Instrumentenkunde Vox AC 30
Die Technik: Ist es vorstellbar, dass heutige Autokäufer eine gute Stange Geld hinlegen, um einen fabrikneuen VW Käfer, Modelljahrig6o, zu erwerben? Das Ding hat weder Airbags noch ABS, fährt maximal 115 und die Heizung funktioniert nur im Sommer. Schwer vorstellbar. Andererseits gibt es Gitarristen, die eine Stange Geld für einen fabrikneuen Vox AC 30 hinlegen, Modelljahr i960. Ohne digitale Presets, 30 Watt schwach, aber dank Röhren betrieb auch im Winter schön warm. Warum sie das tun? Weil der Vox AC 30 der klassische Britrock-Verstärkerist, einzigartig klingt und cool aussieht. Weil er einfach aufgebaut ist: Das Gitarrensignal flutscht unbehindert von der Eingangsbuchse zum Lautsprecher, auf eine bei moderneren Verstärkern übliche Gegenkopplung wird verzichtet. Das erhöht den Klirrfaktor, also die Neigung zum Verzerren, und sorgt für einen Frequenzverlauf wie ein Alpenpanorama: manche Frequenzen werden stärker, manche schwächer übertragen. Für HiFi-Freaks eine der sieben Todsünden, für Rockgitarristen eine Offenbarung. DerAC30 rockt. Die Mitten kommen kraftvoll, und für 30 Watt macht die Kiste mit dem Rautenmuster-Bespannstoff jede Menge Krach. Generell gilt: Je mehr man den Lautstärkeregler aufreißt, desto stärker ist die harmonische Verzerrung des AC 30. Hei 15t: Laut klingt er am fettesten. Über die Jahre stand ig weiterentwickelt, hat sich am grundsätzlichen Layout wenig geändert. Vox bietet den AC 30 noch heute in verschiedenen Varianten an, vom Mittelklasse-Arbeitspferd bis zur handverloteten Edelröhre für den etwas dickeren Geldbeutel.
Die Geschichte: Der Londoner Thomas Walter Jennings importierte in den 50erJahren Instrumente nach England, vor allem Akkordeons. Eine selbstkonstruierte Elektro-Orgel, die Univox, hatte er ebenfalls im Programm. Da die elektrische Gitarre dank Rock’n’Roll-Mania schwer im Kommen war. ließ ervon seinem Kompagnon Dick Denney 1958 einen Gitarren-Amp entwerfen: den AC 15. Die Konkurrenz aus den USA baute allerdings schon stärkere Geräte, weshalb Jennings und Denney Ende 1958 nachlegten: Der AC 30 wurde vorgestellt, und mit zwei Zwölfzoll-Lautsprechern und 30 Watt Leistung war er den da mal igen Anforderungen absolut gewachsen. Als Ende der 60er Marshall, Hiwatt und andere Hersteller mit Leistungen bis zu 200 Watt das Wettrüsten eröffneten, geriet der AC30 ins Hintertreffen -im Studio gefragt, für die Stadionbühne zu leise. Mehrere Besitzerwechsel sorgten bei Vox für Unruhe, und spätestens in den 7oern galt der AC 30 als Museumsstück. Gebraucht recht billig zu haben, war er der klassische Semiprofi-Amp. Erst die Retro-Mode der späten 80er machte den AC 30 wieder salonfähig, für patriotische Britrocker gab es in den 90ern keine Alternative zum Brüllwürfel aus Kent. Heute genießt der AC 30 absoluten Kultstatus: eine Technik-Ikone der Rockkultur.
Die Anwender: Dass Hank Marvin von den Shadowsden Instrumental-Hit „Apache“ i960 auf einem AC 30 einspielte, brachte Vox Reputation ein, doch als kurz darauf auch die Beatles auf Vox umstiegen, brach die Hölle los. Halb Amerika wollte den „Fab 30“. Nahezu alle britischen Beat-Invasoren spielten nämlich den AC 30, von den Animals bis zu den Rolling Stones. In den gigantomanischen 7oern sorgten dann Status Quo und Brian May von Queen für Aufsehen, weil sie auf der Bühne gern malein Dutzend AC 30 übereinander stapelten-und damit der überschaubaren Leistung von „nur“ 30 Watt pro Einheit beherzt entgegentraten. Oasis schätzten in den 9oern Vox‘ Retro-Flair, die Babyshambles schwören noch heute auf den AC 30. Zudem: Jedes Studio, das was auf sich hält, hat einen AC 30 in Reserve. Falls der Gitarrist mit dem komplizierten Digital-Teil nicht zu rande kommt. Oder falls man einfach einen tollen Gitarrensound braucht. >» www.voxamps.co.uk