes Geld hinterhergeworfen, weil sich der „Wildberry Lillet“ mit Beerenlimonade aus ihrem Hause angeblich besonders fein mixt. Nein, so rettet man sicher nicht die Welt. Aber immerhin das Genre „Sommerhit“.

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 11/2022.