Hello, Word! – Rap in Zeiten von Kanye West und Kendrick Lamar


Auf dem Höhepunkt der Dada-Phase des HipHop erinnern Kanye West und Kendrick Lamar mit ihren neuen Singles an die Macht der Sprache.

Als Kanye West seinen Song „Only One“ mit Paul McCartney veröffentlichte, ging es zunächst mal darum, dass Kanye West einen Song mit Paul McCartney veröffentlicht hat. Doch toll, wie West jungen Künstlern eine Chance gebe, twitterten viele, woraufhin der weniger ignorante Teil der Weltbevölkerung in Empörung und/oder kollektives LOLen ausbrach, sich insgeheim aber doch fragte, warum es ausgerechnet McCartney sein musste, der Säulenheilige jener gramen, alten weißen Männer, von denen Yeezy glaubt, sie versperrten ihm den Zugang zu noch höheren Weihen.

Der Song selbst nahm sich dagegen eher unspektakulär aus. „Only One“ ist eben so ein Lied, mit eineinhalb Akkorden, nicht mal besonders eingängig – als wäre West beim Beatles-Karaoke in der Zeile verrutscht. Das lenkt den Fokus auf den Text. Kanye singt aus der Perspektive seiner verstorbenen Mutter. Seine Worte sind entwaffnend schlicht und frei von allen Codes, hinter denen sich Regungen von Menschlichkeit im Rap stets vortrefflich verstecken ließen. „I talked to God about you, he said he sent you an angel […] You asked for one and you got two.“ Dass man das nicht ignorieren, dass man das nicht nicht verstehen kann, ist die wahre Leistung des oft unterschätzten Lyricists West.

Den umgekehrten Weg geht Kendrick Lamar. Wie er sich auf „The Blacker The Berry“ an Rassismus, Selbsthass, Materialismus, Gewalt und Emanzipation abarbeitet, ist so vielschichtig und verklausuliert, dass die Annotationsseite genius.com eigens den Schriftsteller Michael Chabon mit einer Interpretation beauftragte. Auch hier kann man kaum weghören. Weil die große Auflösung erst zum Schluss kommt. Und weil Kendrick den Song auf dem Weg dorthin mit so viel Dringlichkeit auflädt, dass er zu explodieren droht, ganz so wie die Welt, die er beschreibt.

Es ist Musik zur Zeit, zur rechten Zeit. Hello, Word: Schön, dass es dich noch gibt.

Diese Kolumne ist in der April-Ausgabe des Musikexpress erschienen.

Kanye West – „Only One“:

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Kendrick Lamar – „The Blacker The Berry“: