Fehlfarben – Monarchie Und Alltag


5.

„Keine Atempause / Geschichte wird gemacht / Es geht voran“: Worüber andere dicke Wälzer verfassen, dafür genügten einer Band mit dem seltsamen Namen „Fehlfarben“ Ende 1980 drei Zeilen – und fertig war die selbstbewusste, intelligente, dabei hochgradig tanzbare Hymne für etwas, das alsbald Neue Deutsche Welle heißen sollte. „Ein Jahr (Es geht voran)“ ist aber nur eines – wenn auch vielleicht das beste, weil prägnanteste – von elf großartigen, teils noch dem Punk geschuldeten Liedern auf dem Debüt „Monarchie und Alltag“, das die damaligen bundesrepublikanischen Verhältnisse trefflich zusammenfasste. „Es liegt ein Crauschleier über der Stadt, den meine Mutter noch nicht weggewaschen hat“, reimte Peter Hein, einst unter dem Pseudonym „Janie Jones“ als Sänger von Mittagspause eine bekannte Figur in der Düsseldorfer Punk-Szene. Kein Klagen, keine Wehleidigkeit, nüchterne Statements, die „Gottseidank nicht in England“ heißen, „Hier und jetzt“, „Apokalypse“ oder „Paul ist tot“. Doch das war längst nicht alles: Die Fehlfarben dürfen auch als erste deutsche Post-Punk-Supergroup gelten. Gitarrist Thomas Schwebel kam wie Hein von Mittagspause, Bassist Michael Kemner von DAF, Uwe Bauer hatte für S.Y.P.H. getrommelt (und war später kurzzeitig Mitglied von Element Of Crime), Frank Fenstermacher schließlich blies sein Saxofon auch bei Der Plan. Eine Fülle von Einflüssen also kam zusammen, von Punk bis Disco, von Untergrund bis Schlager, einfach „U-Musik, Unterhaltungsmusik“, wie Freund Hein einst für die Kult-Postille „Sounds“ den eigenen Stil definierte, kurz bevor’s fürs Debüt ins Studio ging. Das verkaufte sich dann locker über hunderttausend Mal, und damit war, obwohl der umtriebige Frontmann da schon längst wieder die Pferde gewechselt hatte (Krupps, Family 5), die Saat gelegt für alles, was sich später Tote Hosen oder Die Ärzte nennen sollte. Die Hinterbliebenen leckten derweil ihre Wunden und spielten das eher mittelmäßige „33 Tage in Ketten“ ein. Mit dem Folgewerk „Glut und Asche“ aber nötigten sie der Musikzeitschrift Ihres Vertrauens im März 1983 die wohlmeinende Schlagzeile „Funk für Fortgeschrittene“ ab – und einen ersten Platz in der unbestechlichen Kritiker-Bestenliste. Danach verliert sich allerdings die Spur der Fehlfarben. Paul war tot – kein Freispiel drin.