Hirn Flimmern


Vor Jahren einmal erzählte Kollege Koch von dem Tag, als er von Frank Zappas Tod erfuhr. Und von dem Griff ans Herz, den man spürt im Moment, wenn einen die Erkenntnis kalt erwischt, noch bevor man die Nachricht gehört hat. Koch war früh aus dem Bett gestiegen und hatte das Radio angedreht und da lief gerade ein Zappa-Song. Am helllichten Werktagmorgen im Popradio. Da war klar: Etwas stimmt nicht. Und sofort war auch klar: Frank Zappa ist tot. Als am Freitagmorgen der Radiowecker ansprang, viel zu leise eingestellt, nahm ich zunächst nur durch einen dicken Schleier von Halbschlaf wahr, wie da gerade ein hölzerner Moderator den Lebenslauf von Michael Jackson herunterbetete. Erst die alarmierte Stimme meiner bereits hellwachen Freundin holte mich aus dem Tran. „Warum geht’s denn hier um Michael Jackson? Ist was passiert mit dem?“ Wir hörten eine halbe Minute zu, und schließlich musste sie den Satz tatsächlich aussprechen, den ich immer noch nicht zu denken gewagt hatte: “ Meinst du, der ist gestorben?“ Irgendwo in meinem Hinterstübchen kramte es nach möglichen Gründen für diesen Radiobeitrag etwas mit diesen bevorstehenden Konzerten in London? Ein Geburtstag? -, während ich mich zum Radio hinüberwälzte und vom Studenten- auf meinen Stammsender umschaltete, der in diesen frühen Morgenstunden bevorzugt toskanatauglichen Folkpop spielt. Und da lief „Billie Jean“. Und es war klar: Michael Jackson ist tot. Und wieder war es meine Freundin, die aussprechen musste, was mein verblüfftes Hirn noch nicht begriffen hatte. “ Das ist aber traurig. “ Ja, wie traurig es ist. Wie verdammt traurig es ist, hätte ich nicht erwartet. Es war gut, an diesem Morgen noch ein wenig liegen bleiben zu können und an die Decke zu starren, bevor wir beide hinausmussten in unsere Medienberufe, wo wahrscheinlich bereits der Bär steppte (in welchem Ausmaße er steppte, davon machten wir uns noch keine Vorstellung) und das Rennen um die flinksten News, die originellsten Beiträge und die schärfsten Analysen lief. Ich wollte noch nicht da raus, wollte keine „schwarzhumorigen“ Rundmailwitze lesen und keine „edgy“ Sprüche hören von Leuten, die schon wieder abgebrüht den Hype durchblickt hatten. Ich wollte wenigstens diesen einen Tag lang nichts von „bizarren Fratzen“und kaputten Nasen lesen, wollte nicht am Ende noch erklären müssen, warum ich traurig war; ich wusste es ja selber nicht so genau. Tatsächlich war der Tag, an dem wir von Michael Jacksons Tod erfuhren so, wie es später in der SZ stand. “ Es war eines jener seltenen Ereignisse, die (…) das hysterische Flackern des Feuerwerks aus Starkult, Promigeilheit und öffentlicher Schadenfreude zu einem Moment der Trauer herunterdämpfen, dem kaum jemand in die emotionale Sicherheit des Zynismus und der Ironie entkam.“ Mein Arbeitstag, als total produktives Heftproduktions-Finale geplant, suppte so vorsieh hin. Am Abend gab ich auf, ging heim, schaltete den Fernseherein und glotzte stundenlang die allgegenwärtigen Jackson-Konzerte und -Videos. Mann, war das ein krasser Typ, So ein trauriges, verspieltes Kind. Und Mann, konnte der tanzen. Möge er in Frieden ruhen.