It’s Always Better On Holiday
...aber Arbeit ist auch nicht schlecht, wenn man die gefeiertste Band des Jahres ist, ein Major-Label der Leine führt und das Tödliche Riff auf Tasche hat. .. Wir sind reif für den Backlash!" informieren Franz Ferdinand beim Backstage-Besuch in Manchester.
Franz Ferdinand können einem richtig auf den Keks gehen. Wenn man die gesamte achtstündige Reise von Manchester nach München, zu Lande und in der Luft, den ganzen restlichen Tag und am nächsten Morgen noch immer eine Endlosspule des Refrains von „Matinee“ im Kopf hat -,,daa-dada-da-dadaaadadadada-da-dadaa“ -, dann ist irgendwann echt mal gut. Was haben diese Wahnsinnsknaben GETAN? Haben Franz Ferdinand den catchyesten Song des Jahrtausends geschrieben? „Matinee“ ist eine Gehirnwindungsklette vom Ausmaß eines „Yellow Submarine“ oder Kylies „Can’t Get You Out Of My Head“ und doch eine ungleich höher entwickelte Spezies. Die so leichtfüßige Verknüpfung der genialisch kinderliedesken Ohrwurmigkeit mit einer zwingend federnden Tanzbarkeit, smarten Eleganz und sturm – und drängendem Rockmuskel ist das Geheimnis der besten Franz-Songs. Was dem vor solcher Charme-Übermacht sich ergebenden Hörer dann in Beine und Ohrschnecke fährt, ist Popmusik von lange nicht dagewesener Perfektion: Klug, originell, kunstvoll, cool (aber nicht elitär) und sexy wie die Seuche, ausgedacht und gespielt von Typen, mit denen man – je nach Präferenz und abgesehen davon, dass sie alle vier vergeben sind – wahlweise um die Häuser ziehen oder durchbrennen möchte.
Franz Ferdinand sind – da dürften sich die Rückblicks-Polls heuer so flächendeckend einig sein wie letztes Jahr über die White Stripes – in vielerlei Hinsicht die Band des Jahres 2004. Vom Mirakel ihrer Musik bis hin zum souveränen, den halbtoten Glauben an das Gute im Musikbiz nährenden Coup, als ihrem Label Domino loyale Indie-Band mit fliegenden Fahnen zu weltweitem Erfolg zu reiten. Und wenn es stimmt, dass es das Größte, was eine Band leisten kann, ist, in ihren Hörern den Wunsch zu wecken, selbst zu Gitarre, Mundharmonika, Sequencer etc. zu greifen, dann kann man sich für die nächsten Jahre aus dem popmusikalisch ohnehin prosperierenden Glasgow auf einiges gefasst machen. Neben zwei regulären Konzerten spielten Franz Ferdinand in ihrer (Wahl-) Heimatstadt Mitte Oktober nämlich auch eine Nachmittags-Show exklusiv für ihre Fans unter 18. Und die stieß nicht nur bei den Teenagern, sondern auch bei den zahlreichen anwesenden Kindern – vielleicht das kritischste, weil von Coolness-Dünkel unbeleckte Publikum, dem man sich aussetzen kann – auf lautstarke Begeisterung. „Das Jubelgeschrei war schon in einem deutlich höherem Register als sonst“, erinnert sich Franz-Gitarrist/Keyboarder Nick McCarthy. „Bekannte hatten uns immer wieder Sachen gesagt wie, ,hey, mein kleiner Bruder findet euch auch total super‘, und dann hieß es irgendwie, dass Madness das früher mal gemacht haben, eine Show für Minderjährige. Und daher kam die Idee.“
Es ist Montag, der 25. Oktober. Wir sind nach Manchester geflogen und Franz Ferdinands Tourmanager Glen Thomson (nicht verwandt oder verschwägert mit Franz-Drummer Paul Thomson) hat uns durch die Hintertür des Appollo Theaters, in dem die Band heute und morgen zwei triumphale ausverkaufte Konzerte spielen wird, die Treppe hoch ins Produktionsbüro geleitet, wo Nick McCarthy gerade über sein iBook gebeugt im Netz surft. ,Ah, hallo!“, strahlt er uns entgegen. „Ihr seid die aus München, oder? „Die teutonische Vergangenheit von Nicolas McCarthy, 28, ist ja nun lange keine Neuigkeit mehr und wir sind ja alles abgeklärte Profis etc., trotzdem sei es einem Landei aus dem Chiemgau bitteschön zugestanden, es einigermaßen far out zu finden, wenn einen der zweite Frontmann der glamourösen britischen Sensationsband des Jahres auf Deutsch ohne englischen, dafür mit leichtem bayerischen Akzent begrüßt. Als er zwei Jahre alt war, zog Nick McCarthys Familie vom nordenglischen Blackpool nach Bayern. Aufgewachsen im Münchener Vorort Ottobrunn und dann im Städtchen Bad Aibling bei Rosenheim, studierte er Bass am Konservatorium in München, bevor es ihn 2001 ins Vereinte Königreich zog, „um mal zu sehen, wo ich herkomme“, wie er erklärt. „Und mal gescheit Englisch zu lernen.“
Er entschied sich für einen Aufenthalt – ein fester Umzug war nicht geplant – in Glasgow, wo er erstmal sein blaues Wunder in Sachen „Puls der Großstadt“ erlebte: „In München dachte ich, ich bin der Böse“, lacht McCarthy, „aber dann da drüben? Was für ein Milchbubi! „Drei Jahre nach seinem Umzug in die schottische Industriestadt schwingt immer noch Respekt in McCarthys Stimme, wenn er davon erzählt, „wie krass “ es dort abgeht. Auch gibt er zu, sich weiterhin etwas fremd in der britischen Alltagskultur zu fühlen, in der er nunmal nicht sozialisiert ist. „Die reden da halt zum Beispiel die ganze Zeit über Fernsehsendungen, die ich nicht kenne. „Mit dem ominösen Terry Wogan aus „Matinee“ konnte er zunächst genauso wenig anfangen wie der gemeine nicht-britische Franz-Hörer. Ein klitzklein wenig Wehmut glaubt man unter den von fröhlichem Lachen begleiteten Ausführungen Mc-Carthys zu hören, der gerade dabei ist, im Netz Flüge für seine in München lebende Schwester zu buchen, die er bei der Europatour im November für ein paar Tage in die Entourage einladen möchte. Ewig werde er nicht in Glasgow bleiben, sagt er, das könne er sich nicht vorstellen.
Auf dem weißen Vorhang vor der Bühne im jetzt am Spätnachmittag noch gähnend leeren Apollo Theatre prangt das grobkörnige Foto eines schnurrbärtigen Mannes mit stechendem Blick. „Das ist Gavrilo Princip, der Mann, der1914 Erzherzog Franz Ferdinand erschossen hat“, erklärt Alex Kapranos, 29, leichtmatrosiges Ringel-Longsleeve, leuchtende Augen und heiser-sonore Stimme im Kontrast zum Bubengesicht, über das alle naslang ein gewinnend breites Lächeln huscht. Jetzt ist auch Paul Thomson, 27, herangeschlurft, der einzige gebürtige Schotte in der Band, was dem ausländischen Gesprächspartner bald schmerzlich in Erinnerung gerufen wird, als ein Gutteil der trockenen Spaße des lustigsten Franz schnöde an der Akzentbarriere zerschellen. Thomson trägt einen nicht mehr ganz blütenweißen Trainingsanzug mit goldenem Adidas- Aufdruck, in dem er aussieht wie eine Mischung aus Kindergarten-Django und Feierabend-Pimp und an dem er kurz etwas sorgenvoll hinunterblickt, als er hört, dass jetzt gleich Fotos gemacht werden sollen – sich dann aber locker macht und lieber noch etwas mit seiner Frau – er hat im April geheiratet – turtelt, anstatt sich noch eilig in Schale zu werfen. Und da ist Bob Hardy, mit 24 der Jüngste und – in schöner Übereinstimmung mit dem Bassisten-Klischee – der Schweigsamste und (zumindest äußerlich) Unglamouröseste in der Band.
Soundchecks sind eine seltsame Angelegenheit für Außenstehende. Man kapiert nicht recht die kryptischen Kommandos, die sich Musiker und unsichtbar aus irgendwelchen Ecken und Lautsprechern quäkende Soundleute zuwerfen, und wenn dann mal Musik gespielt wird und man als der Außenstehende etwas in Wallung kommt, brechen sie im nächsten Moment ab und die Musik verhallt kalt im leeren Saal und irgendwoher quäkt einer und ein Typ im Overall latscht über die Bühne. Bei Soundchecks sieht man die mystische Magierin Rock’n’Roll in Lockenwicklern und Schlabberleggins. Und das ist vielleicht auch mal ganz interessant, aber aus gutem Grund nicht das, worum’s geht. In letzter Zeit nutzen Franz Ferdinand ihre Soundchecks öfters, um Zwischenstadien der neuen Songs, an denen sie on the road arbeiten, aufzunehmen. Heute ist nur Zeit für einen halbinstrumentalen Durchlauf von „Your Diary“, eines von vier neuen Stücken, die bereits fertig sind und abwechselnd in die Sets der laufenden Tour eingestreut werden. Und noch ein kleiner Höhepunkt: Der Moment, in dem das Princip-Transparent fällt und die dahinter lauernden Kapranos, McCarthy und Hardy zum loskickenden Riff von „Michael“ an den Bühnenrand ausschwärmen, hat auch in der Trockendock-Version was für sich. Die Uhr tickt dem Auftritt entgegen. Über 200 werden es nach Schätzung von Nick McCarthy letztlich allein 2004 gewesen sein.
Seit letzten Herbst seid ihr so gut wie ununterbrochen auf Interview- und Konzerttour gewesen.
Alex: Na, wir hatten eine Woche frei, an Weihnachten.
Bob: (zu Paul) Und bei deiner Hochzeit. PAUL: Wir haben bei der Hochzeit auch Interviews gegeben. Am Telefon.
Alex: Die Tochter des Vikars war ein großer Fan, haha! Okay, bei der Hochzeit hatten wir auch frei.
Paul: Im Januar hab ich so einen Zeitplan angeschaut und dachte, „Promo-Tag“, na, das kann ja so schwierig nicht sein‘. (Gelächter) Nach dem ersten 12-Stunden-Tag in Berlin hatte ich dann eine klarere Vorstellung.
Alex: Wir hatten an die neun Stunden Interviews gegeben, ohne Pause, nichts gegessen. Und dieser Typ kommt rein, nachdem wir 30 Interviews gemacht hatten und wirklich so am Durchdrehen waren, setzt sich hin und sagt (coole Dude-Stimme) „So. Rock’n‘ Roll. What’s it all aboutthen?“ (schallendes Gelächter) Und wir so „AAAARGH!! Ich WEISS es nicht!!!“
Paul: Ich bin aus dem Fenster gesprungen.
Alex: Oder dieses „Which one of you’s Franz?“ Das waren mehr die Amerikaner. „Dear Mr. Ferdinand“!.
Paul: Dieser eine da in Dallas, (mit extrem aggressiver, nervtötender Akzentstimme): „So! You guys! You don’t allow groupies backstage! What’s with that?“
Alex: Haha! „What’s with that!“ Der beste war so ein Typ in Texas. Wir kommen da rein und er stellt uns allen – mir, Nick, Bob – einigermaßen tiefsinnige Fragen. Und dann dreht er sich zum Paul hin und so: „Also. Paul. Du spielst Schlagzeug. What’s with that?“
Paul: Steve von den Super Furry Animals hat mir von einem US -Interview erzählt. Die erste Frage von dem Typ war: „Also. Wales ist eine Insel. What’s with that?“
Der mit kitschiger Fake-Eiche vertäfelte und mit roten Ledersesseln ausstaffierte Dressing Room von Franz Ferdinand dröhnt vor Gelächter. Hier im zweiten Stock im Backstage-Irrgarten des Apollo haben sie sich für die zwei Tage in Manchester ihren mobilen Proberaum eingerichtet, den sie an jeder Konzertstation aufschlagen, um „manchmal sechs Stunden am Tag, manchmal nur eine halbe“ an den etwa 14 neuen Songs zu feilen, die laut Alex Kapranos „im Stadium des Arrangiertwerdens schweben“. „Einen Song zu schreiben dauert ja nicht lang“, informiert er, „das Schwierige ist das Arrangieren.“ Heute werden aber nur noch die Stühle arrangiert, auf denen sich die vier zum Interview um das Mikrofon fläzen. Die Stimmung ist gelöst. Dafür, dass sie in den letzten 12 Monaten eine Woche frei hatten, sehen sie sehr frisch aus. Wie die von der Biz-Maschine zombifizierten Hype-Opfer, die man in der letzten Zeit immer mal besichtigen konnte, wirken sie nicht.
Alex: Wir gehen halt nicht mit dieser Job-Haltung an die Sache ran. Es gibt Bands, die sehen das verbissen, so „wir müssen Amerika erobern!“ Wir haben uns gesagt, „oh, wir dürfen nach Amerika. Ein kleiner Urlaub, ein paar Konzerte spielen. „Und es macht Spaß.
Der größte Spaß kann in stressige Routine ausarten.
Paul: Man muss sich darüber klar werden, dass man ja die Kontrolle hat. Es ist schließlich unsere Band.
Wann wurde euch das klar?
Alex: Bevor wir überhaupt in der Band waren. Wir sind ja alle recht starke Persönlichkeiten. Und wenn uns jemand verarscht, dann sagen wir ihm, dass er uns verarscht. Ich glaube, viele Bands werden ausgelaugt von Plattenlabels, die nicht an ihrer Musik interessiert sind, sondern am Geldverdienen. Wir haben von Anfang an sichergestellt, dass wir mit einem Label arbeiten, das wir respektieren und das uns respektiert. Wir hatten damals Angebote, auch von größeren Labels. Wir hätten viel mehr Geld haben können.- Aber man muss nicht besonders schlau sein um zu kapieren, dass man sich so letztlich verkauft. Man unterschreibt keinen Plattenvertrag um einen Vorschuss zu bekommen. Man unterschreibt einen Platten vertrag, um mit Leuten zu arbeiten, die einem ermöglichen, das zu tun, was man machen will.
Ist das der Vorteil, wenn man nicht mehr 22 ist?
Alex: J3. Wenn ich 17 wäre und das machen würde… ich denke mir, das mit dem Geld wäre nicht das Ding, aber ich weiß, dass ich mich umbringen würde, weil ich mir alle Drogen und Drinks im Umkreis reinziehen und mich wohl zu Tode ficken … (überlegt gespielt) Wobei das ganz interessant sein könnte …
In den USA habt ihr aber bei Epic/Sony unterschrieben.
Alex: Nein. Nicht direkt. Wenn sie einen gewissen Popularitätsstatus erreicht haben, machen viele Bands den Fehler, auf die Indies zu scheißen, die sie aufgebaut haben. Und sagen: So, jetzt wandert alles rüber zum Major. Uns ist die Wichtigkeit von einem Label wie Epic klar und sie sind gut für uns in den Staaten. Aber wir haben gesagt: Wir sind bei Domino unter Vertrag. Wenn ihr mit uns und Domino zusammenarbeiten wollt: super. Epic waren einverstanden und gehen jetzt gut damit um. Es ist ja ein recht radikaler Approach für sie, bei einem Indie-Label um Erlaubnis fragen zu müssen, wenn sie etwas machen wollen.
Alex Kapranos hat ein wenig Erfahrung im Umspringen mit Plattenfinnen, er hat ein paar Jahre im Geschäft hinter sich – und auch seinen 22-jähriger-Grünschnabel-Fehler schon gemacht. 1997 erschien auf dem ansonsten fast komplett mit Metal-Acts bestückten Label Roadrunner das Album Divorce at high noon einer Glasgower Band von Anzüge tragenden Nachwuchs-Popdandys namens The Karelia. Ihr Sänger: Ein gewisser Alex Huntley, der wenig später den Mädchennamen seiner Mutter als Nachnamen ablegen und den Namen seines griechischen Vaters Kapranos annehmen sollte. „Es war genau die eben erwähnte Situation: Ich war jung und ah das erste Label ankam und sagte, Hey, wir würden gern eure Musik rausbringen‘, flippten wir aus:, Ein Plattenvertrag!'“, erinnert sich Kapranos an die zum Scheitern verurteilte Allianz. „Dabei hatten die null Ahnung, was sie mit uns anfangen sollten. „Diesen Sommer wurde Divorce von Roadrunner wiederveröffentlicht, wofür Kapranos nicht eben warme Worte findet. „Mal abgesehen vom deutschen Büro (ich soll schöne Grüße an Andreas und Michael ausrichten; Anm. d. Verf.) hat das Label damals keinerlei Anstrengungen unternommen, die Platte zu promoten. Und jetzt wollen sie ihren schnellen Reibach damit machen. Ich finde das unaussprechlich heuchlerisch und verabscheuungswürdig.“
Risiko des Ruhms, wie es bei Schamoni heißt. Zählen Franz Ferdinand dazu auch eine mit der flächendeckenden Berichterstattung einhergehende Reduzierung ihrer Personen auf Stereotype, wie sie in der Presse wieder und wieder nachgebetet werden?
Alex: Ach, das ist schon okay. Es muss eben oft was verknappt werden. Die Leute wertschätzen unsere Musik ja auch auf verschiedene Weise. Manche hören Franz Ferdinand ganz simpel auf dem Level (singt das „Take Me Out“-Riff) „nana-nanana! Ah, nettes Riff!“, aber interessieren sich absolut nicht für die Band selbst. Und dann gibt’s Leute, die wollen jedes Detail wissen, über jeden Text, wo Nick zur Schule ging und aus welcher Hinternbacke sich Paul das Fett hat rausschneiden lassen. Solche Details, (kurze Stille) Paul: (grinsend zu den anderen) Jetzt denkt er gerade „Wie bitte?“ (Gelächter bricht los)
Nein, nein, ich hab das schon auch gelesen! Ha!
(Anfang des Jahres kursierte die legendäre -und wahre – Geschichte, dass Thomson in finanziell klammen prä-Franz-Tagen zur Geldbeschaffung recht lukrativ ein paar Gramm körpereigenen Fettes, entnommen der Heckpartie, an die Wissenschaft verkaufte)
Paul: Ich hab dafür eine Seite in der „Sun“ gekriegt!
Nick: Jaja, er ist unser Tabloid-Boy!
Wie lautete die Schlagzeile?
Paul: „I Sold My Bum Fat For 250 Pounds! Haha!
Bob: So funktionieren diese Zeitungen: Die machen eine ganze Story aus einem einzigen Zitat.
Alex: Ich habe ganz leichtes Asthma. Bei einem Gig in Glasgow kramte ich zwischen zwei Songs in meinen Taschen, weil ich sie ausleeren wollte, und hatte meinen Inhalator in der Hand. Da nahm ich eben schnell einen Zug daraus und legte ihn weg. Die Schlagzeile am nächsten Tag: „Alex Kapranos In Asthma Scare!“
Ein noch bizarreres Beispiel für die seltsamen Folgen der Prominenz hat Nick McCarthy anzuführen. Nicks zwei Jahre älterer Bruder Matthew, der in Bayern lebt und auf den Nick große Stücke hält „er hat mir alles beigebracht; Gitarrespielen, wie man Songs schreibt …“ hat berichtet, in letzter Zeit kämen zu den Konzerten seiner Band Bambi Dexter mehr und mehr Leute, die ihn sehen wollten, weil er der Bruder von Nick von Franz Ferdinand ist. Bei Franz‘ grandiosem München-Konzert im Frühjahr bestritten Bambi Dexter das Vorprogramm. Man könnte sich diese Situation etwas unbehaglich ausmalen. Eifersüchteleien sind den Gebrüdern McCarthy da fremd?
Nick: Nein, keine Eifersucht. Aber es war schon etwas seltsam. Ich war mir nicht ganz sicher, ob er es würde machen wollen, weil ich dachte, es ist vielleicht etwas komisch für ihn. Aber es war okay für ihn. Er findet das ja alles lustig. Er ist ja sehr lustig.
Alex: Ja, die München-Show war toll. Ein bisschen heftig intensiv für dich, glaub ich, oder?
Nick: Ja. Weil ich im Publikum nur bekannte Gesichter sah. Da waren Leute, die ich ewig nicht gesehen hatte. Mit denen ich im Kindergarten war oder so.
Ein wenig Genugtuung war aber doch wohl auch dabei?
Nick: Ja, doch! Das war schon da, dieses Klischee. So, „triumphale Rückkehr“. Das ist ja klar. Aber ich wollte mich da auch nicht so völlig mitreißen lassen.
Zu bescheiden, Mr. McCarthy. Eine knappe Stunde nach dem Interview bietet sich jetzt einmal mehr Gelegenheit zum Mitreißenlassen. Die Support-Acts Bob Log 111 und The Kills haben ihre Schuldigkeit getan, um punkt 21.35 nehmen Kapranos, McCarthy und Hardy Aufstellung vor Thomsons minimalistischem Drumkit. Als Gavrilo Princip jetzt zu den ersten Akkorden von „Michael“ zu Boden flattert, gähnt , dahinter keine leere Halle mehr, sondern kreischt es im Parkett und vom Balkon des Apollo Theatre aus 4.000 Kehlen. Eine ziemlich umwerfende Kulisse, der die drei Gitarrenträger mit dem Selbstbewusstsein einer Band at the top of their game entgegenschreiten. Spätestens bei „Take Me Out“ hat das Kreischen boygroupeske Lautstärke erreicht. Und immer noch ein Hit schlägt ein im hüpfenden Rund und immer noch einmal tänzelt Nick McCarthy, zackig die Gitarre herumreißend, an den Bühnenrand, spreizt Alex Kapranos die supersharp engbehosten Beine zum Ausfallschritt. Und am Schluss kreuzen sie die Gitarrenhälse, wo doch jeder Ghostbuster weiß, dass das „schlecht“ ist. Franz Ferdinand können in diesen Tagen nichts falsch machen. Und momentan fällt die Vorstellung schwer, dass es je dazu kommen könnte. Dafür wirken sie einfach zu souverän. Ja, ich weiß. Wir sind reif für den Backlash „, hat Paul Thomson vorhin gewitzelt, „warte nur, bis das beschissene zweite Album kommt!“ In Franz Ferdinands erstem Interview mit dem MUSIKEXPRESS im Frühjahr hat Alex Kapranos die damalige Situation der Band mit dem Moment auf dem Sprungbrett kurz vor dem Sprung verglichen. Das sei das beste Gefühl überhaupt, besser als der Flug und das Eintauchen selbst. Vorhin hat er ein Update dieses Bildes geliefert: „Wir tauchen gerade auf, holen Luft. Und wollen wieder rauf und nochmal springen! Wir sind gerade dabei, die Treppe wieder raufzulaufen.“
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