Hüte zu Discokugeln: Wie Ruslan Baginskiy sowohl Rihanna als auch die Queen beindruckt(e)
Ein Designer aus der Ukraine ist der neue Star im Genre der Club-Accessoires. Die aktuelle Stil-Kolumne von Jan Kedves.
Wann kann man schon mal genüsslich das Alphabet der Kopfbedeckungen durchbuchstabieren, von A wie Ascot-Hut bis Z wie Zylinder? Allein mit B ließe sich diese Kolumne füllen: Bakerboy-Mütze, Balaklava, Barett, Basecap, Beanie, Borsalino und so weiter. Kopfedeckungen können ein tolles Accessoire sein, und noch toller ist, wenn Hüte eine politische Dimension bekommen. So wie bei Ruslan Baginskiy, dem jüngsten Star in der Riege der Fashion-Hutmacher:innen. Der ukrainische Designer hat kürzlich den Modepreis ANDAM gewonnen, der in Paris von der „L’Association nationale pour le développement des arts de la mode“ vergeben wird. In der Kategorie „Accessoires“ ist er mit 100 000 Euro dotiert.
Echte pièces de résistance!
Rihanna ist Fan. Queen Elizabeth II bekam kurz vor ihrem Tod noch einen Baginskiy-Hut geschenkt. Und Beyoncé hat sich von dem Designer für ihre „Renaissance“-Tour diese riesigen spektakulären Spiegelhüte entwerfen lassen. Eigentlich war der ikonischste Hut Moment im Pop ja bislang, wie Grace Jones ihr Cover von Roxy Musics „Love Is The Drug“ live singt, während giftgrüne Laserstrahlen sich in ihrem rundum mit Swarovski-Kristallen gespickten Discokugel-Bowlerhut von Philip Treacy brechen. Jetzt wird man auf ewig nicht aus dem Gedächtnis kriegen, wie Beyoncé mit ihrer fiercen silbernen Tänzerinnen-Formation polierte Spiegelkrempen aus der Ukraine wippen und blitzen lässt. Es könnten fast Kreissägeblätter sein, wenn sie am Rand Zacken hätten. Echte pièces de résistance!
In diesem Jahr, in dem der Krieg Russlands gegen die Ukraine scheinbar einfach weiter und weitergeht, ist es schön, wenn aus dem Land auch solche Nachrichten kommen. „Die Beteiligung der Ukraine an großen popkulturellen Momenten ist Teil unseres Widerstands. Es bedeutet, dass wir immer noch hier sind. Und dass wir unsere Zukunft aufbauen“, sagte Baginskiy dem Magazin „Numéro“, und er erzählte von den Herausforderungen, die Beyoncé-Hüte zu produzieren: Material- und Fachkräftemangel, viele Hutmacher:innen sind aus dem Land geflüchtet.
Aber es hat geklappt. Die Flagship-Stores des Labels in Kiew und Lwiw haben weiter geöffnet, und der 33-jährige Designer bedient eine erstaunliche Bandbreite. Neben dramatischen Pop-Pieces gibt es in seiner Kollektion fast altertümliche Landbäuerinnen-Hauben aus Leinen, elegante Stroh-Baretts, und mit Goldketten behängte Cowboy-Hüte, die Lil Nas X tragen könnte. Kreativität, die sich von Widrigkeiten und der militärischen Bedrohung nicht unterkriegen, sondern höchstens anspornen lässt. Hut ab!
Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 09/2023.