Endlich: Rad neu erfunden!


MySpace-Music könnte den Musikmarkt revolutionieren - nur die Indies sind bislang außen vor

Läuft alles nach Plan, dann wird man einst zurückblicken und sagen, dass MySpace Music das Wichtigste war, was sich auf dem globalen Musikmarkt im Jahr 2008 – ach was: im ganzen Jahrzehnt! getan hat. Läuft es aber nicht nach Plan, dann wird man zumindest die Geschichte eines Scheiterns im großen Stil erzählen können. Denn groß ist alles an dem Projekt, das Ende September in den USA online ging. Allein, dass tatsächlich alle vier Major-Plattenfirmen, also Universal, Warner, Sony und EMI, in ein Boot stiegen und sich an einem Joint Venture beteiligten, überraschte viele. Und klar ist, dass der Seniorpartnerin diesem grandiosen Gemeinschaftsunternehmen, der Medien-Tycoon Rupert Murdoch, dem mit seiner News Corp. die MySpace-Muttergesellschaft gehört, niemals zum Verlieren antritt.

Die schwer gebeutelten Musikkonzerne hoffen bei MySpace Music ihre Rettung zu finden. Die Plattform soll mit einem werbefinanzierten Angebot ganz neue Einnahmequellen erschließen. Die beteiligten Labels öffnen ihr Repertoire für kostenlose Streams auf der MySpace-Seite. Jeder Künstler kann nicht nur ein paar wenige Songs online stellen, sondern ganze Alben und Discographien. Aus denen sollen sich wiederum die MySpace-Nutzer Playlists zusammenstellen und sie auf ihren Profilseiten einbinden können. Mehr Aufmerksamkeit für ihre Musik versprechen sich die Labels davon, und neben den Werbeeinnahmen, die milliardenfache Streams einbringen sollen, auch möglichst viele verkaufte MP3S über den Kooperationspartner Amazon.

Für Unmut sorgten die Pläne aber schon zum Start bei den Indie-Labels. Die machen immerhin noch etwa 20 Prozent des Musikmarktes aus und galten bislang als besonders MySpace-affin. Der Aufstieg der Arctic Monkeys ist so etwas wie eine Heldensage des Social Networks. Weil die Indies aber nicht zu den gleichen Konditionen bei MySpace Music dabei sein dürfen wie die Miteigentümer von den Majors, haben viele Repräsentanten der Indie-Szene das nachhaltige Gefühl, man wolle sie über den Tisch ziehen. Bis in den Spätherbst hinein rangen MySpace und der internationale Indie-Label-Zusammenschluss Merlin Network um eine Einigung – bei Drucklegung dieser Zeitung lag noch immer kein Ergebnis vor. Einstweilen bleiben Franz Ferdinand & Co. draußen – ein Zustand, den MySpace Music für einen erfolgreichen Europa-Launch wohl ändern müsste. Erzkonkurrent Facebook jedenfalls ist wachsam und bastelt angeblich an einer mit MySpace Music vergleichbaren Plattform. Auch wenn Facebook bisher als Ort für Musik nicht weiter aufgefallen ist, will man offenbar den Anschluss nicht verlieren.

Und mit ihren Katalogen experimentierten die großen Musikkonzerne 2008 auch noch woanders. Nokia Comes With Music heißt (zunächst nur in Großbritannien) ein Flatrate-Service des finnischen Handyherstellers, der ein Jahr lang ständigen mobilen Zugang zu Millionen Songs der Majors verspricht – mit Digital Rights Management und nur für je ein Handy und einen PC freigeschaltet. Und auch T-Mobile, hört man, steht für einen eigenen Flatrate-Dienst in den Startlöchern. 2009 im Auge behalten sollte man aber noch einen anderen Feldversuch in Großbritannien: Datz Music Lounge heißt das Projekt, bei dem neben Indie-Labels mit Warner und EMI auch zwei Majors dabei sind. Für 100 Pfund erwirbt der Kunde einen speziellen USB-Stick und eine Jahresflatrate – für Songs ohne DRM, frei kopierbar auf jedes Gerät.