Hirnflimmern
Verdammte Fernbeziehungen. Irgendwann schleichen sich Eigenartigkeiten ein. Kleine Anzeichen, dass man vielleicht nicht mehr so auf einer Wellenlänge liegt wie einst. Ist man dabei, sich auseinanderzuleben? Gestern abend stolperte ich mal wieder über einen der lustigsten YouTube-Clips, die ich kenne. Unter dem Titel „Angus Young on heroin“ hat da einer unter eine total feurige Performance des jungen Angus mit seinen Original AC/DC-Buam eine Tonspur mit steinerweichend dilettantischem Gitarrengniedel gelegt, was einen auf mehreren Ebenen extrem witzigen Effekt hat (IMHO). Und weil ich’s grad wieder so lustig fand, „share“te ich das Filmchen meinem guten Freund A. im meist ja so fernen Berlin. Der A., war ich mir sicher, würde meinen Humor teilen und sich eins lachen. Stellen Sie sich also meinen Schreck vor, als ich früh eine Mail in der Box hatte: A. finde das jetzt nicht so lustig, sondern „eher traurig im Moment. Der arme Mann.“ Was war passiert? War was mit Angus? Die Kettenraucherei? Ein Unfall? Google wusste von nichts. Er schien wohlauf zu sein. Gottlob. Musste ich mich aber nun sorgen um A. und unsere Wellenlänge? Ich bat um Aufklärung. Und siehe da: Wir haben uns nicht auseinandergelebt. Ich hatte nur vergessen, dass der A. ein so in der Wolle gefärbter AC/DC-Verächter und -Banause ist, dass er die Parodie für Original – und entsprechend beschissen – gehalten hatte. Das könnte meinem Freund C. nicht passieren. Der war letztens da mit seinem neuen Smartphone mit „Shazam“ drauf, einem Programm, das durch schiere Smartness in der Lage ist, Songs zu erkennen. Es läuft ein Lied, man hält das Fon hoch, und nach ein paar Sekunden sagt Shazam, was das ist. Sagte C. Ich nahm ihm das nicht ab und legte eine etwas in Vergessenheit geratene CD ein. Kennen Sie noch Little Joy? Shazam kannte Little Joy. „Brand New Start“. Na gut, schwieriger. Ein Haindling-Stück von 1995. Shazam erkannte Haindling, „Drei Polizisten“. Okay, schwereres Geschütz. Ich setzte die Nadel auf eine kürzlich erworbene Flohmarkt-LP: HANDSOME von Kilburn & The High Roads, erste Band von Ian Dury, 1975, kennt kaum wer. Shazam kannte „The Roadette Song“. Herrgott. Jetzt galt es. Wenn es mir jetzt nicht gelang, das Luder in seine Schranken zu weisen, musste ich mir am Ende noch so eins zulegen. Da! Ich zog Labradford heraus. Die guten alten Labradford. PRAZISION LP von 1993, erster Release auf Kranky („krank 001“). „Experience The Gated Oscillator“, Brumm-Sirren mit Fizzelgeräuschen. Shazam drehte sein digitales Rädchen. Shazam überlegte. Shazam – musste passen! Jetzt ärgert es mich, dass es mir nicht in den Sinn kam, Shazam mit einem meiner all-time Lieblingssongs zu prüfen: „Super Tuesday“ von The Shazam aus Nashville. Gibt’s seit den 90ern und haben nicht mal einen Wikipedia-Eintrag. Ein echter Geheimtipp also. Und all the Shazam I need.