Gallagher & Squire live in Berlin: Kurzes Gastspiel in der Hauptstadt
Kurzes Gastspiel in der Hauptstadt – so war's bei Liam Gallagher & John Squire live in Berlin.
Eigentlich wollte Liam Gallagher mal gar nichts tun. Rumhängen, ausruhen, sich erholen von dem anstrengenden Leben als – nach eigener Aussage – einer der größten Rockstars der Welt. Dieses Maulaffen feilhalten hielt jedoch nicht lange an, denn wenn John Squire, ehemaliger Gitarrist der phänomenalen Stone Roses, an die Tür klopft, dann öffnet sogar die Lichtgestalt Liam. In Folge entstand ein gemeinsames Album, das genauso klingt, wie es heißt – nach Gallagher und Squire. Dass diese Mischung auch 30 Jahre nach der Blütezeit des Britpop noch funktioniert, liegt nicht zuletzt an dem immensen Einfluss, den beide Musiker bis heute haben.
Zugegebenermaßen ist das im Januar 2024 erschienene Album das Beste, was beide Musiker seit langer Zeit veröffentlicht haben. Solo kamen die Engländer nie an frühere Werke heran, vielleicht eilte ihnen auch ihr großer Bandname voraus. Während Liam noch immer ab und an auf der Bühne steht, steht Squire weitestgehend in seinem Atelier und drückt seine Kunst in der Malerei aus. Nun sind sie aber doch zusammen auf Tour, um ihren Fans zu zeigen, dass sie es live noch können. Kein Wunder, dass die Berliner Columbiahalle restlos ausverkauft ist. Natürlich vor allem wegen Liam, aber auch wegen Squire, dem verschrobenen Ausnahmegitarristen. In den ersten Reihen schwenken die Fans Stone-Roses-Schals. „Liaaaam“-Rufe, wie man sie bei den anderen Tourgigs hörte, fehlen gänzlich.
„I’m so bored“
Cool wie ein Flutschfinger betritt Liam die dunkle, nur in diffuses Rot getauchte Bühne, Squire folgt ihm und richtet sich an seinem durchsichtigen Pedalboard ein, den Blick nach unten gesenkt, vertieft in sein Gitarrenspiel. Diese Pose wird zum Signature Move seines Konzerts.
Während die ersten Takte von „Just Another Rainbow“ erklingen, bekommt das Publikum eine Ahnung, wie der Abend laufen wird. Gallagher, stilecht mit Windjacke, steht mit vorgerecktem Hals an seinem Mikrofon und sieht erstaunlich frisch aus. Squire verharrt mit gesenktem Blick, das Gesicht verdeckt von seinen dunklen, halblangen Haaren. Interaktion zwischen den beiden Protagonisten – keine. Musikalisch ist nichts auszusetzen: Guter Sound, fabulöse Band, das unfassbar groovige Gitarrenspiel von Squire und Gallaghers Stimme, die in äußerst guter Verfassung ist. Und doch wirken die zehn Songs des Albums live teilweise seltsam entrückt, als würden Gallagher und Squire gar nicht wirklich zusammen auf der Bühne stehen.
„I’m a wheel“
Den Abend dominiert Squire mit seinen ellenlangen Gitarrensoli. Von Hendrix- über „Led Zeppelin“-Anleihen holt Squire alles aus seinem Instrument heraus. Dabei wirkt er so cool und in sich ruhend, dass ihn womöglich nicht mal eine Zombieapokalypse aus der Fassung brächte. Gallagher bleibt weitestgehend im Hintergrund, erfreut sich an seinen Parts und schüttelt fleißig seine Maracas. So bescheiden und zurückhaltend kennt man den Ex-Oasis-Sänger gar nicht. Ob ihm diese Rolle gefällt?
Gallaghers natürliches Habitat ist der Britpop, nicht der Blues, den er aber an diesem Abend erstaunlich gut umsetzt. Trotzdem bleiben die stärksten Songs der Setlist, die alle Titel des Albums umfasst, am Ende doch die eingängigen Alternative-Nummern wie „Make It Up As You Go Along“ oder „You’re Not The Only One“. Vor dem Gassenhauer „Mars To Liverpool“ ruft Liam explizit nach Besucher:innen aus Liverpool, die sich auch erst lautstark zu Wort melden und dann konform lautstark mitsingen. Überhaupt ist die Stimmung in der Columbiahalle sehr positiv und entspannt, die Fans wissen offenbar, worauf sie sich eingelassen haben.
„Raise your hands“
Das nur 55-minütige Konzert endet unspektakulär mit einer vollkommen überflüssigen Coverversion des Rolling-Stones-Klassikers „Jumping Jack Flash“. Kein Oasis, keine Stone Roses, keine Egos. „Bei dem hohen Ticketpreis von 78 Euro wäre zumindest ein kleines Medley schon drin gewesen“, raunt man sich im Publikum zu. Das stört Gallagher und Squire mitnichten und wer weiß, vielleicht galten ihren Hatern insgeheim folgende Zeilen aus „Make It Up As You Go“: „Thank you for your thoughts and prayers // and fuck you, too!“