Elvis Costello


Was mag sich der Jazz Festival-Organisator Claude Nobs nur bei dieser abstrusen Programmfolge gedacht haben? Vermutlich gar nichts. Und so durfte Gitarrist Larry Carlton mit Fusion-Gedaddel langweilen, bevor endlich die Hohe Schule der britischen Songwriterkunst ihr stolzes Haupt vor einem bizarr besetzten Publikum aus Montreux-Schickeria, irritierten Festival-Abonnenten, zufällig angespülten Touristen und weit angereisten Hardcore-Fans in vier Akten erheben konnte.

Nick Lowe machte mit Golden Oldies a la „So It Goes“ oder „Cruel To Be Kind“ den Anfang, gefolgt vom Squeeze-Nucleus Chris Difford & Glen Tilbrook, die nach überzeugendem Start doch einige Durststrecken überwinden mußten. Doch der Begrüßungsjubel für Elvis läßt keinen Zweifel, wem die Gunst des Abends gehört. Costello wiederum läßt keinen Zweifel daran, warum er zuletzt immer häufiger die Solo-Vorstellung bevorzugt: Ohne Bandkorsett kann er sich praktisch alles rausnehmen, und so war der passende Auftakt „Accidents Will Happen“ auch ein Versprechen, das Costello spielend einlöste.

Erstaunlich vor allem, welche Nuancen er immer wieder in älterem Material entdeckt. „Watching The Detectives“ etwa, das doch eigentlich nach einer Band ruft, wurde wohl nie eindringlicher dargeboten als in dieser bohrend intensiven Solo-Version, und „Pump It Up“ testet zwischen Hip-Hop-Beat vom Band, schrillen E-Gitarren-Dissonanzen und „Revolution“-Zitat die Toleranzgrenze des Publikums.

Überhaupt: Zitate und Referenzen zuhauf — von Van Morrison („Jackie Wilson Said“) über die Monkees („Last Train To Clarksville“) bis zu Chet Baker (dem er, am Piano, ein ergreifendes „Almost Blue“ widmet) und – natürlich – den Beatles plus Nachlaß: „You Got To Hide Your Love Away“ macht sich ja auch ganz vorzüglich zwischen „New Amsterdam“ und „American Without Tears“, und „That Day Is Done“, eine Kooperation „mit dem anderen Mac“ (Costello-Ansage), zelebriert er wiederum genüßlich an den Tasten.

Als ideale Spielwiese für den Entertainer Costello entpuppt sich „God’s Comic“: Mühelos animiert er zum Sing-A-Long oder bringt mit trockenem Humor lästige Zwischenrufe zur Strecke. Ein schier atemberaubendes „I Want You“, das sich von heiser-zärtlichem Verlangen in ohnmächtige, geradezu morbide Besessenheit hochschraubt, beendet dann schließlich den regulären Set.

„Pads, Paws & Claws“ eröffnet den letzten Akt: Lowe. Difford/Tilbrook und Squeeze-Drummer Gilson Lavis als Backing für Elvis, der nun mit „Honey Are You Straight Or Are You Blind?“ den lauten Gitarrenrocker raushängen läßt und – von „Let The Good Times Roll“ bis zu „Pretty Flamingo“ – ausgiebig in der Historie wühlt.

Ein überschwengliches „Slow Down“ wirft schließlich den Vorhang über eine außergewöhnliche Nacht, die erneut Costellos Ausnahmestellung in jeder Beziehung bestätigte – als ehernes, fast unantastbares Musik-Monument, das mit Sicherheit immer noch stehen wird, wenn etliche Mitläufer und Initiatoren schon längst auf dem Müllhaufen der Pop-Geschichte ruhen.