Gianna Nannini
Wenn es ein Meßgerät für Ausstrahlunggäbe, wären die Zeiger durchgeknallt. Emozioni! Ruppig, heiser und manchmal recht schräg stürmt Gianna Nannini durch ihr Repertoire, die Band muß eben schauen, wo sie bleibt. Hans Bäär (Baß), Rüdiger Braune (Drums). Franco Faraldo (Percussion), Chris Jarrett (Gitarre) und Andy Wright (Kevboards) hadern
aber nicht mit ihrem Schicksal, sondern lassen Gianna toben, wie sie will. Da isi Energie pur auf der Bühne, und wer erwartet, daß eine herumrennende Wilde jeden Ton trifft, der ist eindeutig im falschen Konzert. „5 Minuti“ zum Beispiel, ein exzellenter Song vom aktuellen SCANDALO-Album. wird geflüstert und gestammelt und dann geschrien, als wären diese fünf Minuten wirklich ihre unwiderruflich letzten.
Über zwei Stunden lang ist die blasse, kleine Gestalt Temperament in Höchstdosis. Und während sie „Voglio un scandalo“ hervortrotzt, zeigt die Leinwand hinter der Bühne Giannas Gesicht in schwarz/weiß, das zarte Profil eines Vögelchens.
Glamour. Show. Effekte? Fehlanzeige. Spartanisch die Bühne mit rohem Holzgestange, schlicht das Outfit, spröde die Bewegungen. Wenn Gianna Nannini den Mikrofonständer hochreißt, hat man Angst, sie könnte ihn sich auf den Kopf fallen lassen. Zu dem Zeitpunkt, an dem weibliche Interpreten ihre Kleidung größtenteils zu entfernen pflegen, stülpt Gianna sich eine Kapuze über den Kopf, darunter verschwitzte, verstrubbelte Haare.
Doch man muß Lust haben, sich bezwingen zu lassen, um das Konzert richtig zu genießen. Wer nicht hundertprozentig auf große Gefühle eingestellt ist, für den sind 150 Minuten Gianna Nannini vielleicht eine Spur zu heftig. Auf keinen Fall jedoch darf man den Fehler machen, vor den beiden Zugaben zu gehen. Sie sind das Beste. Noch einmal dreht sie voll auf bei „Bello e impossibile“, bei „Latin Lover“ kippt die Stimme fast um. Applaus.
Gianna Nannini kehrt auf die Bühne zurück, allein, die schwarze Gitarre unterm Arm. Sie klingt etwas blechern, zugegeben, weil Ton und Akustik an diesem Abend in der Münchner Olympiahalle sowieso indiskutabel sind. Doch dann kommt „Me And Bobby McGee“‚ auf italienisch. Es ist schier unglaublich, wieviele Nuancen in den simplen Silben „Lalalala“ stecken können. Das gibt Gänsehaut der äußerst angenehmen Sorte.
Und plötzlich landet man, ob man nun will oder nicht, gefühlsmäßig unweigerlich im roten Bereich.