Ins Kraut geschossen


Seit gut zehn Jahren haben die Chemical Brothers Tom Rowlands und Ed Simons die britischen Tanz- hallen fest im Griff. Beim Blind Date sind sie aller- dings nicht ganz so souverän, vorgespielt von hanspeterkünzler

Can Spoon

ED SIMONS (guckt sich verwirrt auf die Schuhe): Ich soll wissen, was das ist? Die Chocolate Watch Band jedenfalls nicht, oder? TOM ROWLANDS: Nöö, das ist doch Krautrock. (Beide hören mit gerunzelter Stirn zu) ED: Aha, Can. TOM: Netter Groove. (Gesang setzt ein, Tom stöhnt) Aber diese Vocals! Damit hatte ich schon immer ein Problem. Ich habe zuhause EGE Bamyasi, die Musik ist toll und alles, aber die Tendenz zum Schreien ist wirklich nicht mein Ding. (Hört wieder gespannt hin) Ja, da steckt Druck in der Musik, jetzt, wo der nicht mehr singt!

Faust Baby

TOM: (grinst) Die Gitarre aus dem linken Lautsprecher gefällt mir besser als die Gitarre aus dem rechten Lautsprecher. (Das Stück bricht plötzlich in Chaos pur aus, ehe eine Blödelstimme ins Spiel kommt). Hahaha! ED: (mit schmerzvoll verzerrtem Gesicht) Sowas ist wirklich nichts für mich. TOM: Vom Sound her ist das eigentlich ganz interessant, aber… wer ist das?

Faust. Nicht eure Wellenlänge?

TOM: Faust! Ich hab daheim eine Faust-CD, dasind lauter Flöten und solches Zeug drauf. (Der Song mündet in eine Lärmorgie mit Küchenutensilien. Nun verzieht auch Tom das Gesicht). Die einzelnen Klänge sind durchaus interessant. Ich mag das manchmal ja auch, abstrahierte Sounds. Aber ich würde es vorziehen, wenn sie auf eine Art und Weise arrangiert sind, dass sie mir etwas zu sagen haben.

AmonDuuMI Henriette Krötenschwanz

TOM: Ist das Diamanda Galas? Nein? Welches Jahr schreiben wir denn?

»969.

TOM: Da komm‘ ich nie drauf. Was ist das?

Amon Duul II, das erste Album.

TOM: (säuerlich) Phallus Del Drolliger Titel.

Stereolab und ein paar andere Bands haben vor einiger Zeit oft von Amon Düül gesprochen, aber die meinten die ersten Düüls, die mit den endlosen Bongosolos. Dabei waren Amon Düül 2 ungleich besser. Hatten sogar richtige Songs.

ED: Ist aber ’ne knappe Entscheidung! TOM: Freak-Out Requiem – mein Gott, nein!

Suicide Ghost Rider

tom: (sofort) Suicide!

Haben euch Suicide etwas bedeutet?

ED: Dieses Stück mag ich. Das habe ich bislang nicht gekannt. (Er wackelt begeistert mit dem Kopf) Was waren die ersten Platten, die ihr euch gekauft habt?

TOM: Nicht Suicide, soviel steht fest! Irgendwas von Madness wahrscheinlich. Aber dieses Stück finde ich klasse. Da steckt eine richtige Rock’n’Roll-Energie drin. Und Gefühl. Ich mag elektronische Sounds, die klingen, als ob die Maschine kaputt wäre.

Captain Beefheart Nowadays A Woman’s Gotta Hit A Man TOM: (etwasgelangweilt) Southern Rock.

Leider nein.

TOM: Klingtaberso. ed: Bo Diddley? Ray Charles? TOM: Es klingt wie Jon Spencer. Jemand, der einen alten Stil nimmt und was Neues draus macht.

Das trifft die Sache schon besser.

ED:TheCramps?

TOM: Ach, ich hab’s, Dr. John!

ED: Allen Toussaint?

TOM: In welchem Land sind wir denn?

Amerika.

ED: The Meters!

Westküste.

TOM: (ganz aufgeregt) Jaja, das ist doch der Typ mit dem Song über das blaue Kleid – Mitch Ryder.

Captain Beefheart.

tom: Aha. Einer von denen, wo dir alle sagen wie toll er sei. Mir hat er nie was bedeutet.

ED: Das Stück war gut. Das hat mir gefallen.

TOM: Der eine Typ von Underworld kommt ständig mit Beefheart daher.

Trotzdem spare ich ihn mir auf, bis ich ein bisschen älter bin. Genauso wie klassische Musik. Und Jazz.

Redman Cosmic Slop

TOM: (wippt mitdemFuss) Klingt wie eine DJ-Monk-Produktion. Wie Cypress Hill, ist’s aber nicht. Bist du sicher, dass nicht DJ Monk produziert hat? Funkdubious?

Redman. Der heißt bürgerlich Reggie Noble.

TOM: Wirklich? Bevor er etwas rauer wurde. ED: Mann, das war aber ein echtes Rätsel.

So Solid Crew What Could U Do

ED: Schon wieder eine harte Nuss. (schautgen Himmel) Es gibt so viel Musik auf der Welt. (Stifte).

Die CD hat den größten Teil des letzten Jahres in den britischen Charts verbracht.

ED: Ah, das ist So Solid Crew. Das ist gut. Da steckt Geist drin, Feeling. Nicht, dass mir alles gefiele, was die machen, aber das würde ich ihnen natürlich nie ins Gesicht sagen. TOM: „They Don’t Know“ ist ein starker Track. (Geht zum Play er und sucht ihn). Schade. Hier ist eine andere Version drauf als die, die ich kenne.

Prodigy Diesel Power

ED: (sofort) Prodigy. „Diesel Power .

versteht ihr euch als geistesverwandt?

tom: Nein. Wir kommen aus einer ganz anderen Richtung. Sie waren eine Rave-Band, und ihre frühen Platten warem ziemlich, nun ja, käsig. „Out Of Space“, „Charley“ und so. Das war die Sorte Musik, die meinem kleinen Cousin gefiel. Wir fanden es ziemlich lustig, als dann ausgerechnet wir gefragt wurden, ob wir einen Prodigy-Remix machen wollten. Dann aber, so 1994/95, kamen wir uns näher. Liam Howlett ist ein toller Produzent, ein interessanter Typ. Er hat mir mal gesagt, dass er von unseren Platten gelernt habe, dass man auch mit langsameren Tempi Druck machen könne. Stücke wie „Diesel Power“ sind das Resultat.

Etwa zu der Zeit seid ihr dafür schneller geworden.

tom : Naja, besonders schnell war’s immer noch nicht. Wir sind nie über 120 hinaus, House-Tempo. Prodigy kamen vom Hardcore her, das war im Kern super-beschleunigter HipHop.

Underworld Mmm Skyscraper I Love You (beide, nach einer halben Sekunde) Underworld, erstes Album, „Skyscraper“!

tom: Die kennen wir gut! Waren viel mit ihnen unterwegs. Tourneen, Festivals. Interessante Leute. Wir mögen sie. ed : Sehr gutes Stück. Sehr gute Band.

Add N to IX) Take Me To Your Leader tom: Hahaha! (diebeiden hören längere Zeit zu, langsam verfinstern sich ihre Mienen) ED: The Smurfs?

Das ist nun aber ziemlich gemein.

ED: Ladytron?

TOM: Klingt wie die Revolting Cocks.

Gefällt mir nicht. Gefällt mir ganz und gar nicht.

ED: Aber The Smurfs war vielleicht doch etwas hart.

Fläming Lips Waitin For A Superman

TOM: (sofort) Die Fläming Lips, „Superman‘. Mein Lieblingsstück auf der CD ist „The Spark That Bled“. (schaltet CD Player um). Der Mittelteil, wo er singt „/ stoodup andsaidyeah, yeah, yeah!“. Hier, jetzt kommt es… Klingt das nicht großartig positiv?

FourTetSlowJam

TOM: (sofort) Oh nein, nicht FourTet! Dieses Stück ist das einzige gute auf der CD. Ich mag Musik, in der eine Aussage steckt, ein bisschen Soul. Hier – das sind zwar hübsche Sounds und interessante Rhythmen, aber letztlich lässt mich das völlig kalt. Es klingt wie Exerzitien, ohne jedes Herz. In diesem letzten Song steckt endlich eine gewisse Leidenschaft. Da ärgerst du dich dann doppelt, weil du die Zeit verschwendet hast, zuerst den ganzen Rest gehört zu haben.

Spring Heel Jack mit Evan Parker, Matthew Shipp, Kenny Wheeler Obscured TOM: Guter Start! ED: Wow, super! Es klingt eigenartig, aber darunter liegt dieser Groove, an dem man sich festhalten kann. TOM: (klaut die CD -Box) Spring Heel Jack! Wir haben früher ein Studio mit John Coxon geteilt. ed: Tolle Musik! TOM: Coxon ist ein interessanter Mensch. Wir haben uns bei ihm viele kuriose Instrumente ausgeliehen. Und er hat uns dann lang und breit seine Meinung dargelegt. Er ist auch auf den Spiritualized-Alben drauf, die wir mögen. ED: Tolle Musik. Das Beste, was du uns vorgespielt hast! Vielen Dank für den vergnüglichen Schlusspunkt. Außerdem weiß ich jetzt endlich, dass ich gut ohne AmonDüül II leben kann. —