José González im Interview: „In der Küche störe ich mit meiner Musik keine Nachbarn“
Klanggewordene Tiefenentspanntheit: José González ist mit dem Album VESTIGES AND CLAWS endlich als Solomusiker zurückgekehrt. Ein Gespräch über neue Helligkeit, Heimarbeit und westafrikanischen Drone-Blues.
2007 veröffentlichte José González mit IN OUR NATURE sein letztes Album als Solomusiker. Dann die Zäsur: Der argentinischstämmige Schwede kehrte dem minimalistisch geprägten Akustik-Folkpop den Rücken, trat wieder in seine alte Band Junip ein, schrieb Musik für Hollywood und das Computerspiel „Red Dead Redemption“. Mit seinem neuen Album VESTIGES AND CLAWS knüpft González nun da an, wo er vor acht Jahren mit IN OUR NATURE aufgehört hat.
Musikexpress.de: Schon erstaunlich, wenn man dein neues Album mit deinem Debüt VENEER von 2003 vergleicht: Du scheinst von der tiefsten Dunkelheit ins hellste Licht gerückt zu sein. So ausgeruht und optimistisch, kurz: so hell klang deine Musik noch nie.
José González: Darum ging es mir bei diesem Album und auch bei vielen Songs mit Junip. Man kann schon sagen, dass diese Form des Songwritings einen Teil meiner heutigen Persönlichkeit abbildet. Es liegen ja zwölf Jahre zwischen den beiden Alben, ich bin inzwischen 36, habe viele Jahre auf Tour verbracht, und mich in dieser Zeit natürlich auch verändert. Und nicht zuletzt macht es einfach mehr Spaß, Musik mit einem helleren, energetischeren Charakter zu schreiben.
Du hast dich auch textlich auf VESTIGES AND CLAWS neu ausgerichtet, sprichst nicht selten grundsätzliche, ja philosophische Fragen an.
Mein Debüt und Teile von IN OUR NATURE bilden ja eine Art inneren Kampf, sprich: eine sehr persönliche, introvertierte Perspektive ab, während ich nun eher zur Menschheit spreche. Musikalisch verfolge ich im Grunde zwar immer noch den gleichen Stil wie auf den ersten beiden Alben, habe jedoch mehr Gesangsspuren und Gitarren eingespielt, auch um das Album etwas extrovertierter zu gestalten.
Man hört sogar Anklänge des westafrikanischen Drone-Blues.
Ja, bereits der Song „Killing for Love“ auf meinem letzten Solo-Album war inspiriert von Ali Farka Touré und Amadou & Mariam, später habe ich dann auch mit Musikern wie Sidi Touré oder der Band Tinariwen zusammengespielt. Mir ging es bei den drei Stücken auf VESTIGES AND CLAWS vor allem darum, diesen Stil nicht zu kopieren, sondern ihn in meine eigene Ästhetik zu übersetzen.
Warum eigentlich der Titel VESTIGES AND CLAWS? („Spuren/Überreste und Krallen“, Anm.)
Ich denke bei „Vestiges“ an kulturelle Gebräuche oder biologische Merkmale, die langsam verschwinden oder bereits verschwunden sind, die eine Funktion hatten, diese aber verloren haben. „Claws“ können dagegen auch eine Metapher für Werkzeuge sein – etwa jene Werkzeuge, mit denen wir unsere Zukunft gestalten. Dem Album liegen so einige universelle aufklärerische Ideen und Gedanken zugrunde.
Du warst in den letzten Jahren in diverse musikalische Projekte involviert, hast zwei Alben mit deiner alten Band eingespielt, Musik für Ben Stillers „The Secret Life of Walter Mitty“ geschrieben und warst mit einem Streichorchester auf Tour. Hattest du genug vom Leben als Solokünstler?
Ja, nach der Tour zu IN OUR NATURE hatte ich es wirklich etwas satt, als Solomusiker unterwegs zu sein, und die Überlegung, unsere Band Junip wieder zu reaktivieren, hing da schon länger in der Luft. Es war wirklich wichtig für mich, dass wir das damals gemacht haben und ich wieder Teil einer Band sein konnte. Und als wir dann erstmals zusammen auf Tour waren, schien es uns irgendwie traurig, jetzt schon wieder aufzuhören, also haben wir eine zweites Album gemacht.
VESTIGES AND CLAWS hast du nun fast komplett in Eigenregie in deiner Wohnung in Göteborg aufgenommen. War dir nicht nach Studio?
Ich habe erst angefangen im Studio zu arbeiten, dann aber zuhause weitergemacht und mich dort von mal zu mal wohler beim Aufnehmen gefühlt. Ich spiele ja meist nur Gitarre und singe – von daher störe ich da auch keine Nachbarn.
Wie darf man sich deine Heimarbeit denn genauer vorstellen?
Ich habe eigentlich nur ein kleines Setup, das ich bei Bedarf auf meinem Küchentisch ausbreite und dann einfach loslege. Ich genieße es, beim Aufnehmen das Fenster öffnen zu können und die Vögel draußen singen zu hören.
Auf deiner Tour bist du aber wohl nicht solo unterwegs?
Nein, wir spielen zu fünft mit zwei akustische Gitarren, zwei Leuten an der Percussion und einem Bass-Synthesizer. So können wir sowohl die alten minimalistischen Songs als auch die reicher instrumentierten neuen Stücke spielen, für die wir deutlich mehr Hände brauchen.
VESTIGES AND CLAWS von José González ist am 20. Februar 2015 via Peacefrog/Rough Trade erschienen. Am 17. März tritt González in Hamburg auf, außerdem spielt er als Headliner beim Maifeld Derby 2015.