Interview

George Ezra über Songwriting: „Es ist schön, sich selbst eine Fluchtmöglichkeit zu schaffen“


Am 23. März 2018 erscheint George Ezras zweites Album STAYING AT TAMARA’S. Die Single, die ihm 2014 zum Durchbruch verhalf, schrieb er mit den drei Akkorden, die er als Kind zuerst lernte.

Am Morgen erst ist George Ezra nach Berlin geflogen. Vortags war der 24-Jährige in München, am Abend geht es zurück nach London, wo der in Hertford geborene Künstler nach Jahren in Bristol seit einigen Monaten lebt. Zwischendrin hat er Zeit für ein Interview mit Musikexpress.de gefunden. Im Berliner Provocateur-Hotel erklärt er, dass er seit der Veröffentlichung seines Debüt-Albums WANTED ON VOYAGE nicht einmal in London mehr oft anzutreffen ist, soviel ist er unterwegs.

Ein wenig Heimat aber ist trotzdem immer mit dabei. Auf seinen Reisen wird Ezra von seiner Schwester begleitet. „Sie kommt überall hin mit“, erzählt der Musiker. Auch während des Interviews sitzt sie ihm auf der anderen Seite des Zimmers gegenüber – ihren Bruder stets im Blick. Der erzählt erst einmal davon, wie er mit 13 Jahren in einer Band Bass spielte, lange noch bevor er seinen ersten Hit „Budapest” auf der Gitarre schrieb. An dieser Stelle mussten wir natürlich nachhaken.

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Musikexpress.de: Schreibt man auf dem Bass etwa keine erfolgreichen Songs?

George Ezra: Mit 14 habe ich mich in eine Menge amerikanischer Singer-Songwriter verliebt und die spielten alle Gitarre. Man versucht eben das nachzumachen, was man mag. Wenn dir drei unterschiedliche Sachen gefallen und du versuchst alle drei zu imitieren, kreierst du deinen eigenen Sound. Unterbewusst habe ich genau das probiert.

Hast du auf diese Art begonnen Lieder zu komponieren?

Mit 13 habe ich versucht auf dem Bass Songs zu schreiben, ich hatte auch eine kleine Band. Aber sobald ich ein paar Akkorde gelernt hatte, bekam ich das Gefühl, ich könnte richtig schreiben. Die Akkorde, die ich für „Budapest“ benutzte, waren die ersten drei, die ich mit 14 gelernt hatte. Man muss nicht der weltbeste Gitarrist sein, denke ich. Als ich ein paar Akkorde kannte, war ich glücklich.

„Manchmal versuche ich cooler zu sein. Vor allem wenn ich performe, empfinde ich es aber als sehr schwer, nicht einfach nur zu grinsen.“

Du hast mal gesagt, dass Bob Dylan dein größter Einfluss ist. Du musst zugeben, dass das viele junge Songschreiber sagen.

Mmm, ja.

Was unterscheidet dich von ihnen?

Ich war 14 und das erste was ich von ihm hörte waren seine ersten Alben. Er klang für mich also nicht wie ein alter Mann, sondern wie ein 20-Jähriger. Es war einfach das Storytelling: Es ist nicht poliert, nicht perfekt – aber ich habe ihm geglaubt. Das ist inspirierend, wenn man selber dabei ist zu lernen.

Und an seiner Person?

Ihn umgeben so viele Mysterien – das ist reizvoll. Fan von Bob Dylan zu sein frustriert, weil du nichts von ihm bekommst. Eigentlich großartig – du kriegst einfach Musik. Ich habe ihn fünf Mal live gesehen und er sagt weder „hallo“, noch „danke“ oder „Auf Wiedersehen“. Er kommt auf die Bühne, er singt, er geht. Man vermisst es auf eine Art, ein bisschen seinen Charakter zu sehen.

Denkst du, deine Fans kriegen etwas von deinem Charakter zu sehen?

Ich denke schon. Manchmal versuche ich cooler zu sein. Vor allem wenn ich performe, empfinde ich es aber als sehr schwer, nicht einfach nur zu grinsen. Ich liebe es so sehr, ich kann kaum verstecken, wie ich mich fühle.

 Ist es denn wichtig, immer ehrlich aufzutreten?

Ich glaube nicht. Das Wichtige sind gute Geschichten – und die müssen nicht unbedingt wahr sein. Eine gute Geschichte kann eine totale Lüge sein. Ich fand es bei meinem zweiten Album aber sehr nützlich, so ehrlich wie möglich mit mir selbst zu sein.

„Zu Beginn des Albums war ich in einer sehr schlechten Verfassung. Ich will aber keine negativen Songs schreiben.“

Bist du also tatsächlich für einen Monat nach Spanien gegangen und hast dort dein neues Album geschrieben – oder ist das erfunden?

Ja, das ist wirklich so passiert.

Wie kamst du darauf, nach Barcelona zu fahren?

Für mein erstes Album bin ich einen Monat lang durch Europa gereist. Ich war an so vielen Orten, dass ich immer nur maximal zwei Tage in jeder Stadt sein konnte. WANTED ON VOYAGE war viel erfolgreicher, als ich es erwartet hatte, also reiste ich für zwei Jahre und war wieder überall nur ganz kurz. Nach der Tour wollte ich weg, aber ich wollte diesen Ort dann auch kennenlernen.

Hast du das ganze Album dort geschrieben?

Auf meinen Trips nehme ich meine Gitarre und ein Notizbuch mit. Dann fülle ich ein Tagebuch mit allem, was ich so unternehme. Wenn ich nach Hause komme, schreibe ich dann daraus die Lieder. Auf dem neuen Album geht es vor allem um Flüchten und Träumen – sich selbst zurückziehen aus der Welt um einen herum und sich dafür nicht schuldig zu fühlen. Ich hab auf dieser Reise gemerkt: Es ist ok, abzuschalten.

Es klingt tatsächlich ziemlich ausgelassen. Hast du dich so unbeschwert gefühlt oder steckt dahinter eine Botschaft?

Zu Beginn des Albums war ich eigentlich in einer sehr schlechten Verfassung. Ich will dann aber keine negativen Songs schreiben. Sonst werde ich zwei Jahre lang auf Tour jedes Mal daran erinnert, wenn ich sie singe. Es ist eigentlich schöner, sich selbst eine Fluchtmöglichkeit von allem zu schaffen.

In deiner Heimat ist es seit 2016 ja politisch auch ziemlich turbulent. Hatte der Brexit auf dich persönlich Einfluss?

Es war für uns alle Zuhause ein Schock. Was bizarr ist, denn die Mehrheit der Leute hat ja dafür gestimmt. Ich kenne aber kaum Menschen, wenn überhaupt welche, die das gewählt haben. Das hat auf jeden Fall Einfluss: Du überlegst, ob du dieses Land vielleicht doch nicht so gut kennst, wie du dachtest. Ich lebe in London, die kosmopolitischste und offenste Stadt des Landes – ein totaler Schmelztiegel der Kulturen und Nationalitäten. Aber das gilt nicht für den Rest des Landes. Es verwirrt einfach. Und eine Schande ist es auch.

George Ezras zweites Album STAYING AT TAMARA’S erscheint am 23. März 2018

In deiner neuen Wahlheimatstadt hast du auch begonnen eine Podcast-Serie aufzunehmen. Sie heißt „Ezra&Friends“ und du lädst verschiedene berühmte Musiker*innen ein.

Indem ich mit anderen Musikern über Musik sprechen konnte, habe ich mich aufs Neue in sie verliebt. Wenn man mitten drin ist, passiert es ganz leicht, alles für selbstverständlich und normal zu halten. Du vergisst manchmal, warum du dich ursprünglich so dafür begeistert hast. Mit anderen Leuten über ihre Erfahrungen zu sprechen, macht mir wieder Lust an allem. 

Hattest du bisher einen Lieblingsgast?

Jeder für sich war interessant. Musiker schätzen es, mit anderen Musikern zu sprechen, denke ich. Ich sage ihnen, ich schaue mit meinem Mikro vorbei, wann immer es euch passt. Dann komme ich in der kommenden Woche zu Besuch, wir sitzen zwei Stunden zusammen und trinken ein paar Bier. Mit Ed Sheeran spreche ich in der ersten Episode. Jeder wird das interessant finden. Einfach, weil er der größte Künstler der Welt ist. Das ist Wahnsinn – er hat ein paar verrückte Sachen gesehen.

Ich bin da anders als Ed Sheeran – ich will nicht das größte Album der Welt machen.“

 Worüber habt ihr gesprochen?

„Songwriter“: Alles, was wir aus der Doku über Ed Sheeran gelernt haben
Ich habe ihm gleich gesagt: Von allen Leuten, mit denen ich spreche, habe ich für dich am wenigsten vorbereitet. Weil ich nicht weiß, wo ich beginnen soll. Es ging also erstmal um seine Anfänge, dann um Themen, die ihn im Moment beschäftigen. Am Bemerkenswertesten ist, was für ein Entertainer er ist. Für ihn ist es kein Schock, dass sein Album so erfolgreich war, glaube ich. Er wollte genau das. Ich bin da anders – ich will nicht das größte Album der Welt machen. Vor allem mit der aktuellen Platte sollen die Leute einfach ihre Freude haben. 

An welchem neuen Song hast du selbst die größte Freude?

Das ist schwierig. Ich hab auf jeden Fall zwei oder drei Lieblinge. „Get Away“ ist ein Up-Beat-Song mit einem etwas düsteren Text – diese Kombination gefällt mir. Ich tanze gerne zu „Shotgun“. „Hold My Girl“ ist aber wahrscheinlich mein Favorit. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich diesen Song geschrieben habe.

Du wirst oft auf deine Stimme angesprochen. Ist das deine stärkste musikalische Qualität?

In der Musik liebe ich am meisten die Texte. Ich denke nicht, dass ich ein Philosoph bin, aber mit Worten zu spielen, macht mir am meisten Spaß. Die größte Freude bereitet es mir dann, die Worte auch rüberzubringen.

George Ezras zweites Album STAYING AT TAMARA’S erscheint am 23. März 2018.

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