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Ausstellung und Buch zeigen die Geschichte der Zensur in der Popmusik - das Ende: offen
Kiss, das waren Nazis, die SS-Runen in ihr Logo ritzten. Die Rolling Stones: Gossenbrüder, die Ekel-Notdurftanstalten beschmierten. Und selbst die Beatles scheuten nicht vor der Verstümmelung von Säuglingspuppen zurück. Die Geschichte der Rockmusik war aus der Perspektive des Zensoren bis heute ein einziger Skandal. Die Ausstellung „Nur für Erwachsene“ (noch bis zum 1. Mai im Rock’n’Pop-Museum in Gronau) sowie das begleitende Buch zeigt allerdings, daß Elternverbände, Staat und Plattenindustrie in den 60ern noch nach ganz anderen Maßstäben Plattenhüllen umgestalten ließen, Texte verstümmelten und als letztes Mittel die Justiz einschalteten, als sie es heute tun. Offener Rassismus zur Verbesserung von Tonträgerverkäufen (schwarze Girlgroup The Chantels runter vom Cover, weiße, „unverfängliche“ Teenager an Jukebox rauf] war damals noch gängige Marketingpraxis in den USA; überzogene Gewaltdarstellungen vor allem auf Metal-Covern lassen bis heute Sittenwächter auch im alten Europa einschreiten – von den ganzen Rechtsrock-Idioten, bei denen die Covergestaltung allerdings selten das größte Problem darstellt, ganz abgesehen. Ausstellung und Buch wählen ein einfaches, aber überzeugendes Verfahren, um deutlich zu machen, welche Folgen Zensurund Selbstzensur zuersteinmal auf die Verpackung von Popmusik haben: Gezeigt werden Cover im Urzustand und daneben in moralisch oder politisch unbedenklicherer Bearbeitung. Das ist im Ergebnis selten wirklich nachvollziehbar, manchmal unfreiwillig komisch und nur in einzelnen Fällen aus „objektiver Sicht“ tatsächlich notwendig gewesen. Auch wenn, genau so wie die Covermotiv-Sammlung selbst, die einführenden Aufsätze zu Ausstellung und Buch und der etwas beliebig zusammengestellte lexikalische Teil keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, vermisst man doch einen gewissen roten Faden. Vielleicht sucht man aber auch nur einen abschließenden Standpunkt, eine „Moral von der Geschicht'“ zu einem Thema, das diese nicht zulässt. „Zensur darf nicht stattfinden!“ – so einfach ist es wohl nicht.
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