Grönemeyer


München, Sedlmayer-Halle

Es geht eine Strähne auf Reisen“, wäre gar kein so schlechtes Motto für seine aktuelle Tournee gewesen. Herbert wollte diesen Satz ursprünglich auf das Konzertplakat schreiben, stieß bei seiner Plattenfirma EMI Electrola aber auf wenig Gegenliebe: „Irgendwie fanden die das offensichtlich überhaupt nicht witzig“, schelmt Herbert.

Er hätte die „Ö“-Tour ruhig auch „Sprünge“ nennen können, denn live mauserte sich der ansonsten eher kühle Blonde aus dem Westen zum abgedrehten Rumpelstilzchen. Nach einer zähen Anlaufphase von fünfeinhalb Liedern, für die er sich später beim Publikum brav entschuldigte ( ….. tschuldigung, am Anfang war mir etwas ungut…‘), drehte Herben mächtig auf; seine ansonsten hervorragend eingespielte Band hatte sichtliche Mühe, dem Meister zu folgen. Je später der Abend, desto aufgedrehter Gröni -— nur westsibirische Springmäuse hopsen charmanter. Klarer Verlierer des Abends: die drei unschuldigen Tambourins, die Herben in seinem Wahn als Ober-Taktschläger auf seinem Keyboard zertrümmerte.

Natürlich kommt auch ein Grönemeyer nicht ohne die übliche Konzert-Dramaturgie aus. Neuer Hit am Anfang, nach „Was soll das“ einige fetzige Lieder der aktuellen Platte, das Kreuzfeuer der alten Schlager von „Alkohol“ bis „Männer“ am Schluß, dazwischen das „Best Of“ der vier LPs. Motto: Nach zwei langsamen Nummern kommt eine schnellere.

Aber wer folgt nicht gerne einem guten Drehbuch, vor allem, wenn sein Autor das lässige Spiel mit der Menge vor ihm so beherrscht wie der alte Bühnen-Hase Grönemeyer. Die Bälle fliegen hin und her zwischen ihm und den Fans, er treibt die Band und das Publikum, und beide treiben ihn immer wieder wild gestikulierend quer über die Bühne. Da fühlt sich sogar der Tennis-Freund heimisch, wenn Herbert im tobenden Applaus die Boris Becker-Matchgewinn-Faust zeigt. Sehr deutsch, aber fraglos auch bestes Entertainment für die gut 5500 Getreuen, die natürlich alle Texte der gerade mal drei Wochen alten LP „Ö“ schon auswendig mitsingen.

Und Herbert beließ es nicht bei der Entschuldigung für den schwachen Anfang, er zahlte Entschädigung: Erst nach gut zweieinhalb Stunden und zehn (!) Zugaben durften die heisergebrüllten Fans nach Hause.

Ein Malocher aus dem Ruhrpott eben, oder -— wie die gestylte Szene-Frau auf dem Nebensitz treffend bemerkte: „Wie sieht der denn aus -— blaue Hose, gestreiftes Hemd, braunes Sakko —- der kommt bestimmt aus Bochum!“