Grachten Groove


Vergeßt Goldkettchen und Gänseblümchen, die jüngste Hip-Hop-Revolution kommt nicht etwa aus den USA, sondern aus dem beschaulichen Land der Grachten und Tulpen. ME/Sounds-Mitarbeiterin Martina Wimmer ließ sich van Plattenjongleur DNA das Urban Dance Squad-Geheimnis verraten.

Wir haben eine Sache verstanden: Wenn du eine gute Show machen willst, mußt du eine echte Band sein und den Leuten echte Musik geben. Was kann ein Rapper mit einer Rhythm-Box schon an Energie erzeugen ?“

Energie, der rote Faden im Bandkonzept von Urban Dance Squad. Rapper Rüde Boy Remmington vollführt auf der Bühne Luftsprünge, gegen die ein dreifacher Rittberger zum Seniorenprogramm wird, während die Begleittruppe in jeder Sekunde eine Ladung Sprengstoff kurz vor der Detonation ist. Ihr Publikum dankt es ihnen auf eigene Art: Bei einem Auftritt in Belgien sorgten Urban Dance Squad unfreiwillig für Schlagzeilen: „Die Geburt eines neuen Tanzkults: Balcony-Diving!“

DNA grinst etwas verlegen: „In dem Club gab es einen drei Meter hohen Balkon, und die Leute sind raufgeklettert und in die Menge gesprungen. Es war Wahnsinn – ein paar Leute haben ein paar Zähne verloren, der Rest war in Ordnung. „

Die Squad-eigene Gruppendynamik hat die Fünf anno 1986, als sie zum ersten Mal in der aktuellen Besetzung die Wände ihres Übungsraums das Fürchten lehrten, selbst überrascht. Rapper Patrick alias Rüde Boy wollte damals nur mal probeweise vorbeischaun….. Die Seitentür der Bühne war offen, und wir vier (Silly Sil am Baß, Tres Manos an der Gitarre, Magic Stick an den Drums und DNA am DJ-Pult) waren schon am Spielen.

Patrick kam einfach so herein, nahm das Mikro und fing an zu rappen. In dem Moment halten wir alle das Gefühl: „Das ist es!“

Aus dem Mysterium der ersten Begegnung hat sich mittlerweile eine Band-Philosophie entwickelt: der Squad-Sound als gemeinsame Erbmasse vor der Reinkarnation als Urban Dance Squad. „Keiner von uns wollte jemals etwas anderes machen als Squad-Sound. Wenn ich meine alten Mixe rauskrame, höre ich Urban Dance Squad, und dieses Gefühl haben wir alle: Alles was wir vorher gemacht haben, war nur eine Vorstufe auf der Entwicklung zu dieser Band. „

Salbungsvolle Worte – Zuhörer mit empfindlichen Gehörgängen können der heilbringenden Botschaft vielleicht nichts Erlösendes abgewinnen, wenn sie sich die Debüt-LP MENTAL FLOSS FOR THE GLOBE um die Ohren blasen lassen. Doch was Rapper Rüde Boy in seinen Wortgewittern zu sagen hat, ist unmißverständlich: Es geht um Rassenprobleme, um Wut über die selbstgefällige Gleichgültigkeit in der Welt. „Sieh dich doch um, sieh dir die ganze Scheiße an, die um uns passiert. Wir leben in den Achtzigern, Bob Dylans Protestsongs waren in den Sixties in Ordnung, jetzt sind sie nur noch nette Lieder für alle Leute. Wir sind eine andere Generation, und du mußt die Leute anders auf dich aufmerksam machen. Die Leute kommen in unsere Shows und sehen fünf völlig unterschiedliche Leute, die es fertig bringen, etwas zusammenzumachen, das spannend ist und kraftvoll. „

Spannend allein schon deshalb, weil Urban Dance Squad aus einer abenteuerlichen Mischung an Kulturen entstanden ist. Rüde Boy und Bassist Silly Sil verbrachten ihre Kindheit mit Calypso-Klängen in Surinam, Gitarrist Tres Manos wurde im indonesischen Surabaya in der Wiege geschaukelt. DJ DNA und Drummer Magic Sticks sind Holländer mit jahrelanger Globetrotter-Erfahrung. Auch wenn DNA an die Plattenteller geht, ist er bemüht, das Spektrum seiner Tonbausteine so weit wie möglich zu halten. „Rap-Musik ist stilistisch immer noch furchtbar engstirnig. Mit uns wird sich da einiges ändern. Und wenn man uns ignoriert, spielen wir unser Ding wieder und wieder und wieder. Bis sie nicht mehr anders können, als die Ohren aufzumachen. „