Hero & Leander


Zu Beginn erst mal ein Exkurs in die griechische Mythologie: So erzählt die Legende, dass einst die bezaubernde Hero, die als Priesterin in Sestos an der Meeresenge Hellespont Aphrodite huldigte, des Öfteren von ihrem Lover Leander besucht wurde, der dafür jede Nacht die Meeresenge durchschwamm. Als die Lampe, die ihm Hero auf die Spitze ihres Wohntürmchens gestellt hatte, eines Nachts vom Wind ausgeblasen wurde, verlor Leander die Orientierung und ertrank gar jämmerlich. Bald fand Hero seinen leblosen Körper am Strand und stürzte sich vor lauter Trauer von ihrem Turm in den Tod. End of the story.

2010 findet sich auf einer weit nördlicher gelegenen Insel namens England eine Band zusammen, die sich nach ebendieser Geschichte benennt. Nun könnte man meinen, dass unter einem Namen wie diesem eine Ansammlung von Schmerzensmännern jenem dunklen Liedgut nachgeht, das besonders von Zeitgenossen wie Nick Cave gepflegt wird. Weit gefehlt! Mehr als die Konstellation „Junge & Mädchen“, die sich im Leadsängerduo von Hero & Leander in Emily Sills und dem früh ergrauten Gary Cansell wiederfindet, bleibt von der bitteren Geschichte nicht übrig. Keine Mörderballaden also und auch kein Yorke’sches Greinen. Stattdessen: sattester Pop, der die Freude am Leben feiert. „Unsere Musik ist wie eine Fanta, die geschüttelt wurde und dann beim Öffnen in alle Richtungen spritzt“, sagt Sängerin Sills. Ein schönes Bild, das in Bezug auf das Debütalbum der Band, TUMBLE, absolut ins Schwarze trifft: Zuckersüß wie die besagte Fanta, verspielt, hochmelodisch und rund ist das Album geworden.

Nicht nur auf der Platte merkt man, dass sich hier eine Band gefunden hat, die großen Spaß an ihrer Zusammenarbeit hat, auch im Video zur Single „Collider“, einem euphorischen Uptempo-Stück, ist das in jedem Moment zu erleben. Gefilmt mit einem iPhone vollführen Sills und ihre fünf Bandkollegen dort solch herrlich spackige Choreografien auf öffentlichen Plätzen und Parks in London, dass man schon eine Zitrone verspeisen müsste, um die nach oben zuckenden Mundwinkel aufzuhalten. Und dann sind da noch diese Coverversionen: Mit Interpretationen von „No More I Love Yous“ von The Lover Speaks oder vom Beach-Boys-Klassiker „Don’t Worry Baby“ zeigen die sechs Briten, dass es durchaus möglich ist, einen Song zu feiern und diesen gleichzeitig gnadenlos zu verhohnepipeln. Da wird sich weiß angemalt und auf Kochtöpfen und Fahrradhelmen perkussioniert, dass es eine Freude ist. Davon gerne mehr – „Fun, Fun, Fun“ von den Beach Boys würde sich als nächstes Projekt anbieten.

CD im ME S. 83, Albumkritik S. 84

Aus Kostengründen nahm die Band die meisten Songs von TUMBLE in den Schlafzimmern diverser Bandmitglieder auf.

Vor dem ersten Treffen mit den Bandkollegen (auf eine Netz-Annonce hin) beschlich Emily Sills Paranoia ob der fünf Männer: „Könnten das etwa Internet-Killer sein?“

Klingt wie: Belle & Sebastian, Isobel Campbell, Camera Obscura