Fresh as Fuck
Die großen Veröffentlichungen sind im vierten Quartal ausgeblieben. Aber ein bisschen was geht immer.
Das vierte Quartal ist auch nicht mehr, was es einmal war. Einst warteten Kritiker und Kunden gebannt auf die großen Veröffentlichungen des Winters. Schließlich wollten Jahrescharts geschrieben und Weihnachtsgeschenke gekauft werden. Heute braucht keiner mehr zu warten – wichtig ist, was außerhalb der Industrie passiert. So stellte der geheimnisvolle Cartoon-Rapper Captain Murphy kurz vor der stillen Zeit sein grelles Video-Mixtape „Duality“ ins Netz: ein 35-minütiger Höllenritt durch die Abgründe eines vernebelten Superhirns. Psychedelische Beatschleifen treffen auf wahnwitzig verzerrte Raps und irre Bilderströme zwischen VHS, LSD und ADHS. Dass sich hinter der diabolischen Comicfigur CM ein gewisser FL verbirgt, ist indes reine Spekulation. www.captainmurphy.xxx
Sorgfältig dokumentiert ist die Identität von Kanye West, dem größten Selbstdarsteller der Selbstdarstellungskultur HipHop. Seit er sich in den Kardashian-Klan geschmust hat, beäugt der Boulevard jeden Schritt des großmäuligen Genies. Seiner Musik hat das nicht geschadet. Im Gegenteil: Neben Rappen und Beatbasteln hat West auch die Kunst des großen Auftritts zur Meisterschaft geführt. Jüngster Beleg ist sein Remix zu Rihannas wundervoller Single „Diamonds“. „My style is sex in the shower, fresh as fuck“, posaunt er in seinem Eingangsmonolog – und kontrastiert damit perfekt die himmlisch-unterkühlten Harmonien des Originals. www.soundcloud.com/rihanna
Wer da noch Luft hat, besorgt sich das neue Mixtape von French Montana, „Mac & Cheese 3“. Der marokkanisch-stämmige MC aus New York gilt als der kommende Star im Straßenrap, trotz oder gerade wegen seiner sensationell schlampigen Vortragsweise und des starken Maghreb-Akzents, der seine immer gleichen Erzählungen von Koks und Kohle durchzieht. Ignoranter kann man kaum rappen. Aber cooler eben auch nicht. www.datpiff.com