Im Wechselbad der Gefühle: Liso Germono
Zwei Jahre lang jobbte Lisa Germano als Geigerin in der Hausband eines kleinen Country-Clubs außerhalb ihrer Heimatstadt Bloomington, Indiana. Zweimal pro Woche stand sie im vorgeschriebenen Kostüm — gepunktetes Kleidchen und Cowboystiefel — auf der Bühne der „Little Nashville Opry“
und spielte Musik, die mit ihrer klassischen Violinen-Ausbildung rein gar nichts zu tun hatte. „Ich war unglücklich“, erzählt sie. „In der Zeit begann ich zu trinken. Ich liebte die Musik, aber ich machte nicht das, was ich wollte.“ Dann betrat Schlagzeuger Kenny Aronoff die Bildfläche. „Er hat mich wieder zum Leben erweckt“, erinnert sie sich. „Er mußte auch blöde Kostüme tragen, aber er hatte Sinn für Humor. Wir verstanden uns prächtig, und er inspirierte mich, so daß ich wieder ernsthaft anfing, Geige zu üben.“ Sechs Monate später rief er sie an: „Mein neuer Boß braucht eine Geige, komm doch mal ins Studio. “ Lisa Germano erschien nach der Arbeit, noch in ihrem Western-Outfit. Und lernte John Mellencamp kennen. Über acht Jahre gehörte sie fortan zu seiner Band. Auch mit Bob Seger, Billy Joel und den Simple Minds ging sie auf Tour. Doch schließlich kam für sie der richtige Zeitpunkt, erstmals selbst zu komponieren und zu singen, ihr Debüt „On The Way Down From The Moon
Palace“ erschien 1991. Für ihr neues Album „Happiness“ unterschrieb sie sogar bei einer Major-Company, doch die Zusammenarbeit verlief unglücklich. So nahm sie dankbar das Angebot des englischen 4AD-Labels an, „Happiness“ in Europa herauszubringen. Im Stall von Labelchef Ivo Watts-Russell ist sie neben ähnlich eigenwilligen Künstlern wie Kristin Hersh und Unrest bestens aufgehoben. Germanos Songs sind mal düster, mal verspielt. „Bad Attitüde“ hat deutliche Anklänge an die Byrds, Countryund Cajun-Einflüsse sind hörbar („The Dresses Song“). Doch ihr Selbstvertrauen ist noch immer nicht stabil: „Meine Stimme ist so niedlich, ich habe sie immer gehaßt“, klagt sie. Dafür gibt es keinen Grund, sie klingt reizvoll dunkel und trotzdem mädchenhaft.
Stören Lisa Germano denn Attribute wie Verwundbarkeit und Zerbrechlichkeit, mit denen Solokünstlerinnen oft belegt werden?
„Ich halte John Lennon und Neil Young für die besten Songschreiber der Welt, und beide sind total verwundbar“, stellt sie klar. „Ich habe nunmal eine zerbrechliche Stimme und eine feminine Seite. Aber ich habe auch eine maskuline Seite, sonst wäre ich nicht im Musikgeschäft.“