Gegangen um zu bleiben


Das Ende des Britpop as we know it: Oasis, Blur, The Verve. Alle weg. Vom Jackson-regierten Pophimmel schauen sie auf die Erde herab, warten auf Eminem und Robbie. Und wundern sich, z. B. über Kiss.

Graham Coxon nochmals das von ihm so gehasste „Country House“ spielen zu hören. Da stiegen dem Fan die Tränen in die Augen wie dem Androiden David aus dem Film „A.I.“, der für einen Tag seine verstorbene Mutter zurückbekommt. Länger als einen Tag sollte die Freude auch kaum währen. Nach Coxons und Damon Albarns Kriegsbeilbegräbnis nehmen die Mitglieder von Blur wieder ihre Solo-Jobs auf. Etwa zur selben Zeit zerbrechen Oasis am ewigen Streit der Gebrüder Gallagher. Nachdem Liam kurz vor einem Auftritt in Paris die Gitarre seines Bruders zerschlagen hatte, verlässt Noel die Band. Das Verwunderliche am Oasis-Split: Niemanden scheint’s zu kümmern. Die Sehnsucht nach einem weiteren Oasisalbum hält sich offenbar ebenso in Grenzen wie die nach einer neuen Offenbarung von The Verve. Auch deren Split, ihr dritter, wollte 2009 niemanden so recht schockieren. Der Abgang von Smashing-Pumpkins-Drummer Jimmy Chamberlin wurde mit etwa so viel Verständnis aufgenommen wie Unverständnis für Billy Corgan herrschte, der unter altem Bandnamen mit neu gecastetem Schlagzeuger (dem drei Jahre nach Bandgründung geborenen Mike Byrne) weitermacht.

Kurz bevor die Jahresendabrechnungen The XX als Newcomer 2009 preisen steigt Gitarristin Baria Qureshi aus. Sie hält den Tourneestress nicht aus. Auch Peter Fox schaltet wieder einen Gang zurück. Dem Seeed-Sänger wird der Rummel um ihn nach seinem enorm erfolgreichen Solodebüt STADTAFFE zu blöd. Fortan will er sich den Platz im Scheinwerferlicht wieder mit seinen beiden Co-Seeedchefs Ear und Eased teilen. Des Weiteren nehmen wir in diesem Jahr Abschied von The Rakes, Muff Potter, Silver Jews. Die schmerzlichste Trennung des Jahres war aber freilich die der Welt von Michael Jackson. Seine unerreichbare Größe belegend ging aus dem Streit um seine Krone kein Sieger hervor.

Eminem wiederholte sich auf seinem Comebackalbum RELAPSE, so dass es ihm niemand krumm nahm, den noch für dieses Jahr angekündigten Nachfolger erstmal auf 2010 geschoben zu haben. Auch die Fanbasis des zurückkehrenden Robbie Williams war geschwunden. In seiner Heimat England erreichte REALITY KILLED THE VIDEOSTAR als erste seiner Platten nicht Platz eins. Bereits im November stand er dann mit seinen Ex-Take-That-Kollegen wieder gemeinsam auf einer Bühne. In Fleisch und Blut, nicht wie bei den TT-Shows der jüngeren Vergangenheit, in denen Williams von einem Hologrammabklatsch seiner selbst ersetzt wurde.

Eine Idee, die sich auch Whitney Houston durch den Kopf hätte gehen lassen können. Elf Jahre nach ihrem letzten erfolgreichen Studioalbum wagte sich die arg von Drogen und ihrem Ex-Mann Bobby Brown gebeutelte Sängerin zurück. Doch weder auf dem bizarr verphotoshoppten Porträt auf dem Cover von I LOOK TO YOU war die Soulqueen zu erkennen, noch auf der Tonspur des Albums. Houston, wir haben da ein Problem. Direkt an ihre letzte Taten schlössen hingegen Kiss und Kings Of Convenience an. Deren Comebackplatten SONIC BOOM, bzw. DEKLARATION OF DEPENDENCE klangen genau so wie erwartet, wie erhofft oder befürchtet.

Was war also nun das Comeback des Jahres? Die Beatles? Nein, die waren nie weg, die werden nie weg sein. Faith No More? Das stieß doch fast so übel auf wie die 2007 wiederkehrenden RATM, nicht? Skunk Anansie? Ach so, das haben Sie gar nicht mitbekommen? Pavement, die Libertines? Die wollen ja erst 2010 wieder gemeinsame Sache machen. Die Songs ihres verschwundenen Mitglieds Richey Edwards aufnehmenden Manie Street Preachers? Das gilt nicht. Selig? Naja, man will ja mal gefragt haben. Limp Bizkit? Die frappant mit Weezer als Support tourenden Blink-182? Guano Apes? Gar Creed? Jetzt aber mal halblang! Nein, das Comeback des Jahres war gleichzeitig auch der Abschied des Jahres: Michael Jackson. Der hat nach seinem Tod mehr Platten verkauft als John Lennon und Elvis Presley nach ihrem jeweiligen Ableben. Eat this!