Gitarren sind kein Statement


Dass Tele den Spagat zwischen Pop und Indie schaffen, ist Puristen gar nicht recht. Aber gibt es da wirklich einen Gegensatz?

Immer gut 2004: Die Sonne brennt, stolz tragen wir unsere Sonnenbrillen, um unsere müden Augen zu verstecken. Eine harte Nacht im Indiedisko-Zelt liegt hinter uns. Eigentlich sind wir nicht in der Lage, auf geraden Beinen zu stehen, schon gar nicht vor der lauten Bühne. Bis sechs gutgekleidete Typen diese betreten und ihren Zauber verbreiten. Langsam beginnen wir, uns zu erinnern. Klar, das ist diese wunderbare Band aus Freiburg. Und sie spielt ein fantastisches Konzert. Sänger Francesco Wilking verliert sich immer wieder in wahnwitzigen Ausschweifungen, die Band groovt, bis die letzte Sohle zertreten ist. Später, wieder im Diskozelt, tanzt die Band zu Cardigans und Justin Timberlake. Das ist der vollendete Spagat zwischen Indie und Pop, denke ich. Ich erinnere mich an die im letzten Jahr erschienene selbstbetitelte EP und den fantastischen Song „Now Now Now“, der völlig zu Recht der heimliche Sommerhit war, in Indiediskos und auf Mixtapes. Damals gab es nicht mehr als diese leise Hoffnung, dass diese Band mal etwas ganz Großes schaffen könnte.

Vielleicht ist ihnen das mit ihrem zweiten Album WOVON SOLLEN WIR LEBEN gelungen. Mittlerweile komplett nach Berlin umgezogen, haben Tele eine Platte gemacht, die jeden Hype um deutschsprachige Popmusik überdauern will. Wie schön das ist, einer Band zuzusehen, die sich auf Prefab Sprout, Genesis, Stevie Wonder und Michael Jackson beruft! Die sich zwischen Pop und Soul verortet sehen möchte, zwischen Phoenix und Blumfeld. Francesco erzählt in den Texten von der Schwäche, mit Einsamkeit umzugehen, von der Kraft, die einem die Liebe geben kann. Und findet es ärgerlich, wenn der Band vorgeworfen wird, sie würde sich auf so angeblich banale Dinge wie das Private reduzieren. „Sätze wie,Wenn du gehst, geht auch ein Teil von mir‘ muss man nicht als hohle Phrasen lesen. Darin kann man auch die Zerstörungsprozesse sehen, die eine Bindung zwischen zwei Menschen mit sich bringt. Dass man sich gegenseitig kaputtmacht, gerade wenn es um etwas Ewiges gehen soll. Man kann sowohl das Politische im Privaten finden wie andersrum. Machtstrukturen, die auf großer Ebene stattfinden, gibt es ja auch auf20 Quadratmetern. Es geht also mehr um Zustände als um Liebe“, erzählt er. Vielmehr würden Ordnungssysteme in Frage gestellt, Antworten in verschiedenen Sichtweisen gesucht. Daher wundert es Francesco, wenn Teles Liebe zum Pop als etwas Beliebiges fehlinterpretiert wird: „Ich verstehe Pop nicht als zuckrig oder so. Die Zeiten, in denen eine verzerrte Gitarre schon ein Statement war, sind längst vorbei, ich sehe keinen großen Unterschied zwischen Indie und Pop, die Themen sind doch die gleichen.“