John Mayall
Bei der Vaterfigur des britischen Blues lernten Größen wie Clapton ihr Handwerk. Der Meister erinnert sich
Der Stoff aus dem Legenden sind: John Mayatls Bluesbreakers waren in den 6oer Jahren der Durchlauferhitzer für eine ganze Generation junger Talente. Eric Clapton, Peter Green, John McVie, Dick Heckstall-Smith, Ainsley Dunbar und Mick Taylor trugen von hier aus den Blues britischer Prägung in die Rockwelt hinaus ganz zu schweigen davon, daß die Bluesbreakers John Lee Hooker bei seiner ersten Englandreise als Begleitband unterstützten. Später zog Mayall nach Los Angeles, wo er sich in die Gefilde der Fusion-Music vorwagte. Aber als der Blues gegen Ende der 8oer Jahre wieder erstarkte, besann sich auch Mayall auf alte Zwölftakt-Tugenden. Seine mit allerhand prominenten Gästen gespickte LP ‚Wake Up Call‘ wurde 1993 auch prompt für einen Grammy nominiert.
„Es ist toll, wieder in London zu sein“, hebt John Mayall an. „Nicht zuletzt deshalb“, führt er augenzwinkernd fort, „weil es um eine so wichtige Sache geht wie die Promotion meines neuen Albums!“ Mayalls Mähne ist würdig ergraut, seine adlerartigen Gesichtszüge sind noch markanter geworden, ein Türkis-Ring von den Navajos deutet an, was den hehren Hippie neben dem Blues noch interessiert. John Mayall haßt es, seine Musik erklären zu müssen. Eigentlich will er, der einmal eine Platte ‚No More Interviews‘ betitelte, einfach nur spielen. Am vergangenen Wochenende etwa half er bei der Band seines Sohnes Gaz, The Trojans, mit, als diese bei der Hochzeit seines anderen Sohnes, Jason, zum Tanz aufspielte. Irgendwie wanderte der angestammte Pianist und Erfinder der neunsaitigen Gitarre im Verlauf des Abends von den Tasten zum Dudelsack, doch seine große Liebe ist und bleibt die Musik des amerikanischen Südens. Der nunmehr 61jährige Mayall kam früh zum Blues: Sein Vater, Gitarrist in einer Big Band, pflegte den guten Geschmack seines Söhnchens mit einer wohlbestückten Sammlung von Platten, die den Blues auf 78 Touren erscheppern ließen. Eigentlich wollte John zwar Werbegrafiker werden, doch als er in den frühen fünfziger Jahren als Soldat in Korea stationiert war, erstand er nach diversen Kindermodellen seine erste handfeste Gitarre. Noch blieb die Musik Hobby – bis Alexis Korner den Rhythm & Blues-Boom ankickte. Da zog Mayall von Manchester nach London, sein Glück als Musikant zu suchen. „Am meisten lernte ich wohl von Big Maceo, Sonny Boy Williamson und Albert Ammons. All diese Leute waren damals völlig überrascht, daß in Europa der Blues geschätzt wurde, wo er in den USA doch längst nichts mehr zu melden hatte. Natürlich war da auch John Lee Hooker. Lernen konnte ich von ihm allerdings wenig – außer im Bereich der Dynamik vielleicht. Von einem Original kann man eben wenig abschauen, ohne daß es wie eine bloße Kopie klingen würde.“
Mayalls neues Album heißt ‚Spinning Coin‘. Es entbehrt der „gewohnten“ Superstargäste und präsentiert die heutigen Bluesbreakers Rick Cortes, Joe Youle und den neuen Gitarristen Buddy Whittington als spielfreudige Band. „Die Arbeit an dem Album hat viel Spaß gemacht“, strahlt Mayall. „Wir kannten die Produzenten, auch das Studio, und fühlten uns wie zuhause. Wenn man sich so gut kennt, ist jedes Konzert und jede Aufnahme ein Erlebnis.“ Von ‚Reunions‘ mit den Bluesbreakers-Stars früherer Generationen will Mayall partout nichts wissen: „Man meint, wenn man ein paar berühmte Musiker auf die Bühne stellt, sind die Resultate automatisch erstklassig. Das ist Unsinn. Ganz zu schweigen von den Kopfschmerzen, die der Umgang mit all den Managern und Plattenfirmen brächte!“