Kritik

„Guardians of the Galaxy Vol. 2“: Massensterben im Spielzeugladen


James Gunn hat sich für die Fortsetzung seines Überraschungserfolges eine besonders tragische Geschichte ausgedacht. Leider wird sie von zu vielen Figuren und anstrengendem Humor verwaschen.

Es ist zugleich schade und schön, dass Regisseur James Gunn mit seiner Fortsetzung „Guardians of the Galaxy Vol. 2“ auf vielen Ebenen scheitert. Schade, weil der Film eigentlich als Garant für einen aufregenden Blockbuster mit mehr Drive als seine Genre-Kollegen galt. Schön, weil die Gründe für das Scheitern faszinierender sind als es eine rundum gelungene Fortsetzung jemals hätte sein können.

In der mittlerweile ermüdenden Filmreihe aus aalglatten Superhelden, die regelmäßig und zuverlässig unter der Regie von Marvel und Disney die Welt retten, stach ein Film der Studios 2014 heraus. „Guardians of the Galaxy“, ein irrer Science-Fiction-Geniestreich, in dem Indie-Regisseur Gunn einen sprechenden Baum und einen Waschbären zu Publikumslieblingen machte. Die beiden waren Teil einer Gruppe von Antihelden, die angeführt von Chris „Star-Lord“ Pratt, schnell Kultstatus erreichten. Und dann grünes Licht für eine Fortsetzung erhielten.

Leichter Humor, grausame Geschichte

Paradox ist nun, dass „Guardians of the Galaxy Vol. 2“ von den Spielereien erdrückt wird, die den Erstling eigentlich erst zum Erfolg machten. 80er-Jahre-Referenzen in fernen Galaxien, der sprechende Baum, der nur einen einzigen Satz sagen kann. Die Wortgefechte, die geschickt tausende Tode übertünchten. Die Erkennungsmerkmale der „Guardians“ lenken nun vom eigentlich emotional angelegten Mittelteil der Fortsetzung ab. Weil Gunn im Kern nämlich eine Geschichte erzählt, die für das Superhelden-Genre ungewöhnlich ernste Themen behandelt. Und die zudem unfassbar grausam ist.

Eine Randnotiz aus dem ersten Film wird in der Fortsetzung zur Hauptsache. Wer ist der Vater der Hauptfigur Peter Quill aka Star-Lord? Der von Pratt gespielte Held, der nur zur Hälfte ein Mensch ist, wurde von einem Raumschiff von der Erde abgeholt, nachdem seine Mutter an Krebs gestorben ist. Aufgezogen wurde er von dem Weltraum-Piraten Yondu (Michael Rooker), seinen biologischen Vater trifft er nun im zweiten Teil. Papa heißt Ego (Kurt Russell), ist im Prinzip ein Gott und kann dazu die Form eines ganzen Planeten (!) annehmen. Er hat seinen Sohn gezeugt, als er für einige Zeit auf der Erde unterwegs war. Warum er dort war und vor allem warum er wieder verschwunden ist und seinen Sohn erst Jahrzehnte später kennenlernt, darauf findet Gunn in „Guardians of the Galaxy Vol. 2“ nun Antworten. Erschütternde, theoretisch verstörende Antworten, in denen sogar Massenmord und Missbrauch vorkommen. Und obendrein ein Plan zur Vernichtung aller bekannten Planeten.

Kurt Russell als Ego

Es geht also um ein düsteres Familiengeheimnis. Und um Idole, die nicht halten, was man sich von ihnen versprochen hat. Was nach einer ganz hervorragenden Geschichte klingt, wird allerdings von Gunns Vorgängerfilm hinweggespült. Eigentlich hätte es der Plot um die familiären Verstrickungen der Hauptfigur verdient gehabt, dass sich der etwas mehr als zwei Stunden lange Film auch voll darauf konzentriert. Doch leider erweisen sich all die anderen Charaktere, die Gunn in seinem Marvel-Erstling eingeführt hat, als Ballast, der „Volume 2“ unnötig lang und zwischenzeitig völlig uninteressant macht. Der sprechende Baum Groot hat reell keine sinnvolle Aufgabe im Film, darf nur während der Opening Credits solange zu „Mr. Blue Sky“ durchs Bild tanzen, bis auch der letzte hysterische Marvel-Fan begriffen hat, dass er sich jetzt verdammt nochmal das Spielzeug zum Film kaufen soll.

Helden ohne Aufgaben

Drax (Dave Bautista), Gamora  (Zoe Saldana), Nebula (Karen Gillian) und der von Bradley Cooper gesprochene Waschbär Rocket hatten im ersten Teil noch die Aufgabe, sich auf humorvolle Art und Weise gegenseitig zu erklären, ein absurdes Team zu formen und dem Zuschauer dadurch ans Herz zu wachsen. Jetzt stehen die restlichen Guardians aber genauso ohne Aufgabe da wie die Cast-Neuzugänge Sylvester Stallone und Pom Klementieff. Gunn teilt die Gruppe während des Films auf, spektakulär designte Nebenschauplätze sind aber höchstens Vorbereitung für mehr oder weniger gelungene Pointen, die gern auch auf Action-Szenen folgen, in denen für einen Film mit der Altersfreigabe „Ab 12“ besonders lustvoll getötet wird.

Man denkt zu jeder Zeit, dass Gunn wahrscheinlich lieber einen ernsteren Film gedreht hätte. Einen, in dem der Humor aus dem Vorgänger nicht alle 30 Sekunden hervorbrechen muss, um sich nicht zu sehr von der ursprünglichen Tonlage zu entfernen. Jetzt steht der Regisseur mit einem launigen Ensemble da, das sich zwar hervorragend zum Zusammenschneiden von Trailern eignet, von dem allerdings nur die wenigsten Figuren eine Entwicklung durchleben. Das spiegelt sich sogar in Actionszenen wider: Im großen Finale kämpft „Star-Lord“ allein für die Rettung des Universums, der Rest der Gruppe ballert auf unbemannte Mini-Raumschiffe oder hängt zwischen irgendwelchen Steinen fest.

Möchte aus dem Spielzeugladen abgeholt werden: Groot

Der Film scheint in einem Korsett aus Humor und zu vielen Nebenfiguren gefangen zu sein. Regisseur Gunn hat es sich selbst angelegt, wird quasi sein eigenes Erfolgsrezept nicht los. Einen Vorwurf kann man ihm daraus allerdings kaum stricken. Der Versuch, den Marvel-Fans eine derart böse Geschichte unterzujubeln, ist herrlich ambitioniert, die Pflichtaufgaben Humor und nie zuvor gesehene visuelle Einfälle kommen als zusätzlicher Ballast dazu.

Man gönnt es Gunn also, wenn der Film trotz seinen Unausgewogenheit und der stellenweise sehr präsenten Belanglosigkeit zum Erfolg wird. Zumal er besonders clever war und sogar eine beliebte Figur sterben lässt – eine Zäsur im Marvel-Universum. Den meisten Fans wird das wohl reichen, um „Guardians of the Galaxy Vol.2“ als revolutionär zu preisen. Auch wenn Gunns Plan A, sich mit einer wirklich emotionalen Geschichte von anderen Superhelden-Filmen abzusetzen, zu keinem Zeitpunkt aufgeht.

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