Geld oder Hiebe


27 Jahre nach dem Tod von Jimi Hendrix spitzt sich der Streit zwischen Erben und Jimis Musikern zu.

Familie Hendrix ist fein raus: Seit ihr 1995 die Rechte am Nachlaß des Ausnahmegitarristen zufielen, vermarktet sie Jimis Andenken nach allen Regeln der Kunst. Neben den Wiederveröffentlichungen der vier regulären Hendrix-Alben, die zwischen Mai 1967 und Juni 1970 entstanden, betreibt das Unternehmen „Experience Hendrix“ unter Vorsitz von Halbschwester Janie (35) und Vater AI (79) einen regelrechten Ausverkauf in Sachen Memorabilia: von Socken über T-Shirts bis hin zu Golfschlägern, Sitzkissen, Geschirr und Gips-Statuen. „Wir richten uns lediglich nach der Nachfrage der Leute“, rechtfertigt sich die geschäftstüchtige Janie.

Eine rege Nachfrage herrscht seit jeher auch nach jedem einzelnen Ton, den Gitarrengottvater Hendrix je konservieren ließ. Also kümmert sich das Familienunternehmen auch um die systematische Vermarktung jener Jams, Outtakes und Alternatiwersionen bekannter Songs, die Hendrix zwischen 1969 und 1970 in der New Yorker Record Plant bzw. in den Electric Ladyland Studios einspielte – aber nie auf Vinyl preßte. Das übernahmen andere, wie Manager Michael Jeffreys Tontechniker Eddie Kramer oder dubiose Berater.die schon zu Hendrix Lebzeiten dafür sorgten, daß ein Gros seiner Einkünfte auf geheimen Bankkonten verschwand. Doch posthume LPs wie „The Cry Of Love“, „Rainbow Bridge“ oder „War Heroes“ zeigten nur ansatzweise, so Janie, wonach Hendrix in der Spätphase strebte: „Er wollte eine neue Form von Musik erschaffen,fand aber nicht die passenden Mitstreiter, um seine Ideen umzusetzen. Das hat Jimi so frustriert, daß er sich in endlosen Sessions erging.“ Eine Erkenntnis, die auf umfangreichem Archivmaterial aus unvollständigen Jams und Song-Skizzen basiert. Und genau die sollen der Nachwelt ab sofort auf jährlich ein bis zwei CDs präsentiert werden. Den Auftakt machte im April „First Rays Of The New Rising Sun“, gefolgt von der Best Of „Experience Hendrix“sowie „South Saturn Delta“, die tatsächlich vier unbekannte Tracks enthält.

Doch Bassist Noel Redding wehrt ab:“Wenn Jimi das Zeug wirklich für gut befunden hätte, wäre es auch vor seinem Tod veröffentlicht worden. Was hier passiert, ist reine Geschäftemacherei. Die Experience hat drei brillante Alben veröffentlicht-warum können sie es nicht dabei belassen?“Die Verlierer der massiven Hendrix-Vermarktung sind denn auch Jimis einstige Weggefährten, allen voran Noel Redding und Drummer Mitch Mitchell. Daß sie verbittert sind, ist verständlich, wenn man bedenkt, wie die Wege der beiden Parteien seit Hendrix Tod am 18.9.1970 verliefen. AI und Janie kamen in den Genuß von Geld und Macht, Mitch und Noel blieb das Nachsehen. Letzterer lebt heute im irischen Clonakilty und zehrt von den spärlichen Tantiemen aus den einzigen Songs,für die er Geld bekommt: „Shes So Fine ‚und „Little Miss Strange“. Redding ist heute ein verhärmter 5ijähriger, der finanziell gerade so über die Runden kommt und nach dem Ausstieg bei der Experience im Sommer ’69 nie mehr wirklich Fuß fassen konnte. Seine Nachfolgecombos Road und Fat Mattress scheiterten schon im Ansatz, die Veröffentlichung eines Solo-Albums aus dem Jahre 1970 wurde ihm bislang seitens der Hendrix-Erben untersagt – weil Jimi an einem Song mitwirkte.

Am meistern ärgert Redding jedoch die Intention des Hendrix-Clans, Jimis exzessiven Charakter nachträglich zu retuschieren. Laut Halbschwester Janie war der Gitarrist ein wahrer Engel: „Die Leute haben ein völlig falsches Bild von ihm – er war ein Familienmensch, der ständig angerufen hat und uns mit Geld unterstützte. Und was diese Drogenstories betrifft, das sind nur Märchen.“ Eine Sichtweise, der Noel so gar nichts abgewinnen kann.“Wie kann sie ernsthaft behaupten, Jimi hätte keine Drogen genommen? Jimi hat einfach alles konsumiert: LSD, Hasch,Tabletten, Alkohol. Jetzt versuchen sie sogar, auf Fotos die Zigaretten zu entfernen.“

Der Streit zwischen den beiden Parteien wird weitergehen-so lange, bis Noel und Mitch ihren Anteil an den zwei bis vier Millionen Alben erhalten, die seit 1970 jährlich umgesetzt werden. Eine Einigung indes scheint zumindest aus Sicht von Familie Hendrix nicht in Sicht: „Noel sollte endlich aufhören, über Dinge zu reden, von denen er keine Ahnung hat. Schließlich war er nur 18 Monate in Jimis Band. Er hat ihn kaum gekannt.“