Hardcourage von FaltyDL


Die Künstler

Das Londoner Design-Studio, das hinter dem Cover des dritten Albums des wandlungsfähigen Ninja-Tune-Elektronikers FaltyDL steckt, hat sich nach einem der ältesten Stadtteile von Buenos Aires benannt: La Boca. Denn dort sieht es aus wie die Künstlergruppe arbeitet. Wellblechhütten, schön bunt mit Schiffslack bemalt. Neben Plattencovern – etwa für Daft Punk, Nightmares On Wax oder THE RESISTANCE von Muse – werden von La Boca auch T-Shirts, Buchcover und sogar Skier gestaltet.

Die Pusteblume

Aufgeklappt korrespondiert die Vorder- mit einer Rückseite des Covers, die noch abstrahierter ist – entsprechend gerupft erscheint dort erneut die Pusteblume, das einzige räumlich ausgearbeitete Element. Im Inneren des Klappcovers wiederholt sich das komplette Motiv, diesmal allerdings in Schwarz-Weiß und ergänzt um feine Texturen, die außen fehlen. Aus der Pusteblume wird hier dann so etwas wie ein Kosmos, eine Sphäre mit planetengleichen Globen.

Der Rhythmus

Künstler wie Walter Ruttmann, Viking Eggeling und vor allem Oskar Fischinger haben sich schon früh – mit Aufkommen des Tonfilms – Gedanken darüber gemacht, wie sich etwas so Abstraktes wie Klang visuell umsetzen lässt. Letzterer (der u.a. für Walt Disney arbeitete) setzte dabei auf „rhythmisch“ strukturierte Flächen und synästhetische Farbgebung. So könnte vor allem Fischinger, der 1967 verstorbene Pionier des abstrakten Tonfilms, wohl sofort bei La Boca anfangen – wenn nicht gar bei FaltyDL selbst.

Die Einflüsse

La Boca hätten eigentlich auch das Buchcover von Simon Reynolds „Retromania“ gestalten müssen, so gut passt ihre Arbeit zu seinen Thesen. Zu den Vorbildern ihrer Arbeit gehören so verschiedene Visionäre wie George Dunning, der Regisseur von „Yellow Submarine“, die Gestalter sozialistischer Propagandaposter, Science-Fiction-Filmausstatter und – vor allem – die Gestalter des expressionistischen Experimentalfilms der 20er-Jahre (siehe „Der Rhythmus“).

Der tiefere Sinn

Was hat das alles mit der Musik von Drew Lustman alias FaltyDL zu tun? Scot Bendall sagt: „Drew war zur Zeit der Aufnahmen sehr verliebt. Es muss eine stürmische Beziehung gewesen sein. Er gab uns sogar ein Bild seiner Freundin, und daraus entwickelten wir das Frauengesicht.“ Das Gesicht auf der Rückseite steht für den Musiker selbst. Interessant auch das düstere, mit Tinte und Tusche handgezeichnete Innencover: „Es ist eine exakte Replik des Covers und soll die dunkleren und atmosphärischeren Stellen der Musik darstellen.“

Der Stil

Retrofuturismus zwischen Bubblegum und Barbapapa. Scot Bendall, verantwortlicher Designer, erklärt: „Ich bin in einer grauen Gegend aufgewachsen. Die starken Farben in meiner Arbeit sind vielleicht ein unbewusster Versuch, dem zu entkommen.“ Die tropfend ineinander verschlungenen Flächen aus abstrakten Photoshop-Elementen sind aber mehr als ein Farbrausch. Eine vertikale mittlere Bildachse, rote Wellen, die stilisierte Pusteblume und der psychedelisch zerfließende Vogel ergeben den Kopf einer Frau. Von Talk Talk (THE PARTY’S OVER), oder Jean Michel Jarre (RENDEZVOUS) kennt man Ähnliches. Bendall nennt jedoch Covers von Lightnin‘ Hopkins und des Jazzers Eric Dolphy als Inspiration.