Keine Fünfjahrespläne bitte!


In einer Zeit, in der sich jeder dritte Dönerbudenbesitzer alle möglichen Pete-Doherty-Sessions und sämtliche Demos der Arctic Monkeys bereits heruntergeladen hat, wirkt ein neues Jeb-Loy-Nichols-Album wie der sprichwörtliche umfallende Sack Reis in China. Auf dem US-Kleinstlabel Okra, das vor vielen Jahren durch die Schrammsein paar Tage lang bescheidene Berühmtheit erlangte, machte Nichols in den 90ern mit den Fellow Travellers etwas völlig Neues: Mit Indie-Attitüde im Hinterkopf mischte er Reggae und Singer/Songwriter-Musik – naturgemäß für eine viel zu kleine Gemeinde. Doch wollen wir nicht jammern: Nichols ist ja auch deshalb nicht berühmt geworden, weil er mit den Widerwärtigkeiten (beschönigt: Notwendigkeiten) des Geschäfts wenig zu tun haben wollte. „Ich war mal mit David Gray essen“, berichtet Nichols in bemüht ernsthaftem Tonfall. „Als wir uns schon eine Weile unterhalten hatten, erzählte Gray mir von seinem Fünfjahresplan und wie er ihn umsetzen will. Ich dachte: Zur Hölle, ich habe nicht einmal einen Fünfminutenplan! Ich habe keine Ahnung, was ich machen werde, wenn ich dieses Lokal hier verlassen habe.“

So ist die Welt: Singende Surfer und salbadernde Songschreiber-Leichtgewichte, verläßliche Dienstleister also, machen uns träge und gefügig, während Jeb Loy Nichols auf Now Then wieder so viele Ideen hat wie zu seiner besten Zeit. Daß man auf Nichols‘ Solo-Alben Soul, Reggae, Country, Gospel und noch viel mehr hören kann, liegt auch daran, daß er selten am selben Ort verweilte: 1979, als 17jähriger, ging er nach New York, war verrückt nach Rap, traf Joey Ramone, machte die Nächte durch. Später in London teilte er sich ein Haus mit Neneh Cherry und Ari Up von den Slits. Hat so ein Mann noch Helden? Unzählige, allen voran Tony Joe White, Dan Penn und –Bob Marley. „Es ist traurig, das auszusprechen, aber ich bin mir sicher, daß Marley in seiner großen Zeit ebenso homophob gedacht hat wie alle anderen in Jamaika auch – etwas anderes anzunehmen, wäre wohl naiv. Vielleicht war er einfach klug genug, keine öffentlichen Statements zu diesem Thema abzugeben. Wie in der Reggaeszene über Schwule gedacht und teilweise ja auch getextet wird, ist absolut unentschuldbar.“ Was soll man sagen? Auf eine bessere Welt!

www.jebloynichols.com